Beschreibung

vor 19 Jahren
Die Schizophrenie ist eine komplexe Erkrankung, bei der neben einer
genetischen Komponente äußere Einflussfaktoren eine wichtige Rolle
spielen. Epidemiologische Studien weisen auf eine mögliche Rolle
von Virusinfektionen als Umwelt-Faktor in der Ätiologie der
Schizophrenie hin. Eine Verschiebung der spezifischen Immunantwort
in Richtung T-helfer-2-Antwort (ein sogenannter Th2-shift) wurde
bei verschiedenen Virusinfektionen beobachtet. Einige
immunologische Untersuchungen weisen auch zumindest bei einer
Subgruppe der Schizophrenie auf einen Th2-shift hin. (1) Ziele:
Diese Studie dient (a) der Untersuchung der Th1/Th2-Balance der
spezifischen Immunantwort unter Berücksichtigung der Effekte
verschiedener endokrinologischer Parameter und (b) der
Identifizierung der möglichen Ursachen des gestörten
Th1/Th2-Gleichgewichts; die hier untersuchten Einflussgrößen
beziehen sich auf unterschiedliche Hormone. (2) Fragestellungen:
(a) Lässt sich eine Th2-Verschiebung bei einer Subgruppe der
Schizophrenie beobachten, nachdem die Einflüsse diverser
endokrinologischer Parameter mitberücksichtigt worden sind? (b)
Wenn ja, ist diese Subgruppe durch klinische oder epidemiologische
Variablen charakterisierbar? (c) Wenn ja, welcher oder welche der
untersuchten immunologischen und endokrinologischen Parameter
tragen zur Streuung des Th1/Th2-Verhältnises bei schizophrenen
Patienten bei? (3) Hypothese: (a) Zur Frage (2a) ist eine
Th2-Verschiebung angenommen; d.h., die Th1/Th2-Quotienten sind
deutlich reduziert. Die Quotienten IFN-g/IL-4, IFN-g/IL-10 und
IFN-g/IL-13 wurden als Indikatoren der Th1/Th2-Balance betrachtet.
(b) Frage (2b) und (2c) sind offene Fragen, weshalb keine Hypothese
im Bezug auf diese beiden Fragen gestellt wurde. (4) Methoden: (a)
Analyse-Materialien schließen Serum, Voll-Blut und isolierte
Lymphozyten ein. „Vollständige Serum-Daten“ bedeutet, dass alle
Daten für Serum-Zytokin-Konzentrationen, Serum Th1/Th2-Quotienten,
Hormone, SHBG (Sexhormon-bindendes Globulin), Geschlecht und Alter
vorhanden waren. Ebenso bedeutet „vollständige Voll-Blut-Daten“,
dass alle Daten bezüglich der in vitro Zytokin-Produktion im
Voll-Blut nach einer 46-stündigen PHA-Stimulation,
Voll-Blut-Th1/Th2 Quotienten, Hormone, SHBG, Geschlecht und Alter
erhoben wurden. „Vollständige Lymphozyten-Daten“ bedeutet, dass
alle Daten hinsichtlich der in-vitro Zytokin-Freisetzung bei
Lymphozyten, Th1/Th2-Quotienten, Hormone, Geschlecht und Alter
verfügbar waren. (b) Studien-Teilnehmer: Insgesamt nahmen 114
schizophrene Patienten und 101 gesunde Probanden an die Studie
teil. Unter ihnen hatten 76 schizophrene Patienten und 75
Kontrollen vollständige Serum-Daten, 44 Patienten und 76 normale
Kontrollen hatten vollständige Voll-Blut-Daten, 72 schizophrene
Patienten und 98 gesunde Teilnehmer hatten vollständige
Lymphozyten-Daten. (c) Variablen umfassen hauptsächlich
immunologische, endokrinologische und verschiedene klinische
Parameter. Die immunologischen Variablen bestehen aus Th1-Zytokinen
wie IFN-g, IL-12, IL-2, TNF-a und Th2-Zytokinen einschließlich
IL-4, IL-10, IL-13 und IL-6. Die endokrinologischen Kenngrößen
setzen sich aus den folgenden Parametern zusammen: zwei
Stress-Hormone Cortisol und Prolactin, zwei Geschlechts-Hormone
Östradiol und Testosteron, sowie das Geschlechts-Hormon-bindende
Globulin (SHBG). Die erhobenen klinischen Daten schließen die
Folgenden ein: klinische diagnostische Subgruppen, Familienanamnese
bezüglich psychiatrischer Erkrankungen, Medikation vor der
Aufnahme, Krankheitsepisode,
Antipsychotika-frei/Antipsychotika-naiv, Wash-out-Periode,
Erstmanifestationsalter der Erkrankung, Krankheitsdauer, CGI-Werte
bei der Aufnahme und Entlassung (CGI = Clinical Global
Impressions), sowie die verschieden PANSS Subskalen
(Negativ-Symptomatik, Positiv-Symptomatik und Globale Symtpomatik;
PANSS = Posivtive and Negative Syndrome Scale). (d)
Analyse-Methoden enthalten Cytometric Bead Array (CBA), ELISA und
ELISPOT. CBA wurde zur Messung von IFN-g, IL-2, TNF-a, IL-4, IL-10
und IL-6 im Zellkulturüberstand des Voll-Blut-Assays und im Serum
verwendet, ELISA wurde zur Bestimmung der IL-12- und
IL-13-Produktion im PHA-stimulierten Voll-Blut-Assay eingesetzt,
während ELISPOT zum Erfassen der in-vitro-Produktion von IFN-g,
IL-12, IL-4, IL-13 und IL-10 bei Lymphozyten benutzt wurde. Die
Serumkonzentrationen der Hormone Prolactin, Cortisol, Östradiol,
Testosteron, sowie SHBG wurden mit entsprechenden Reagenzienkits am
Analysenautomaten Elecsys 2010 erhoben. (e) Auswertung: Die
schizophrenen Patienten wurden zuerst als eine ganze Gruppe
untersucht, danach nach Geschlecht und verschiedenen klinischen
Eigenschaften in unterschiedliche Subgruppen eingeteilt; die so
gebildeten verschiedenen Subgruppen sind die unabhängigen
Variablen. Die wichtigen abhängigen Variablen sind
Th1/Th2-Quotienten einschließlich IFN-g/IL-4, IFN-g/IL-10 (Serum,
Voll-Blut-Assay, Lymphozyten) und IFN-g/IL-13 (Lymphozyten). Bei
auffälligen Unterschied(en) bezüglich Alter, oder
Hormonkonzentrationen und SHBG zwischen einer schizophrenen
Subgruppe und den entsprechenden Kontrollen wurden diese Parameter
als Kovarianten in die Analyse eingeschlossen, um ihre Effekte auf
die Th1/Th2-Balance bei den zu vergleichenden Gruppen zu
kontrollieren. (f) Statistik: MAN(C)OVA und Multiple Regression.
MAN(C)OVA wurde verwendet, um die Fragestellung (2a) und (2b) zu
untersuchen, während Multiple Regression zur Beantwortung der
Fragestellung (2c) diente. (5) Primäre Ergebnisse: (a) Die
Ergebnisse dieser Studie unterstützen unsere Hypothese einer
Th2-Verschiebung zumindest bei einer Subgruppe der Schizophrenie.
(b) Befunde bezüglich der Th1/Th2-Balance in Schizophrenie
(Resultate der MAN(C)OVA): · Die Serum-Daten deuteten auf eine
eindeutige Th2-Verschiebung bei schizophrenen Patienten als
Gesamtgruppe hin, nachdem die Effekte von Alter und verschiedener
Hormone (insbesondere Prolactin) ausgeschlossen worden waren. · Die
Th2-Verschiebung im Serum scheint Schizophrenie-spezifisch zu sein,
wie die Daten der Patienten mit schizophrenie-ähnlicher Symptomatik
zeigen. · Im geschlechts-spezifischen Vergleich zu gesunden
Probanden hatten weibliche schizophrene Patienten signifikant
reduzierte Quotient sowohl für Serum IFN-g/IL-4 als auch für
IFN-g/IL-10, während männliche Patienten ausschließlich einen
deutlich verminderten Serum IFN-g/IL-10 Quotient zeigten. ·
Reduzierte Serum IFN-g/IL-4- und IFN-g/IL-10-Quotienten wurden
ebenfalls bei diversen klinischen Subgruppen beobachtet außer bei
schizophrenen Patienten mit vorwiegender Positivsymptomatik. · Ein
deutlich reduzierter IFN-g/IL-10-Quotient im PHA-stimulierten
Voll-Blut wurde (a) bei Nicht-Paranoid oder chronischen
schizophrenen Patienten gezeigt, bei Patienten, die (b) eine
positive psychiatrische Familienanamnese hatten und (c) vor
Einschluss in die Studie länger als 3 Monate Antipsychotika-frei
gewesen waren oder (d) bei Aufnahme in die stationär-psychiatrische
Behandlung niedrigere Werte auf der PANSS-Negativ-Skala hatten.
Bemerkenswerter weise zeigten auch Antipsychotika-naive Patienten
mit Schizophrenie tendenziell einen beträchtlich reduzierten
IFN-g/IL-10-Quotient im Voll-Blut. · Die schizophrenen Patienten,
deren Symptome nach einer 8-wöchigen Behandlung fast unverändert
blieben, hatten auffallend niedrigere IFN-g/IL-4- und
IFN-g/IL-10-Quotienten im Voll-Blut als die gesunden Probanden. ·
Die schizophrenen Patienten mit einem frühen Krankheitsausbruch
hatten außergewöhnlich reduzierte Serum IFN-g/IL-4- und
IFN-g/IL-10-Quotienten, aber einen erhöhten IFN-g/IL-4 und
IFN-g/IL-13 in PHA-stimulierten Lymphozyten. Im Gegensatz zeigten
diejenigen mit einem späten Ausbruch keine Änderung der beiden
Serum Th1/Th2-Quotienten, jedoch auffallend reduzierte IFN-g/IL-4-
und IFN-g/IL-13-Quotienten bei in-vitro stimulierten Lymphozyten.
(c) Die möglichen Ursachen der Th1/Th2-Dysbalance bei
Schizophrenie-Patienten (Ergebnisse von Multiple-Regression): · Für
die schizophrenen Patienten als ganze Gruppe waren vorwiegend
IFN-g, IL-4 und IL-10 an die Balance zwischen dem Th1- und
Th2-System beteiligt. IL-6 und TNF-a könnten zur Balance zwischen
IFN-g und IL-4 im PHA-stimulierten Voll-Blut beigetragen haben,
während IL-4 und das Alter offensichtliche Einflüsse auf die
Balance zwischen IFN-g und IL-10 im Voll-Blut bei Patienten mit
Schizophrenie gehabt haben dürften. · Für die schizophrenen
Patientinnen wurde keine eindeutige Quelle für das Ausbalancieren
zwischen Serum IFN-g und IL-4 gefunden, obwohl die gemessenen
Variablen in der Lage waren, die IFN-g/IL-4-Varianz zuverlässig
vorherzusagen (d.h. ³67% oder 2/3 der Varianz waren dadurch
erklärbar). Das Abgleichen zwischen IFN-g und IL-4 im Voll-Blut
nach PHA-Stimulation wurde eher von den komplexen wechselseitigen
Korrelationen unter IFN-g, IL-4, TNF-a, IL-6, Prolactin, Östradiol,
Testosteron und Alter beeinflusst. Ähnlich komplexe
Inter-Korrelationen unter diesen obengenannten Kenngrößen wurden
ebenfalls beim Ausgleichen zwischen IFN-g und IL-10 sowohl im Serum
als auch im PHA-stimulierten Voll-Blut beobachtet. · Für männliche
schizophrene Patienten gab es vermutlich einige andere
entscheidende Faktoren, welche in dieser Studie nicht geprüft
worden waren, die jedoch an der Balancierung zwischen IFN-g und
IL-10 im Voll-Blut beteiligt gewesen waren. Im Gegensatz zu
gesunden Probanden könnten Alter, Prolactin und Östradiol
zusätzlich am Abgleichen von Serum IFN-g/IL-10 beteiligt gewesen
sein. Hingegen war IL-6 am Abgleichen von IFN-g/IL-10
Voll-Blut-Assay bei männlichen schizophrenen Patienten beteiligt.
Beachtenswerte Beiträge von Testosteron, SHBG und Östradiol zur
Balancierung vom Voll-Blut IFN-g/IL-10 wie im Fall der Kontrollen
waren bei männlichen Patienten mit Schizophrenie nicht zu
beobachten. (d) Psychopathologie und Th1/Th2-Quotienten: Der
durchschnittliche Messwert auf der PANSS-Negativ-Skala korrelierte
positiv mit Voll-Blut-Assay IFN-g/IL-4 und IFN-g/IL-10. Außerdem
war der Mittelwert auf der PANSS Global Skala ebenfalls positiv mit
Voll-Blut IFN-g/IL-4 assoziiert. (6) Schlussfolgerung und
Diskussion: (a) Die Ergebnisse dieser Studie zeigen deutliche
Th2-Verschiebungen im Serum bei verschiedenen schizophrenen
Subgruppen und bieten einen eher unterstützenden Hinweis für die
Hypothese der Th2-Verschiebung von Schizophrenie. (b)
Th2-Verschiebungen bei schizophrenen Patienten scheinen eine
komplexe Folge von Wechselwirkungen von Krankheitsprozess, Hormonen
und antipsychotischer Medikation, jedoch wahrscheinlich nicht nur
ein Resultat der antipsychotischen Behandlung oder der durch
Alterung ausgelösten Veränderungen zu sein.

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