Wie kommen wir aus all den Krisen wieder raus? (Moritz Schularick)
55 Minuten
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Beschreibung
vor 2 Jahren
Rosemarie Schwaiger spricht mit dem deutschen Ökonomen Moritz
Schularick
Die Inflation ist so hoch wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Ist es
klug, wenn Regierungen gegen die Teuerung kämpfen, indem sie Geld
verteilen? Der deutsche Ökonom Moritz Schularick plädiert im
Podcast der Agenda Austria für mehr politische Ehrlichkeit und
gegen populistische Schnellschüsse: „Wir sind durch den
russischen Angriffskrieg ärmer geworden. Daran führt kein Weg
vorbei. Wenn sich Regierungen intelligente Dinge einfallen
lassen, um diese Kosten zu verteilen, ist das nicht verkehrt.
Schwierig wird es, wenn man wie in Deutschland mit dem Tankrabatt
in den Preismechanismus eingreift. Energie ist knapper geworden,
sie muss teurer werden, damit wir unser Verhalten anpassen.“
In der Diskussion um sogenannte „Übergewinnsteuern“ ist
Schularick gegen Denkverbote. „Ich würde das gerne ohne
ideologische Scheuklappen diskutieren“, meint er. Natürlich seien
solche Maßnahmen in normalen Zeiten ein Tabu, aber falls es gute
Ideen dazu gäbe, möge man darüber reden. „Ich habe bis jetzt aber
noch keinen Vorschlag gesehen, der überzeugend war.“
Anders als die meisten liberalen Ökonomen betrachtet Moritz
Schularick die Europäische Zentralbank nicht als eine der
Hauptverantwortlichen für die hohen Inflationsraten. Die Ursachen
der Teuerungswelle seien klar, meint er: die Pandemie, der Krieg,
die Blockade der Schwarzmeerhäfen und der Einsatz von Energie als
Waffe durch den russischen Präsidenten Wladimir Putin. „Das war
nichts, was eine Zentralbank vorhersehen konnte. In einer Welt
ohne Corona und ohne Krieg wären die Inflationsraten deutlich
niedriger – wahrscheinlich in einem Band um den Zielwert von zwei
Prozent.“
Schularick hat ausführlich über die Rendite verschiedener Formen
von Geldanlage geforscht. Sein Fazit: Über die vergangenen 70
Jahre brachte der Aktienmarkt die besten Ergebnisse, knapp
gefolgt von Immobilien. Was heißt das jetzt für private Anleger?
Es gebe natürlich Menschen, für die der Aktienmarkt – noch dazu
in einer derart schwierigen Situation wie der aktuellen – ein zu
großes Risiko darstelle, räumt Schularick ein. Bei der Geldanlage
solle sich jeder fragen, was ihm wichtig sei und auf welche Dinge
er keinesfalls verzichten wolle, empfiehlt der Ökonom. „Ich sage
meinen Studenten immer: Wenn Ihr Ziel im Leben ist, jeden Morgen
ein Glas frische Milch zu trinken, dann ist die beste Investition
eine Kuh.“ Das gleiche gelte für den Erwerb einer
Eigentumswohnung, wenn man wirklich vorhabe, dauerhaft in einer
Gegend zu leben. Den enormen Preisanstieg bei Immobilien hält
Schularick übrigens nicht für ein Problem: „Ein Immobilienboom
reduziert die Ungleichheit, weil Immobilienbesitz unter den
Bürgern gut verteilt ist. Steigen die Preise, sitzen die Gewinner
in der Mitte der Bevölkerung.“
Grundsätzlich hält Schularick die aktuellen Krisen für
bewältigbar. „In 20 oder 30 Jahren wird es niemanden mehr
interessieren, ob im kommenden Winter die Wirtschaftsleistung um
0,6 oder um 1,1 Prozent geschrumpft ist, oder ob die
Inflationsrate 4,7 oder 5,2 Prozent betrug. Wenn unsere Kinder
zurückblicken, werden sie fragen: Wie habt ihr euch verhalten,
als Europas Friedensordnung auf der Kippe stand? Wir haben eine
tolle Chance, als Europäer zusammen zu stehen, auf einer
gemeinsamen Wertebasis. Was da auf uns zukommt, sind keine
Herausforderungen, die wir in der Vergangenheit nicht schon
bewältigt haben.“
Moritz Schularick, 47, ist Professor für Ökonomie an der
Universität Bonn und an der Sciences Po in Paris. Im
Sommersemester 2022 war er Gastprofessor der Österreichischen
Nationalbank an der Universität Wien. Schularick ist Mitglied der
Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und Träger
des Leibniz-Preises. Zuletzt erschien von ihm das Buch „Der
entzauberte Staat. Was Deutschland aus der Pandemie lernen muss.“
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