Textland 2023 | Zukunft braucht Herkunft (Deniz Utlu, Ann Cotten, Martin Piekar, Alexandru Bulucz)

Textland 2023 | Zukunft braucht Herkunft (Deniz Utlu, Ann Cotten, Martin Piekar, Alexandru Bulucz)

1 Stunde 44 Minuten
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Frankfurt am Main

Beschreibung

vor 11 Monaten

Literaturfest vom 9. Dezember 2023 (Teil 8/8)

Gespräche und Lesungen mit Deniz Utlu („Vaters Meer“), Ann Cotten
(„Die Anleitungen der Vorfahren“) und Martin Piekar („Livestream
& Leichen“), moderiert von Alexandru Bulucz und Miryam
Schellbach.

„Wo wir anfangen, ist niemals der Anfang“, sagte einmal der
Philosoph Odo Marquard, nach dem leicht missverständlichen Titel
seines Essaybands „Zukunft braucht Herkunft" gefragt: „das uns
prägende Vergangene ist doch immer schon da – Familie, Sprache,
Institutionen, Religion, Staat, Feste, Geburt, Todeserwartung –
wir entkommen ihm nicht.“ Mit anderen Worten: Unser Jetztzustand
ist maßgeblich von unserer Herkunft bestimmt, erst recht, wenn
wir das tradierte Wissen und die „Anleitungen der Vorfahren“
berücksichtigen, und selbst dann, wenn uns soziale Aufstiege weit
von ihnen distanzieren. Welche Form muss ein Diskurs annehmen,
damit die Kritik und das „Lob des Herkommens“, so eine Wendung
von Gottfried Keller, koexistieren können? Eine Veranstaltung, in
der sich Herkunfts-, Erinnerungs-, Kolonialismus- und
Zukunftsdiskurs überblenden. Über „Vaters Meer“ von Deniz Utlu:
Früher hat der Vater mit lauter Stimme gelacht, auf Arabisch
geflucht, war leicht reizbar und häufig weg. Als ihn zwei
Schlaganfälle lähmen und er nur noch über Augenbewegungen
kommunizieren kann, ist Yunus dreizehn Jahre alt. Längst zum
Studium ausgezogen, steigen in ihm unzählige Bilder, Erlebnisse
und Gespräche aus der Kindheit auf, als der Vater zehn Jahre
später stirbt. In seinem jüngsten Roman erzählt Deniz Utlu vom
Schicksalsschlag, der eine Familie trifft, von einer
Vater-Sohn-Beziehung, die abrupt endet, von Migration und
Zugehörigkeit. Über „Die Anleitungen der Vorfahren“ von Ann
Cotten: Zu Gast auf Hawaii, bekommt die Erzählerin ungewöhnliche
Geschenke. Handschuhe, um Müll zu sammeln, einen Lopper, um
Dornengestrüpp zu lichten und Einblick in die polynesische
Sprache und Kultur. Mit den alten Helden Grazer Schule,
Kyoto-Schule und Wiener Kreis im Kopf drängt sich ihr die Frage
auf: Wie gehen Zuneigung und Verstehen, wenn man nicht
dazugehört? Zurück in Europa, blickt sie mit neuen Augen auf die
Welt vor ihrer Tür. Über „Livestream & Leichen“ von Martin
Piekar: Wenn Bots mit lebenden Menschen und Leichen streiten,
werden ungelöste Konflikte mit technischen Entwicklungen
kontrastiert, die Lösungen anbieten und neue
Herrschaftsstrukturen errichten. In seinem neuen Gedichtband
lässt Martin Piekar diejenigen sprechen, die am Rand unserer
Gesellschaften sprachlos werden, lässt sie Liebeshymnen anstimmen
für diejenigen, die lieblos am Boden liegen gelassen werden,
lässt er Leichen fragen, wie die Zukunft zu gestalten ist, wenn
wir uns gemeinschaftlich der Realität versperren.

In Kooperation mit der Faust Kultur Stiftung.

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