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Beschreibung
vor 9 Jahren
Michael Schäfer "Im Theater der visuellen Codes"
Die Fotografie scheint alt geworden zu sein. In der uns heute
erdrückenden Flut von Medienbildern, die über uns hinwegrauscht
und noch mit lautem Getöse Ton und Text über die zumeist schon
bewegten Bilder auskippt, erscheint das stille Bild geradezu
anachronistisch. Fast sentimental sind wir gestimmt, es als
authentisches Dokument einer Vergangenheit zu interpretieren,
eine Bildrealität, die uns heute offenbar abhanden gekommen ist.
Früher, es ist noch nicht lange her, stand das Bild noch für die
Wirklichkeit. „So ist es! So war es!“, sprach es zu uns.
Spätestens seit der Digitalisierung der Bilderwelt, dem
ungeheuerlichen Anwachsen des Bilderberges und dem Wissen um die
damit einhergehenden technischen-manipulativen Möglichkeiten des
Digitalen bröckelt der Glaube an die Authentizität des Bildes
immer mehr.
Michael Schäfers künstlerisch-subversive Bildstrategien spielen
geschickt mit dieser Verunsicherung. Bekannte stereotype und
kollektive Bildmuster des medialen Zeitalters werden von ihm
dramatisch überhöht dargestellt, um damit den manipulativen
Gebrauch der darin versteckten Codes offen zu legen.
Gleichzeitig thematisieren Schäfers bildliche Umformulierungen
das Verhältnis des Einzelnen zur Gesellschaft in einem medial
geprägten Umfeld. Sein Ausgangsmaterial sind Pressebilder, die er
bearbeitet oder nachstellt, in die er visuelle wie inhaltliche
Brüche einfügt, welche die ursprünglichen Aussagen verändern. Aus
Repräsentanten werden Individuen, die mit ihren medialen
Rollenbildern kollidieren: Wir sehen posierende Anzugmenschen vor
poppigen Hintergründen, Laufsteg-Models mit Kindergesichtern,
wichtige Redner mit schlechten Gebissen, gestresste
Politikerinnen und Politiker mit ungewöhnlich persönlichen
Bildlegenden, …
Hierzu bedient sich Michael Schäfer der Mittel der Inszenierung,
der Re-Inszenierung, der Montage, der Collage. Das Statische
seiner Bilder, die bewusst durchschaubar gehaltenen
Bildmanipulationen, die hart und radikal gewählten Ausschnitte
zielen darauf ab, uns die suggestive Kraft der medialen
Inszenierungen vor Augen zu führen. Er konstruiert dabei einen
Bild- und Textraum, der sich zwar der täglichen Medienbilder und
Textformeln bedient und uns von dort abholt, doch am Ende finden
wir uns in seinem Theater der Welt wieder. Was ist denn noch
authentisch, wenn wir uns beständig in einer Welt aus codierten
und manipulierten und manipulierenden Bilder bewegen? Welche
Orientierung bleibt? Die Welt ist ein Theater. Alles Bühne, alles
Schein.
Michael Schäfers Bilder sind wahr und falsch zugleich. Das ist
ihre Stärke, ihr Potenzial, das es zu entdecken gilt.
Michael Schäfer (*1964 in Sigmaringen) studierte in Dortmund,
Vancouver und an der Hochschule für Grafik und Buchkunst,
Leipzig, an der er auch künstlerische Fotografie lehrte. Er lebt
in Berlin und hat Lehraufträge an der Hartford Art School in
Connecticut, USA und an der UdK Berlin.
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