Spezifität der anerkannten MRT-Kriterien für Multiple Sklerose bei der Differentialdiagnose

Spezifität der anerkannten MRT-Kriterien für Multiple Sklerose bei der Differentialdiagnose

Beschreibung

vor 19 Jahren
Die Diagnose der Multiplen Sklerose (MS) ist eine klinische
Diagnose (65), die jedoch mit einer Zahl von paraklinischen
Methoden erhärtet wird. Mit Einführung der MRT in die klinische
bildgebende Diagnostik hat die MRT sehr schnell eine
Schlüsselposition innerhalb der diagnostischen paraklinischen
Methoden bei Patienten mit Verdacht auf MS erreicht. Die MRT ist
die sensitivste Methode, pathologische Veränderungen in der weißen
Substanz des Gehirns mit einer hohen örtlichen Auflösung
darzustellen. Allerdings trifft dies auch auf ein breites Spektrum
neurologischer Erkrankungen und Syndrome zu, weitgehend unabhängig
von der zugrunde liegenden Pathologie; daher ist die hohe
Sensitivität mit einer geringen Spezifität verbunden. Es wurden
erhebliche Anstrengungen unternommen, möglichst verlässliche
Kriterien für die MRT-Diagnostik für MS aufzustellen. (5, 25, 62)
Die aktuell anerkannten MRT-Kriterien nach Barkhof et al. (5)
wurden anhand eines präselektionierten Patientenkollektivs
erstellt, bei welchem die Verdachtsdiagnose MS gestellt wurde. Auf
der Grundlage der MRT-Untersuchungen wurden dann die Kriterien
bestimmt, die am besten geeignet waren, eine Voraussage über die
Entwicklung von möglicher MS zu klinisch sicherer MS zu treffen.
Barkhof konnte mit diesen Kriterien eine Spezifität von 78%, eine
Treffgenauigkeit von 80% und einen positiven Vorhersagewert von 75%
erreichen (5). In dieser Studie wurde untersucht, wie verlässlich
diese Kriterien bei der Differentialdiagnose in einem weniger
selektierten Patientengut mit verschieden neurologischen
Krankheitsbildern sind, die jedoch im MRT einer MS ähnlich sein
können. So wurden Sensitivität, Spezifität und Treffsicherheit der
Barkhof-Kriterien in unserem Patientenkollektiv untersucht. Das
zweite Ziel dieser Studie war, zusätzliche MRT-Kriterien ergänzend
auf das gleiche Kollektiv anzuwenden, und zu überprüfen, ob sich
dadurch die Zahl der nach den Barkhof-Kriterien diagnostisch falsch
klassifizierten Patienten vermindern und damit die
differentialdiagnostische Sicherheit verbessern lässt. Die
zusätzlichen Kriterien bestanden aus dem
Magnetisierungstransferverhältnis des Zerebrums, des gemessenen
Gesamtläsions-volumens T2-hyperintenser zerebraler Läsionen und dem
Nachweis von T2 hyperintensen Läsionen in der MRT des Zervikalmarks
im Hinblick auf deren Anzahl und Ausdehnung. Zwei Patientengruppen
und eine Kontrollgruppe gesunder Probanden wurden in die Studie
eingeschlossen. Die Kontrollgruppe war erforderlich, um einen
Normalwert für die Beurteilung des
Magnetisierungstransferverhältnisses zu erstellen. Die Analyse der
Patientengruppen erfolgte retrospektiv. Die erste Gruppe setzte
sich aus 64 Patienten zusammen, die an MS erkrankt waren. Die
zweite Gruppe bestand aus 81 Patienten mit anderen Erkrankungen,
die wie bei der MS ebenfalls zu Veränderungen der weißen Substanz
des zentralen Nervensystems führen können. Die Gruppe
untergliederte sich in Patienten mit systemischen Immunerkrankungen
(SID; n=44), mit zerebral autosomal dominanter Arteriopathie mit
subkortikalen Infarkten und Leukoencephalopathie (CADASIL; n=22)
und Patienten mit Migräne (n=15). Die Kontrollgruppe bestand aus 20
gesunden Probanden. Von allen Patienten lagen eine kranielle MRT
mit PD/T2-gewichteten Doppelechosequenzen und eine MRT des
Halsmarks mit einer fast-STIR Sequenz vor. Die
Magnetisierungstransfersequenzen des Gehirns wurden erst nach
Abschluss der Untersuchungen der CADASIL-Patienten nachträglich dem
Protokoll hinzugefügt und lagen daher bei Abschluss der Studie für
diese Patientenuntergruppe nicht vor. Die Anzahl und Lokalisation
der hyperintensen Läsionen in den T2-gewichteten Sequenzen des
Gehirns und die Anzahl und Ausdehnung der Zervikalmarkläsionen
wurden erfaßt. Die Sequenzen der kraniellen MRT wurden
nachverarbeitet, um das komplette Läsionsvolumen des Zerebrums
(TLV-total lesion volume) quantitativ zu erfassen, und um
Histogramme des Magnetisationstransferverhältnisses (MTR –
magnetisation transfer ratio) zu erstellen. Aufgrund des
retrospektiven Charakters der Studie wurden die zusätzlichen
Kriterien nur auf die nach den Barkhof-Kriterien falsch
diagnostizierten Patienten angewandt, es wurde daher auch keine
Analyse bezüglich Spezifität und Treffsicherheit durchgeführt.
Pathologische Veränderungen in den T2-gewichteten MRT-Schichten des
Hirns fanden sich bei allen MS-Patienten und bei 61,7% der
Patienten mit anderen Erkrankungen. Hyperintense Läsionen des
Zervikalmarks wurden nur bei MS-Patienten gefunden (84,4%). Kein
Patient der zweiten Gruppe (0%) wies pathologische Veränderungen im
Halsmark auf. Die statistische Auswertung der zusätzlichen
potentiellen Kriterien definierte die Grenzwerte, die am besten
geeignet sind, um MS von anderen Erkrankungen zu unterscheiden: 1.
ein Gesamtläsionsvolumen über 1,83 ml 2. ein
Magnetisierungstransferverhältnis des Gehirns kleiner als 40,2% und
3. der Nachweis von Halsmark-Läsionen. Anhand der anerkannten
Barkhof-Kriterien wurden 108 von 145 Patienten richtig
klassifiziert, diese zeigten somit eine Treffgenauigkeit von 74,5
%. Eine “falsch-negative“ Diagnose fand sich bei 13 Patienten. 2
Patienten mit systemischen Lupus Erythematodes mit neurologischer
Symptomatik (NSLE) und 22 Patienten mit CADASIL wurden
„falsch-positiv“ klassifiziert“. Wurden die Barkhof-Kriterien um
das TLV mit einem Grenzwert größer als 1,83 ml ergänzt, konnten 9
„falsch-negative“ Patienten noch korrekt klassifiziert werden. Eine
richtige Klassifizierung von 10 weiteren MS-Patienten und allen
NSLE-, bzw. CADASIL-Patienten konnte aufgrund des Nachweises bzw.
des Nichtvorhandenseins von Zervikalmarkläsionen durchgeführt
werden. Zwei MS-Patienten mit negativen Barkhof-Kriterien und ohne
Zervikalmarkläsionen im MRT konnten auf Grund des Hirn-MTR-Wertes
richtig als MS-krank bestimmt werden. Letztendlich konnte nur ein
Patient mit den verwendeten Kriterien nicht richtig diagnostiziert
werden. Diese Daten rechtfertigen einen vermehrten Einsatz der
zervikalen MRT als zusätzlichen differentialdiagnostischen
Parameter bei Patienten mit Verdacht auf eine Erkrankung mit MS.
Auch die Berechnung des Magnetisierungstransferverhältnisses
ermöglichte eine verbesserte Differentialdiagnose. Die Berechnung
des T2-Läsionsvolumens ist mit erheblichem Aufwand verbunden und
hat zu keiner wesentlich verbesserten diagnostischen Sicherheit
beigetragen.

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