Welche Folgen hätte ein Stopp der russischen Gaslieferungen für die österreichische Wirtschaft? (Marcell Göttert, Jan Kluge)
18 Minuten
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vor 2 Jahren
Rosemarie Schwaiger spricht mit den Agenda-Austria-Ökonomen
Marcell Göttert und Jan Kluge
Ein Ölembargo der EU gegen Russland steht unmittelbar bevor, ein
Gasembargo könnte folgen. Für die österreichische Wirtschaft
wären die Folgen dramatisch, sagen die Agenda-Austria-Ökonomen
Marcell Göttert und Jan Kluge im Podcast. Österreich deckt rund
80 Prozent seines Gasbedarfs in Russland. Die Experten haben
versucht, die Kosten und Konsequenzen eines Lieferstopps zu
berechnen. Schon das war nicht ganz einfach, weil es sich um eine
historische Premiere handeln würde: „Für ein solches Embargo gibt
es keine Beispiele. Wir waren gezwungen, in Szenarien zu
rechnen“, sagt Jan Kluge.
Die Ergebnisse: Im besten Fall würde ein Embargo zu einem
Rückgang der Wirtschaftsleistung im laufenden Jahr um 1,5 Prozent
führen. Im mittleren Szenario sinkt das BIP um 2,4 Prozent. Im
Worst Case bricht die Wirtschaft um 4,5 Prozent ein. „Die
Wahrheit wird irgendwo in der Mitte liegen“, meint Marcell
Göttert, „aber vermutlich eher am unteren Rand.“ Beinahe
ausschließen könne er das positivste Szenario, das auf der
Annahme beruht, das russische Gas könne fast vollständig durch
andere Anbieter oder andere Energiequellen ersetzt werden.
Am stärksten betroffen wären in einem ersten Schritt die
chemische Industrie, die Metallerzeugung, Papierhersteller und
der Energiesektor. „Der Rest bliebe erst einmal unbehelligt. In
der zweiten Runde sind dann alle betroffen, die Vorleistungen
liefern, zum Beispiel der Großhandel und die Logistikbranche“,
sagt Kluge. „Arbeitsplatzverluste wird es also nicht nur in der
Industrie geben, sondern in allen möglichen Sektoren.“
Spar-Aufrufe an private Haushalte sehen die Experten mit
gemischten Gefühlen. „Der Effekt wäre nicht riesengroß“, meint
Marcell Göttert. „Das würde etwas bewirken, wenn die Haushalte
die Hälfte ihres Gasbedarfs einsparen könnten. Dann hätte man
eine Gasmenge, mit der die Industrie etwas anfangen könnte. Aber
das ist völlig unrealistisch.“
Ein Boykott der Öllieferungen wäre wirtschaftlich leichter zu
verkraften, hätte aber auch für Russland keine so gravierenden
Auswirkungen, meinen die Experten. „Putin könnte das Öl einfach
anderweitig exportieren, oder es sozusagen reinwaschen, in dem er
es über Indien nach Europa weiterleitet“, sagt Kluge.
Beide Ökonomen sprechen sich gegen einen Boykott von
Energielieferungen aus. „Es ist schwierig, für etwas zu sein,
wenn man die Auswirkungen nicht genau kennt“, meint Jan Kluge.
Sein Kollege Marcell Göttert sieht das ebenso: „Wenn man damit
den Krieg in der Ukraine von heute auf morgen beenden könnte,
wäre ich sofort für ein Embargo. Aber so ist es eben nicht.“ Ein
Boykott wäre damit „nichts weiter als eine moralische
Positionierung.“
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