Beschreibung

vor 19 Jahren
Ventrikuläre Tachyarrhythmien sind die Hauptursachen für den
plötzlichen Herztod, der eine bedeutende Todesursache in der
westlichen Welt darstellt. Dabei sind, neben strukturellen
Veränderungen im Myokard wie Narben, Hypertrophie oder
Ventrikeldilatation, elektrophysiologische Veränderungen der
Repolarisationsphase ursächlich. Für die Repolarisation essentielle
Kanäle sind die delayed rectifier Kaliumkanäle IKr und IKs;
Mutationen in diesen Kanälen sind ursächlich für das angeborene
Long QT-Syndrom, das mit lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen
assoziiert ist. Pharmakologische Wirkungen und Nebenwirkungen auf
die repolarisierenden Kaliumkanäle können ebenfalls
Herzrhythmusstörungen auslösen; man spricht dabei vom erworbenen
oder Medikamenten-induzierten Long QT-Syndrom. Auch bei
Herzinsuffizienz zum Beispiel aufgrund einer dilatativen
Kardiomyopathie wird oft eine QT-Zeit Verlängerung und
Rhythmusstörungen beobachtet. Dabei ist die Herunterregulation von
Kaliumkanälen wie Ito ein oft beobachtetes Phänomen; in
tierexperimentellen Untersuchungen wird teilweise auch eine
Reduktion von IKr und IKs beschrieben. Für viele Ionenkanäle sind
Unterschiede in der transmuralen Verteilung bekannt, so dass die
Messung der delayed rectifier Kaliumkanäle in vorliegender
Untersuchung getrennt nach subepikardialen, mittleren und
subendokardialen Arealen des linksventrikulären Myokards
durchgeführt wurde. Ein weiterer Aspekt der Arbeit ist der
Vergleich der Repolarisation in verschiedenen Spezies, was bei der
Interpretation von tierexperimentell gewonnenen Ergebnissen von
großer Bedeutung ist. Dazu wurden IKr und IKs in verschiedenen
Tiermodellen (Meerschweinchen, Schwein und Hund) unter
Berücksichtigung der transmuralen Verteilung gemessen und mit den
aus humanem Myokard gewonnenen Ergebnissen verglichen. Die
porenbildenden alpha-Untereinheiten von IKr und IKs, KCNH2 und
KCNQ1, wurden im heterologen Zellsystem exprimiert und deren
Sensitivität auf IKr bzw. IKs spezifische Kanalblocker überprüft.
Methodisch wurde für oben genannte Fragestellungen die patch clamp
Technik in Ganzzellkonfiguration verwendet; zur Aufzeichnung von
Aktionspotentialen und zum Nachweis von IKs in humanem Myokard
wurde die perforated patch Methode verwendet, um eine Veränderung
des intrazellulären Milieus mit Dialyse von Botenstoffen zu
vermeiden. Auf molekularbiologischer Ebene wurde die mRNA-Menge der
IKr und IKs alpha-Untereinheiten KCNH2 und KCNQ1, sowie deren
(potentielle) beta-Untereinheiten KCNE1 und KCNE2 mit Hilfe der
quantitativen real-time PCR bestimmt. Dabei konnten folgende
Ergebnisse erzielt werden: IKr ließ sich im Menschen in allen
Zellen in relevanter Größe nachweisen; der Strom ließ sich sowohl
durch den spezifischen IKr-Blocker Dofetilide, aber auch durch
Pharmaka aus nicht-kardiologischen Anwendungsgebieten wie das
Neuroleptikum Haloperidol inhibieren. Dabei wies der Kanal eine
Abhängigkeit von der extrazellulären Kaliumkonzentration auf, die
sich umgekehrt zum elektrochemischen Gradienten verhielt: höhere
extrazelluläre Kaliumkonzentrationen bewirkten eine Steigerung von
IKr. IKs (definiert als HMR 1556 sensitiver Strom) ließ sich in
humanem Myokard nur unter speziell optimierten Bedingungen
(perforated patch Technik, adrenerge Stimulation mit Isoproterenol)
nachweisen. Er hatte dann eine sehr kleine Stromdichte, die eine
weitere elektrophysiologische und pharmakologische
Charakterisierung nicht erlaubte. In Meerschwein, Schwein und Hund
war IKr und IKs nachweisbar; dabei hatte das Meerschweinchen die
höchsten Stromdichten von delayed rectifier Kaliumkanälen, das
Schwein kleinere, aber robuste IKr und IKs-Ströme. Beim Hund fanden
sich deutlich geringere Stromdichten für IKr und IKs; IKs war nicht
in allen Zellen nachweisbar. IKr wies in allen Spezies epikardial
eine kleinere Stromdichte auf als in mittleren und endokardialen
Arealen. Dieser transmurale Gradient mit geringerer Stromdichte in
epikardialen Arealen war nur in nicht-insuffizienten humanen Herzen
nachweisbar; bei Herzinsuffizienz kam es zur Angleichung der
Stromdichten in allen drei untersuchten Schichten. KCNH2 und KCNQ1
generierten im heterologen Zellsystem IKr bzw. IKs ähnliche Ströme,
die jeweils typische Sensitivität für IKr bzw. IKs Blocker
aufwiesen. Für KCNH2 und KCNQ1 mRNA waren keine transmuralen
Gradienten und keine Regulation bei Herzinsuffizienz nachweisbar;
KCNE1 und KCNE2 zeigten bei Herzinsuffizienz höhere
Expressionslevel. Somit ließ sich das Vorhandensein und die
Bedeutung von IKr und IKs in humanem Myokard belegen, wobei IKs nur
in sehr geringer – in Ruhe gerade noch nachweisbarer – Stromdichte
vorkommt. Dennoch lässt sich seine Bedeutung am Vorhandensein von
Mutationen in KCNQ1, die lebensbedrohliche Rhythmusstörungen
verursachen können, ablesen. Auch für KCNH2, das für die
alpha-Untereinheit von IKr kodiert, sowie für die (potentiellen)
beta-Untereinheiten KCNE1 und KCNE2 sind Mutationen beschrieben,
die ursächlich für das angeborene Long QT-Syndrom sind. Damit
scheinen IKr und IKs für die Repolarisation des humanen
Aktionspotentials essentiell zu sein, wobei IKr aufgrund der
relativ großen Stromdichte die wesentliche Rolle bei der
Repolarisation des Aktionspotenials in humanem Myokard zukommt. IKs
hat große Bedeutung als „Repolarisationsreserve“ zur Stabilisierung
der Repolarisation unter Bedingungen erhöhter Katecholaminspiegel,
bei tachykarden Herzfrequenzen und bei verzögerter Repolarisation
wie durch Hypokaliämie, IKr-Blocker oder IKr-Mutationen und
Polymorphismen. Mutationen in Proteinuntereinheiten von IKs können
zur Störung dieser Repolarisationsreserve führen und somit
Rhythmusstörungen auslösen, die charakteristischerweise in
Situationen erhöhter sympathischer Aktivierung auftreten. Die
Ausstattung der unterschiedlichen Spezies mit repolarisierenden
Kaliumströmen wies erhebliche Unterscheide auf, was bei der
Interpretation tierexperimentell gewonnener Daten zu
berücksichtigen ist. Insbesondere korreliert eine Abnahme der
Ruheherzfrequenz der Spezies mit einer deutlichen Reduktion der
repolarisierenden Ströme entsprechend dem Konzept der
speziesabhängigen Variabilität der repolarisierenden bei Konstanz
der depolarisierenden Ströme (INa und ICa). Transmurale
Unterschiede in der Expression von Ionenkanälen scheinen notwendig
für den Ablauf der Erregungsbildung und Erregungsrückbildung zu
sein. Die epikardial geringeren Stromdichten für IKr waren in allen
untersuchten Spezies nachweisbar. Die Beobachtung einer geringeren
Stromdichte der repolarisierenden Kaliumströme epikardial bedeutet,
dass andere Ionenkanäle als IKr und IKs für die dort kürzere
Aktionspotentialdauer verantwortlich sein müsssen. Eine Reduktion
der Stromdichte bei Herzinsuffizienz, wie sie beispielsweise für
Ito beschrieben ist, konnte für IKr nicht nachgewiesen werden.
Jedoch fand sich eine Nivellierung des physiologischerweise
Vorhandenen transmuralen Gradienten, was grundsätzlich zu einer
Störung des physiologischen Erregungsablaufes mit Begünstigung von
Rhythmusstörungen in insuffizienten Herzen beitragen könnte. Aus
dem dualen Repolarisationsmechanismus im menschlichen
Ventikelmyokard werden klinische Konstellationen mit
Rhythmusstörungen verständlich, insbesondere in Hinblick auf die
Variabilität der Empfindlichkeit gegenüber Medikamenten mit
blockierender Wirkung auf IKr. Dabei stellt IKs in
unterschiedlichem Maße eine Kompensation im Sinne einer
Repolarisationsreserve bereit.

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