Wie lange können wir uns die Pensionen noch leisten? (Wolfgang Mazal)

Wie lange können wir uns die Pensionen noch leisten? (Wolfgang Mazal)

48 Minuten

Beschreibung

vor 2 Jahren

Rosemarie Schwaiger spricht mit dem Arbeits- und Sozialrechtler
Wolfgang Mazal



Derzeit verhandelt die Regierung mit den Seniorenvertretern über
die Erhöhung der Pensionen. Wahrscheinlich kommt am Ende ein
dickes Plus von acht Prozent oder noch mehr heraus. Das alles,
obwohl der Rechnungshof jüngst warnte, dass sich der
Bundeszuschuss zu den Renten allein im ASVG-Bereich bis 2030 mehr
als verdoppeln werde – auf rund 20 Milliarden Euro pro Jahr. Wie
lange kann sich die Republik dieses System noch leisten?
Finanzierbar sei grundsätzlich alles, meint der renommierte
Arbeits- und Sozialrechtler Wolfgang Mazal im Podcast der Agenda
Austria. Man müsse nur sehen, dass für andere Bereiche dann immer
weniger Geld übrig bleibe. „Wir können natürlich alles, was wir
produzieren, in die Altersversorgung stecken. Das ist aber eine
Frage der Prioritäten. Und da müsste man schon manchmal zugunsten
der Jungen argumentieren. Die nächste Generation hat ein Recht
darauf, noch finanzielle Spielräume vorzufinden.“


Mazal übt heftige Kritik an der Art, wie die Politik seit Jahren
in das System eingreift, indem sie grundsätzlich niedrige
Pensionen stärker erhöht als mittlere oder hohe: „Leistung darf
sich im Grunde nicht mehr lohnen. Dass jemand mehr eingezahlt
hat, zählt nicht. Und das alles ist gleichsam subkutan gelaufen,
ohne dass es darüber eine gesellschaftliche Auseinandersetzung
gegeben hat.“


Am dringendsten ändern müsste sich nach Mazals Ansicht das immer
noch viel zu niedrige Pensionsantrittsalter. Dafür müsste in
einem ersten Schritt das gesetzliche Antrittsalter der deutlich
gestiegenen Lebenserwartung angepasst werden. „Das
Pensionsantrittsalter 65 wurde im Jahre 1906 eingeführt“, sagt
Mazal. „Das Argument damals war: Das können wir uns leisten, weil
das erleben nur etwa zehn Prozent der Menschen.“ Seine
Schlussfolgerung: „Deren System war auf der Höhe ihrer Zeit,
unser System ist nicht mehr auf der Höhe unserer Zeit.“ 


Generell müsste mehr darüber diskutiert werden, was der
Sozialstaat leisten und wofür er Geld ausgeben solle, findet der
Experte. Zu wenig Ressourcen gibt es seiner Meinung nach etwa für
die Behebung von Bildungsdefiziten, die vor allem die Kinder
nicht deutsch sprechender Zuwanderer betreffen. Dafür werde in
anderen Bereichen oft zu viel des Guten getan, glaubt Mazal: „Das
Niveau des Sozialstaats ist so hoch, dass es die Dynamik in der
Gesellschaft  reduziert.“ Dies gelte etwa im Vergleich zu
Menschen aus Osteuropa, die noch deutlich mehr an Leistung und
Erfolg aus eigener Kraft glauben würden als die Österreicher.
„Wir haben zu viele Politiker, die in jedes Thema das Wort sozial
hineinpacken müssen. Und alles, was nicht dieser Semantik folgt,
wird beinahe kriminalisiert.“


Trotz aller Kritik bleibt Mazal zum Schluss des Gesprächs
versöhnlich. Auf die Frage, was er einem heute jungen Menschen
raten würde, lautet seine Antwort: „Ich würde jedem 20-Jährigen
Mut machen, an unseren Staat zu glauben. Das verdient diese
Republik.“


Wolfgang Mazal, 62, ist seit 30 Jahren Professor für Arbeits- und
Sozialrecht an der Uni Wien. Er ist Autor mehrerer Bücher,
engagiert sich im Europäischen Institut für Soziale Sicherheit
und amtiert als Präsident des Österreichischen Instituts für
Familienforschung. 

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