Episode 43 - Das Harvard-Konzept

Episode 43 - Das Harvard-Konzept

Die Bible der Verhandlungsführung
12 Minuten

Beschreibung

vor 4 Jahren
Hi und herzlich Willkommen beim PRM-Podcast „Besser verhandeln“
mein Name ist Andreas Schrader und Du erhältst bei diesem Podcast
einen Einblick in die Rocket-Science, die sich hinter den
Erfolgskonzepten der besten Verhandlungsführer verbirgt. Und wenn
Du dann auch nur einen der unzähligen Tipps, die meine
Interviewpartner und ich hier preisgeben mit in deine nächste
Verhandlung einbaust, dann wirst Du, ähnlich wie es z.B.
ausgewählte Mitarbeiter von Kinexon, SPONSORS, der Comline AG,
Rapid Wien oder Ticketmaster bereits erfolgreich vorleben,
hierdurch auch von mir profitieren.   Heute wird es etwas
theoretischer als sonst, allerdings werde ich versuchen, selbst die
Theorie so lebhaft wie möglich rüberzubringen. Also - bevor ich auf
die Inhalte eingehe, bekommst Du noch ein paar
Hintergrund-Informationen zum Harvard-Konzept: Die Methode
entspringt aus dem Harvard Negotiation Project, und sie wurde
gemeinsam vom amerikanischen Rechtswissenschaftler Roger Fisher und
William L. Ury formuliert. Der Originaltitel lautet „Getting to
Yes“ – Bruce Patton ist ein weiterer Name, der in diesem
Zusammenhang nicht fehlen darf, er stieß jedoch erst etwas später
dazu. Das Harvard-Konzept ist fester Bestandteil des Program on
Negotiation der Harvard Law School und gleichzeitig ein, wenn nicht
sogar der absolute Bestseller in diesem Bereich. Wir können es
durchaus als „Die Bibel der Verhandlungsführung“ angesehen. Im
Normalfall fehlt es in keiner wissenschaftlichen Arbeit oder in
Vorlesungen zum Thema „Verhandlungstechniken“. Und ich bin mir sehr
sicher, dass auch Du diese Methode schon kennst oder zumindest
schon mal davon gehört hast. Was ist das Ziel? Viele verknüpfen
Harvard automatisch mit Win-Win, denn das Ziel dieser Methode ist
eine sachliche Lösung, die beiden Seiten den größtmöglichen Nutzen
bringt. Wichtig ist zudem noch, dass die persönliche Beziehung
mindestens gleichbleiben, wenn nicht sogar verbessert werden soll.
Es geht demnach nicht um psychologische Tricks oder taktische
Finessen, sondern um eine problembezogene Vorgehensweise.  
Vereinfacht dargestellt, besteht das Harvard-Konzept aus 4
Elementen: Du betrachtest Menschen und Probleme voneinander
getrennt Konzentrierst Dich auf Interessen, nicht auf Positionen Du
schaffst verschiedene Optionen, die für beide Seiten gewinnbringend
sind. Das Ergebnis beruht auf objektiven Kriterien Menschen und
Probleme voneinander getrennt betrachten = besser passt wohl,
zwischenmenschliches und Sachfragen voneinander trennen – das macht
es in meinen Augen und Ohren leichter. In einer Verhandlung haben
wir es mit anderen Menschen zu tun. Dabei sind Emotionen
unvermeidbar. Blenden wir das Zwischenmenschliche aus und
konzentrieren wir uns auf die Sachebene ist der, etwas überspitzt
ausgedrückte Ansatz. Doch was ist mit den Emotionen? In den meisten
Verhandlungen vermischen sich Sach- und persönliche Ebene. Das
kennt jeder Unternehmer ebenso wie diejenigen, die für Ihre Sache
„brennen“. Ob das auf Dich zutrifft, erkennst Du u.a. daran, dass
Du beruflich bedingte Absagen oder Abneigung persönlich nimmst. „be
soft on the people and hard on the problem.” heißt es im Original.
Und damit das funktioniert, solltest Du versuchen den menschlichen
Part bei deinem Gegenüber zu berücksichtigen. Versetze dich in
seine Lage und empfinde seine Sichtweise nach. Dabei gibt es 2
Gefahrenquellen: Sichtweise nachvollziehen bedeutet nicht, diese zu
akzeptieren Schließe nicht von deiner Sichtweise auf die deines
Gegenübers Diese Vorgehensweise bedeutet nicht, dass Emotionen
gänzlich ausgeblendet werden. Entscheidend ist, wie Du damit
umgehst. Es wird dazu geraten, dem Gegenüber die Möglichkeit zum
„Dampf ablassen“ zu geben und eigene Emotionen reflektiert zu
besprechen, also zu erklären, weshalb Du wütend, enttäuscht oder
was auch immer bist. Ich stelle immer wieder fest, dass für die
„deutsch“ Denkenden „soft on the people / hard on the problem“ oft
schwierig umzusetzen ist. Während meiner Zeit bei der NATO und in
Paris, wo ich sehr direkt mit Amerikanern zusammengearbeitet habe,
habe ich häufig festgestellt, dass diese Vorgehensweise in den
meisten Verhandlungen für Amerikaner nahezu dem Standard entspricht
– die beteiligten Europäer waren damit oft einfach nur überfordert
und so waren auch die Treffen im Anschluss an die Verhandlungen
oftmals sehr einseitig besucht. Mich überrascht es jedenfalls
nicht, dass es in den Verhandlungen „knallt“  und man später
am Abend gemeinsam beim Dinner sitzt oder gemeinsam an der Bar
steht. Auch hier bietet sich wieder ein Vergleich zum Sport. Als
ich noch häufiger und aktiv im Verein Fussball spielte, war es
ähnlich. Auf dem Platz ging es oftmals richtig zur Sache, doch nach
dem Spiel reichte man sich die Hand und meistens traf man sich
danach an der Theke auf ein Bierchen wieder.     Das 2.
Element lautet: Fokussiere dich auf Interessen, nicht auf
Positionen. Betrachtest Du ausschließlich die Positionen, wirst Du
sehr wahrscheinlich keine Win-Win Lösung erreichen. Um
Missverständnisse zu vermeiden, definiere ich die beiden Begriffe:
Positionen sind laut dem Harvard-Konzept bewusst getroffene
Entscheidungen, die nicht verhandelbar sind. Interessen sind die
Wünsche, Sorgen und oder Motive, die hinter den Interessen stehen.
Interessen sind für den Erfolgreichen Win-Win Abschluss essentiell.
Du sollst also herausfinden, worum es deinem Gegenüber tatsächlich
geht, damit Ihr gemeinsam die beste Lösung für euch findet. Das
klassische Beispiel dafür ist das Orangenbeispiel. 2 Kinder
streiten um eine Orange, die Mutter greift ein und teilt die Orange
in der Mitte. Klassischer Kompromiss, denn es wurde ja „gerecht
geteilt“. Die Positionen sind jeweils = ich will die Orange. Die
Interessen dahinter sind jedoch andere. Kind 1 braucht das
Fruchtfleisch für Orangensaft, Kind 2 die Schale für einen Kuchen.
Hätten die Kinder oder die Mutter sich auf die Interessen
konzentriert, wäre eine echte Win-Win Situation herbeigeführt
worden. So zumindest die Idee der optimalen Lösung. Sollten die
Parteien unterschiedliche Interessen haben, so solltest Du deine
Interessen zum Ausdruck bringen und gleichzeitig die Interessen der
anderen Partei berücksichtigen. Wichtig ist dabei der Blick in die
Zukunft – nicht das Problem in der Vergangenheit.   Das
Schaffen verschiedener Optionen ist das 3. Element. Im
Harvard-Konzept suchst Du vergeblich nach DER FIXEN LÖSUNGSIDEE für
deine Verhandlung. Das ist in den Augen der Lehre ein
Kardinalfehler. Das Konzept zielt vielmehr darauf ab, die
Verhandlung als einen kreativen Prozess zu betrachten, in dem
verschiedene Lösungswege gemeinsam mit dem Gegenüber erarbeitet
werden. Du solltest also schon im Rahmen deiner Vorbereitung viele
verschiedene Lösungswege ausarbeiten und entsprechende Optionen
schaffen. Das ist ein sehr klarer und für mich verständlicher
Punkt, deshalb werde ich darauf auch nicht näher eingehen.  
Das Ergebnis muss auf objektiven Kriterien basieren. Es geht bei
diesem Punkt darum, dass nicht der, nennen wir ihn mal, Stärkere,
seinen Willen durchsetzt, sondern dass ein vernünftiger Deal
objektive Kriterien erfüllt. Diese sollten nicht nur
„willensunabhängig“ sein, sondern sich auch an geltendem Recht
orientieren und praktisch durchführbar sein. Wikipedia drückt es
wie folgt aus: „bestehen Sie auf objektiven Beurteilungskriterien
(bspw. gesetzliche Regelungen, ethische Normen etc.), bei deren
Einhaltung das Ziel eine Übereinkunft ist, die folgenden
Anforderungen genügt: die guten Beziehungen der Parteien bleiben
erhalten, beide Seiten nehmen mit, was sie brauchen – oder, wenn
beide das Gleiche brauchen, teilen es fair (bspw. nach dem
„Einer-teilt-einer-wählt“-Prinzip) –, und es wird zeiteffizient
verhandelt (da nicht auf Positionen herumgeritten wird). Das
Ergebnis muss demnach objektiv von beiden Seiten gegeneinander
abgewogen sein und somit auch von beiden Seiten als neutral und
fair akzeptiert werden.   Nun kennst Du die 4 Elemente, von
denen die beiden ersten den eigentlichen Kern dieser Methode
darstellen.   Es gibt noch 2 weitere wichtige
Begrifflichkeiten, sowie einen Punkt, der mir wichtig ist. Zum
einen wirst Du auf BATNA aufmerksam gemacht werden. BATNA steht für
Best Alternative To Negotiated Agreement – frei übersetzt: Die
beste Alternative für den Fall einer Nicht-Einigung. Oder
Umgangssprachlich ausgedrückt – der Plan B. Das Harvard-Konzept
nutzt BATNA zudem, um die eigene Machtposition zu stärken, denn Du
kannst jederzeit während der Verhandlung „aussteigen“ und den Plan
B wählen. So vermeidest Du theoretischen Schaden durch ein
schlechtes Ergebnis. Ein weiterer Begriff, den ich als
erwähnenswert ansehe, ist „Negotiation Jiu-Jitsu“. Dahinter
verbirgt sich eine „Reaktion“ auf einen Angriff. Bildlich
gesprochen machst Du bei einem Angriff einen Schritt zur Seite und
leitest somit den Angriff an dir vorbei. In der Verhandlung gehst
Du nicht direkt auf den Angriff ein – nein – Du fragst z.B. nach
den Beweggründen hinter dieser Position, oder forderst deinen
Gegenüber auf, seine Vorstellung nochmal kritisch zu hinterfragen,
oder – je nach Situation auch eine wirkungsvolle Methode: Du
schweigst. Und last but not least – was mir noch wichtig ist: ich
werde häufig mit Win-Win Fragestellungen konfrontiert und habe
dabei gemerkt, dass sehr viele Menschen dies mit einem Kompromiss
gleichsetzen. Das ist in meinen Augen eine Fehlinterpretation! Ein
Kompromiss ist für mich das klassische Treffen in der Mitte – also
die Mitte zwischen 2 Positionen (oder auch – 2 hälften der Orange)
WIN-WIN hingegen berücksichtigt die Interessen und Motive beider
Parteien. Unter entsprechenden Umständen können diese in einer
Verhandlung durchaus optimal befriedigt werden – das ist in meinen
Augen WIN-WIN. Nun bin ich erstmal durch mit dem Harvard-Konzept.
Du kennst also jetzt die 4 Elemente Menschen und Probleme
voneinander getrennt Konzentration auf Interessen, nicht auf
Positionen Lösungs-Optionen schaffen Objektive Ergebnis-Kriterien
Sowie die Begrifflichkeiten BATNA & Negotiation-Jiu-Jitsu“ Und
das war auch das Ziel dieser Episode. Ein weiteres Konzept, die
Stärken und Schwächen der Konzepte, und was ich aus diesen
Konzepten für meinen persönlichen Verhandlungsstil abgeleitet habe,
das erfährst Du in den nächsten Episoden, des PRM-Podcast „Besser
verhandeln“ Und nun bist Du wieder am zug: Bewerte diesen Podcast
Schreib eine Rezension Verlinke dich mit mir auf LinkedIn, und
sicher Dir mein kostenfreies ebook auf meiner Homepage. Und wenn Du
dieses Thema vertiefen möchtest, dann empfehle ich dir an einem
meiner „Erstklassig verhandeln“ Workshops teilzunehmen. Die neuen
Termine sind gerade veröffentlicht.   Ich wünsche dir viel
Erfolg bei deinen Verhandlungen! Besten Gruß & bis zum nächsten
Mal!   Shownotes  

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