Im Gespräch mit ... Matthias Küntzel
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vor 11 Monaten
Gelegentlich kann es passieren, dass die Welt aufwacht und
begreift, dass sie eine andere geworden ist – und zweifellos
reiht sich der 7. Oktober in die Liste jener Tage ein, die unser
Bild von der Welt verändert haben. Anderseits lässt die
Plötzlichkeit eines solchen Schocks darauf schließen, dass man
sich zuvor einem langen Schlaf hingegeben haben muss. Matthias
Küntzel jedoch ist, was derlei Wachträume und das
Sich-in-falscher-Sicherheit-Wiegen, anbelangt, eine rühmliche
Ausnahme. Denn auch wenn es politisch nicht opportun gewesen sein
mag, hat ihn sein Nachdenken über 9/11 doch dazu geführt, sich
Gedanken über den muslimischen Antisemitismus zu machen. Die
Einsichten, zu denen ihn diese Beschäftigung geführt hat, sind in
höchstem Maße beunruhigend. Denn sie führen in die Untiefen des
deutschen Antisemitismus hinein. Denn der Großmufti von
Jerusalem, Amin al-Husseini, der zugleich der Lehrer und Förderer
Jassir Arafats war, war ein Vertrauter Hitlers und ein großer
Anhänger des deutschen Holocaust. Und dass er, der 1946 als
Kriegsverbrecher angeklagt wurde, zum Führer der Palästinenser
werden und in dieser Funktion die friedliche Zwei-Staaten-Lösung
hintertreiben konnte, markiert den Beginn jener Tragödie, die bis
beute andauert. Was an der Karriere dieses Mannes am
merkwürdigsten ist, ist weniger sein atavistisch-apokalyptisches
Weltbild, als der Umstand, dass ihn das deutsche Radio zu einem
Radiostar gemacht hatte. So wurde der erstarkende muslimische
Antisemitismus aus Berlin koordiniert, genauer: aus dem sechzig
Kilometer südlich gelegenen Zeesen, wo ein
Kurzwellenrundfunksender die arabische Welt mit antisemitischen
Propagandasendungen überzog - ein Dauerfeuer, das in einer
weitgehend noch immer analphabetischen Gesellschaft jene unselige
Wirkung entfaltete, der wir heute in Israel, aber auch in Europa
fassungslos gegenüberstehen.
Matthias Küntzel, der seine Karriere als wissenschaftlicher
Mitarbeiter der ersten Grünenfraktion im deutschen Bundestag
begann, hat sich als Historiker intensiv mit dem nahen Osten,
aber vor allem mit der Geschichte des islamischen Antisemitismus
beschäftigt. Er zählt mit Jeffrey Herf zu den wenigen, die dieser
politisch doch so brisanten Frage eine historische Untersuchung
haben angedeihen lassen.
Von Matthias Küntzel sind u.a. erschienen:
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