Wozu braucht die Maschine noch den Menschen?
In Dubai in den Vereinigten Arabischen Emiraten gibt es einen
Minister für Künstliche Intelligenz. Nicht etwa, dass es eine
Abteilung mit anderthalb befristeten Stellen ist. Nein, es ist ein
echtes Ministerium. Wir haben ja jetzt ein...
17 Minuten
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Beschreibung
vor 6 Jahren
In Dubai in den Vereinigten Arabischen Emiraten gibt es einen
Minister für Künstliche Intelligenz. Nicht etwa, dass es eine
Abteilung mit anderthalb befristeten Stellen ist. Nein, es ist
ein echtes Ministerium. Wir haben ja jetzt ein
Heimatministerium, was bestimmt auch wichtig ist. Aber die VAE
haben ein Ministerium für Künstliche Intelligenz, weil sie die
enormen Herausforderungen erkannt haben. Denn alles, was der
Mensch kann, kann die Maschine aus Hardware und Software heute
schon oder bald besser.
Erkennen
Wir können erkennen. Wir sind ein sensorisches Wunderwerk. Wir
können alles Mögliche sehen, hören und fühlen. Und doch ist die
Maschine darin schon besser. Sie kann, besser als der
durchschnittliche Mensch, einem Gesicht ansehen, ob dieser Mensch
lügt. Und sie kann aus fünf Fotos eines Menschen seine sexuelle
Orientierung erkennen. Mit 91% Sicherheit. Mit einem Foto sind es
84% Sicherheit. Das gilt für Männer, bei Frauen ist die sexuelle
Orientierung etwas schwieriger zu erkennen.
Lernen
Wenn wir erkannt haben, können wir lernen. Wir sind darin sehr
gut. Wir sind nicht geboren dafür, Fahrrad zu fahren oder U-Boote
zu bauen und doch können wir es lernen. Seit 1500 Jahren
entwickeln wir das Schachspiel. Sie wissen, dass wir schon seit
Jahrzehnten Schachcomputer haben, gegen die ein Mensch keine
Chance hat. Und dann kommt Google AlphaZero, schaut sich das
Spiel an, leitet die Regeln ab, spielt vier Stunden gegen sich
selbst, und gewinnt gegen Stockfish, den besten Schachcomputer,
den die Menschheit bisher bauen konnte, sage und schreibe 28:0.
So schnell und gut können wir gar nicht lernen.
Und was für das Kognitive gilt, für die Künstliche Intelligenz,
gilt auch für das Physische, also für die Roboter. Dem universell
einsetzbaren Roboter Baxter, der weniger als 20.000 USD kostet,
kann man die Arme und Finger führen und ihm buchstäblich zeigen,
was er tun soll. Man muss ihn nicht programmieren. Wenn man ihm
beigebracht hat, Zwiebel zu schneiden, beispielsweise, speichert
man diese Fähigkeit, diesen Skill, und lädt ihn auf die globale
Skill-Plattform für Roboter hoch. Und schon kann das sofort jeder
Roboter weltweit. Was wir als Menschen für einen Aufwand
betreiben, um Wissen und Fähigkeiten vom einen Menschen zum
anderen zu übertragen, ist enorm. Vom Kindergarten über die
Schulen bis zu den Hochschulen und den Weiterbildungen. Das haben
die Roboter und die Künstlichen Intelligenzen nicht nötig. Die
kopieren sich die Skills einfach.
Solche Roboter werden uns beobachten und sie werden lernen wie
die Kinder, durch Imitation, indem sie uns nachahmen. Sie werden
einfach unsere gesamten Youtube-Videos ansehen, dabei hoffentlich
gut filtern, und dann können sie alles, was wir können. Heute
stellen wir die Welt zweidimensional in Foto und Video dar, aber
bald werden wir sie viel mehr dreidimensional in virtuellen
Realitäten darstellen. Dann können die Maschinen noch viel besser
lernen, was wir können.
Beraten
Wenn wir erkannt und gelernt haben, können wir beraten. Wenn ich
einmal ernsthaft erkranke, an Krebs etwa, dann möchte ich, dass
dieser Watson eingesetzt wird. Schon seit mehreren Jahren hat
Watson die Fähigkeit, bei der Therapiefindung zu beraten. Das
System liest Millionen medizinwissenschaftlicher Dokumente und
empfiehlt auf Basis des genetischen Profils des Patienten die
beste Therapie gegen seine Krebserkrankung. Und dann die zweit-
und drittbeste. Für den nächsten Patienten macht er die Recherche
einfach nochmal, alles binnen kürzester Zeit. Keine Ärztin und
kein Arzt kann da mithalten.
Ich hätte gerne, dass da noch ein Mensch draufschaut. Warum? Weil
ich ein Mensch bin. Weil ich in Augen schauen können will, denen
ich vertraue und die mir das gute Gefühl geben, dass die
Empfehlung von Watson ihre Richtigkeit haben. Ich hätte aber auch
gerne, dass die Menschen, die mich beraten, ob es Ärzte,
Architekten oder Anwälte sind, sich solcher Maschinen bedienen.
Ich hätte gerne, dass sie professionell sind, indem sie die neuen
Werkzeuge nicht ignorieren und abgehängt werden, sondern dass sie
sich quasi auf die steigende Leistung der neuen Werkzeuge
"draufsetzen", um so in der Qualität ihrer Leistung und in ihrer
Professionalität nach oben getragen werden. Davon können wir alle
nur profitieren.
Wenn Watson mich beraten hat, möchte ich vielleicht im nächsten
Moment psychologisch beraten werden. Auch das können KI-Bots
heute schon. Sie können Fragen stellen, Hinweise geben, Dialoge
führen, so wie ein Therapeut auch. Aber sie sind nicht auf ein
begrenztes Gedächtnis angewiesen. Sie werden bald so gut
psychologisch therapieren können wie die besten Experten auf
dieser Erde.
Auch die KI-Bots sind nicht ein Ersatz für den Menschen. Sie
machen es Therapeuten möglich, uns persönlicher und mit mehr Zeit
zu unterstützen. Und sie machen es Millionen von Menschen
möglich, im täglichen Leben ein individuelles und doch nahezu
kostenloses Coaching zu genießen.
Kommunizieren
Zum Beraten gehört auch das Kommunizieren. Wir werden so viele
Sprachen sprechen können, wie wir wollen. Im Prinzip müssen wir
uns heute darauf konzentrieren, hervorragendes Englisch zu
sprechen und das Lernen aller anderen Sprachen sofort einstellen.
Wer privat aus reiner Freude eine Sprache sprechen will, soll sie
natürlich lernen, aber aus beruflichen Gründen ist das nicht mehr
sinnvoll.
Künstliche Intelligenz ist heute in der Lage, Stimmen so
natürlich zu machen, dass wir sie nicht mehr von einer
menschlichen Stimme unterscheiden können. Sie ist sogar in der
Lage, Ihre eigene Stimme innerhalb weniger Sekunden zu emulieren,
also nachzubilden. Die Maschine klingt dann so wie Sie. Auch das
Aussehen der virtuellen Assistenten auf den Bildschirmen ist
schon kaum von dem eines Menschen unterscheidbar.
Wir haben also bald Zugang zu Beratern zu jedem beliebigen Thema
und zu jeder Zeit. Sie werden niemals müde, haben nie Urlaub und
sie werden fast nichts mehr kosten. Immer dann, wenn eine
Künstliche Intelligenz ein Wissensgebiet lernen kann, wird der
Mensch für das Standardwissen im Hintertreffen sein. Aber am Ende
werden wir noch mit einem Menschen sprechen wollen.
Kreieren
Aber das Kreative, das ist doch unsere Domäne! Oder? Ich bin
nicht sicher. Wenn man Kreativität in Algorithmen abbilden kann,
wenn Deep Learning kreative Prozesse erlernen kann, sind wir auch
in diesem Feld nicht mehr die Krone der Schöpfung. Vor vielen
Jahren schon hat eine KI eine Symphonie für das London Symphony
Orchestra komponiert. Das Orchester spielte die Symphonie und man
wunderte sich, dass man das Stück nicht kannte. Zitat: "We were
amazed by the quality". So gut war es. Wohlgemerkt, es wurde
nicht mit einer Software komponiert, sondern mit einer Software.
Es gibt heute Software-Maschinen, die aus einer textlichen
Beschreibung Comics zeichnen kann und sogar Filme erstellen kann.
Der Gedanke ist also gar nicht so verrückt, dass die Drehbücher
und Romane der Zukunft von künstlicher Intelligenz geschrieben
werden. Zumindest die Massenprodukte. Auch sie werden sich an der
Struktur der so genannten "Heldenreise" orientieren, wie es die
meisten Hollywoodfilme und Romane tun. Die ersten Experimente
dazu sind vielversprechend.
Wenn mit KI neue Stahlsorten und neue Fahrzeug-Akkus entwickelt
werden, dann ist es auch bald so weit, dass wir mit BIM, dem
Building Information Modelling, die vollintegrierte Planung eines
Gebäudes und unseres Hauses per virtuellem Knopfdruck erstellen.
Wir werden die Eckpunkte des Hauses bestimmen, seine Funktionen,
sein Design, den Stil und binnen Sekunden acht Varianten oder
achthundert Varianten bekommen, aus denen wir uns die besten
aussuchen können. Natürlich auch das mithilfe von künstlicher
Intelligenz.
Agieren
Aber Handeln, Agieren, das werden doch wir, oder? Wenn in einer
Einkaufsverhandlung ein bisschen geblufft werden muss, kann das
der Algorithmus ja nicht, oder? Doch! Eine KI hat dreißig Tage
lang gegen die US-amerikanischen Meister Poker gespielt. Die
menschlichen Spieler hatten keine Chance. "Ich hatte ständig das
Gefühl, dass das Ding weiß, welche Karten ich auf der Hand habe",
sagte einer der Spieler. Und wahrscheinlich war das auch so.
Deshalb sind selbstfahrende Autos, die deutlich weniger Fehler
machen als wir, die wesentlich sicherer fahren als wir, nicht so
weit weg, wie viele noch glauben. 92% der tödlichen Unfälle
basieren auf menschlichem Versagen. So gut wie alle diese Fehler
wird die künstliche Intelligenz im Auto in wenigen Jahren nicht
mehr machen. Wir werden die Zahl der Verkehrstoten noch einmal
drastisch reduzieren können. Das sind große Chancen, die wir
nutzen können, wenn wir das Handeln in wenigen Jahren der
Maschine selbst überlassen, während wir uns mit wichtigeren
Aktivitäten befassen.
Kampfpiloten haben einen der Berufe mit den höchsten
Anforderungen an Menschen. Gegen die KI "Alpha" hatten selbst
sehr erfahrene Kampfpiloten keine Chance. Sie wurden regelmäßig
aus der virtuellen Luft geschossen. Und das alles auf Hardware,
die nur 35 USD gekostet hat.
Verwalten
Werden wir dann wenigstens noch verwalten? Wahrscheinlich nicht.
Was die Blockchain-Technologien, oder genauer gesagt die
Distributed Ledgers, die verteilten Kontenbücher, heute schon
alles können, wird uns viel an Verwaltungsarbeit abnehmen. Die
beratenden Berufe müssen so viel dokumentieren, vor, während und
nach der Beratung, dass sie kaum noch die Zeit haben, sich
eingehend mit ihren Klienten, Mandanten und Patienten zu
befassen. Demgemäß sollten wir es begrüßen, dass wir weniger
Verwaltungsarbeiten zu machen haben. Allerdings leben weltweit
hunderte Millionen Menschen von einfachen Verwaltungsjobs. Für
sie wird es in Zukunft neue Berufe und Aufgaben geben müssen und
das wird eine der größten Herausforderungen, die die Menschheit
in Friedenszeiten je bewältigen musste.
Entscheiden
Erkennen, Lernen, Beraten, Kommunizieren, Kreieren, Handeln,
Verwalten. Wenn alles das von der Maschine heute schon oder bald
besser erledigt werden kann. Werden wir als Menschen dann
wenigstens noch die Entscheidungen treffen? In Hong Kong hat ein
Unternehmen namens Deep Knowledge Ventures vor einigen Jahren
schon ein sechstes Vorstandsmitglied berufen. Mit den gleichen
Stimmrechten wie die anderen fünf. Aber es ist kein Mensch, es
ist eine Künstliche Intelligenz, die über die Investments des
Unternehmens in Biotechnologie-Unternehmen entscheidet.
Eine KI kann besser als der Mensch einschätzen, welche Verbrecher
zum Zeitpunkt ihrer Entlassung die höchste Wahrscheinlichkeit
aufweisen, bald wieder im Gefängnis zu sitzen. Wir Menschen
bekommen das ohne Hilfe schlechter hin. Es fällt uns unglaublich
schwer, das zu glauben und zu akzeptieren. Aber zumindest das
wissenschaftliche Experiment zeigt, dass wir in solchen
Einschätzungen und Entscheidungen so unsere Defizite haben.
Wozu braucht die Maschine noch den Menschen?
Diese Frage klingt böse und respektlos. Was denn sonst als der
Mensch ist das einzig wirklich Wichtige? Alles andere sind doch
nur unsere Werkzeuge. Aber die Frage ist auch nützlich. Sie hilft
uns produktiv zu sein in der Suche nach unserer Rolle in der
Zukunft.
Wir haben uns schon in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts
gefragt, in welchem Maße uns die Maschinen die Arbeit wegnehmen.
Wir haben uns das sogar schon Anfang des neunzehnten Jahrhunderts
gefragt, als die Industrialisierung erst begann. Ein Landwirt
ernährte damals vier Menschen, heute ernährt er mit seiner Arbeit
200 Menschen. Und doch haben wir keine Millionen an arbeitslosen
Landwirten. Wir haben immer wieder neue Berufe gefunden und
erfunden. Damals konnte man sich nicht vorstellen, dass es
dereinst einmal den Beruf der Webdesignerin geben wird. Oder dass
es ein Job sein kann, den lieben langen Tag dafür zu sorgen, dass
es im neuen Auto eines Herstellers so riecht, wie der Hersteller
das will. Damals wie heute können wir uns die Berufe und die
Geschäftsfelder der Zukunft nur schwer vorstellen.
Wir werden nicht weniger Arbeit haben. Wir werden mehr Arbeit
haben. Aber sie wird deutlich höhere Anforderungen an die
Menschen stellen. Die Wertschöpfung wird auch in den
Wissensberufen allmählich von unten her aufgefressen, also
beginnend bei den einfachen Wissensarbeiten, wie etwa der
Recherche und Daten-Auswertung, in Richtung immer komplexerer
Wissensarbeit.
Wozu braucht die Maschine denn eigentlich noch den Menschen? Sie
braucht ihn in zwei Funktionen. Sie braucht den Menschen, um ihm
oder ihr nützlich zu sein. Wir müssen uns das selbstbewusst
klarmachen. Wenn wir es nicht nutzen, wenn wir es nicht wollen,
kaufen und bezahlen, dann wird es die KI nicht lange geben. Und
die Maschine braucht den Menschen, um von ihm geschaffen,
betrieben, verbessert und genutzt zu werden. An diesen beiden
Seiten der Künstlichen Intelligenz braucht die Maschine den
Menschen.
Gefährlich wird es erst dann, wenn die superintelligente Maschine
irgendwann beschließt, dass der Mensch nicht gut genug darin ist,
sie zu entwickeln und die Aufgabe des Entwicklers und Betreibers
in Eigenregie selbst übernimmt. Dann haben wir in der Tat unsere
letzte Erfindung gemacht. Dann entwickelt die superintelligente
Maschine die noch intelligentere Maschine und so weiter. Dann
werden wir es nicht mehr verstehen. Dann wird die so genannte
Singularität stattgefunden haben.
Womöglich werden wir dann beginnen, der menschlichen Evolution
nachzuhelfen, indem wir uns mit künstlicher Intelligenz upgraden,
mit ihr verschmelzen, quasi zum Cyborg werden, der Kombination
von Mensch und Maschine. Aber das ist wirklich Zukunftsmusik. Es
wird noch Jahrzehnte dauern, bis wir vor diese Herausforderung
gestellt werden.
Fähigkeiten-Disruptions-Inventur
Und jetzt? Machen Sie eine Fähigkeiten-Disruptions-Inventur. Das
können Sie in Excel machen. Schreiben Sie in die erste Spalte
alle Fähigkeiten auf, die Sie persönlich, Ihr Unternehmen und Ihr
Team hat. Schrieben Sie alles auf, was Sie können und alles,
wofür Sie bezahlt werden. In die weiteren Spalten schreiben Sie
alle künstlichen Intelligenzen, Softwarepakete und Angebote
irgendwelcher Startups auf, die versprechen, Ihre Fähigkeiten
besser zu beherrschen.
Damit haben Sie zwei Arten von Erkenntnissen.
Sie wissen damit erstens, welche Fähigkeiten durch Technologie
besser geleistet werden als von Ihnen. In diese Fähigkeiten
müssen Sie allmählich oder vielleicht sogar ab sofort weniger
investieren. Idealerweise ersetzen Sie in einem verträglichen
Maße gleich selbst die menschliche Arbeit durch Künstliche
Intelligenz, während Sie den Menschen in Ihrem Team helfen, neue
Fähigkeiten zu erwerben. Vermeiden Sie möglichst jede
technikbedingte Entlassung, um die Erfahrung und emotionale Nähe
der Mitarbeiter nicht zu verlieren.
Nach der Fähigkeiten-Disruptions-Inventur wissen zweitens anhand
der Fähigkeiten, zu denen Sie trotz gründlicher Recherche keine
substitutiven und disruptiven Technologien gefunden haben, welche
Fähigkeiten Sie, Ihr Team und Ihr Unternehmen auch in Zukunft
noch als Menschen benötigen werden. In diese Fähigkeiten gilt es
zukunftsintelligent zu investieren.
Wovon leben Sie morgen? Entwickeln Sie Ihre
Vision!
Damit Sie wissen, in welche Richtung genau Sie in künstliche
Intelligenz investieren müssen und damit Sie wissen, für welche
Fähigkeiten Sie in Zukunft bezahlt werden, brauchen Sie eine
zukunftsrobuste Mission und motivierende Vision für Sie selbst
und Ihr Team, wie und wo Sie in Zukunft in einer Welt der
künstlich intelligenten Maschinen sein werden.
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