Israel – Der jüdische Staat ringt um seine Seele
Seit Mitte Januar demonstrieren in Israel einige Hunderttausend
Menschen gegen die geplante Justizreform ihrer Regierung. Die
grössten Demonstrationen finden jeden Samstagabend in Tel Aviv
statt, aber auch in anderen Städten gibt es Protestveranstaltu ...
29 Minuten
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Beschreibung
vor 1 Jahr
Seit Mitte Januar demonstrieren in Israel einige Hunderttausend
Menschen gegen die geplante Justizreform ihrer Regierung. Die
grössten Demonstrationen finden jeden Samstagabend in Tel Aviv
statt, aber auch in anderen Städten gibt es
Protestveranstaltungen. Die Angst dieser Leute: Premier
Benjamin Netanjahus Regierung sei daran, Israel in eine Diktatur zu
verwandeln. «Demokratie! Demokratie!» skandieren sie. Netanjahus
Anhängerschaft versteht den Aufruhr nicht. Sie haben konservative,
religiöse und sogar rechtsextreme Parteien gewählt, und sie stellen
die Mehrheit im Parlament. «Die Mehrheit befiehlt!», finden sie,
und halten die Demonstrierenden nicht nur für schlechte Verlierer,
sondern für die Elite, welche sich ihre Macht durch die Gerichte
sichern und dabei die demokratisch gewählte Mehrheit im Parlament
übergehen wolle. Der Streit um die geplante Justizreform spaltet
selbst Familien. Der Restaurantbesitzer und siebenfache Vater Ori
Melamed erzählt, wie seine Verwandte und Freunde jede Woche
demonstrieren und kaum noch mit ihm reden. Weil er politisch rechts
steht und religiös ist. Amit Nachmany, eine zweifache Mutter,
welche als Armeekommandantin Soldaten auf Waffensystemen trainiert
hat, demonstriert dreimal pro Woche. Weil sie glaubt, die
Justizreform werde unter anderem die Rechte und Freiheiten von
Frauen beschneiden. Längst wird nicht nur um die Justizreform
gestritten. Im Kern geht es um Grundsatzfragen wie: «Wer ist
überhaupt Israeli?», «Was bedeutet «jüdisch»? «Kann ein Staat, der
sich als jüdisch definiert, gleichzeitig auch demokratisch sein?»
Was in Israel passiert, beschreibt Nechumi Yaffe, Forscherin in der
ultra-orthodoxen jüdischen Gemeinschaft und Dozentin an der Tel
Aviv University so: «Es ist ein Ringen um die unfassbare
Wirklichkeit dessen, was es heisst, jüdisch zu sein und Macht und
Souveränität zu haben. Zweitausend Jahre lang wurden wir von
anderen beherrscht - jetzt sind wir ein unabhängiges Volk. Das ist
eine neue Erfahrung, und als Nation sind wir auf der Suche, wie wir
uns definieren wollen." Israel wird in diesem Jahr 75: Eine
Reportage über das Ringen um die Seele des jungen Staates.
Menschen gegen die geplante Justizreform ihrer Regierung. Die
grössten Demonstrationen finden jeden Samstagabend in Tel Aviv
statt, aber auch in anderen Städten gibt es
Protestveranstaltungen. Die Angst dieser Leute: Premier
Benjamin Netanjahus Regierung sei daran, Israel in eine Diktatur zu
verwandeln. «Demokratie! Demokratie!» skandieren sie. Netanjahus
Anhängerschaft versteht den Aufruhr nicht. Sie haben konservative,
religiöse und sogar rechtsextreme Parteien gewählt, und sie stellen
die Mehrheit im Parlament. «Die Mehrheit befiehlt!», finden sie,
und halten die Demonstrierenden nicht nur für schlechte Verlierer,
sondern für die Elite, welche sich ihre Macht durch die Gerichte
sichern und dabei die demokratisch gewählte Mehrheit im Parlament
übergehen wolle. Der Streit um die geplante Justizreform spaltet
selbst Familien. Der Restaurantbesitzer und siebenfache Vater Ori
Melamed erzählt, wie seine Verwandte und Freunde jede Woche
demonstrieren und kaum noch mit ihm reden. Weil er politisch rechts
steht und religiös ist. Amit Nachmany, eine zweifache Mutter,
welche als Armeekommandantin Soldaten auf Waffensystemen trainiert
hat, demonstriert dreimal pro Woche. Weil sie glaubt, die
Justizreform werde unter anderem die Rechte und Freiheiten von
Frauen beschneiden. Längst wird nicht nur um die Justizreform
gestritten. Im Kern geht es um Grundsatzfragen wie: «Wer ist
überhaupt Israeli?», «Was bedeutet «jüdisch»? «Kann ein Staat, der
sich als jüdisch definiert, gleichzeitig auch demokratisch sein?»
Was in Israel passiert, beschreibt Nechumi Yaffe, Forscherin in der
ultra-orthodoxen jüdischen Gemeinschaft und Dozentin an der Tel
Aviv University so: «Es ist ein Ringen um die unfassbare
Wirklichkeit dessen, was es heisst, jüdisch zu sein und Macht und
Souveränität zu haben. Zweitausend Jahre lang wurden wir von
anderen beherrscht - jetzt sind wir ein unabhängiges Volk. Das ist
eine neue Erfahrung, und als Nation sind wir auf der Suche, wie wir
uns definieren wollen." Israel wird in diesem Jahr 75: Eine
Reportage über das Ringen um die Seele des jungen Staates.
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