Folge 072: Wie das Internet das Pilgern verändert
Der Weg zurück ins Leben Podcast - mit Inspirationen für Menschen
an Wendepunkten. Diesmal teile ich mit Dir die größten
Veränderungen, die mir seit meinem ersten Pilgerweg 2007
aufgefallen sind.
13 Minuten
Podcast
Podcaster
Beschreibung
vor 7 Jahren
Der Weg zurück ins Leben-Podcast - von und mit Christina Bolte
Pilgern - damals und heute
Dieses Jahr habe ich Jubiläum! Denn dieses Jahr ist es zehn Jahre
her, seit ich das erste Mal auf dem Jakobsweg unterwegs war. Zwar
bin ich damit sicher kein Pionier und zehn Jahre sind auch
sicherlich noch kein Zeitraum, bei dem es gerechtfertigt scheint,
einen "Damals-und-Heute-Vergleich" zu ziehen. Dennoch denke ich
jedes Mal, wenn ich in den letzten Jahren mal wieder auf einem
der verschiedenen spanischen Wege unterwegs war, an meinen ersten
Camino zurück und daran, wie sich seitdem nicht nur in der Welt,
sondern auch auf dem Camino einiges verändert hat. Meine Gedanken
dazu möchte ich gerne mit Dir teilen.
Folgendes sind die 3 Veränderungen, die mir am meisten
auffallen: Das Pilgern auf dem Jakobsweg erfreut sich steigender
Beliebtheit, deshalb sind zunächst einmal die gestiegenen
Pilgerzahlen das Augenscheinlichste: Seit 2006 hat - Hape Kerkeling
sei Dank - ist die Zahl der in Santiago de Compostela ankommenden
Pilger sprunghaft angestiegen. Auch ich bin einer von denen, die
sich bald nach der Lektüre seines Buch "Ich bin dann mal weg" auf
den Weg machten. Während 2007 "nur" etwas über 114 Tsd. Pilger in
Santiago registriert wurden, waren es 2016 mit knapp 278.000
Pilgern bereits fast 2,5 Mal soviele. Aus welchen Ländern diese
kamen & auf welchen Wegen sie unterwegs waren, das kannst Du im
Podcast nachhören - oder in dieser Statistik auf Basis der Daten
des Pilgerbüros in Santiago nachlesen, in der ich diese Werte
gefunden habe. Damit sehr eng zusammen hängt dann der zweite große
Unterschied, der mir ins Auge fällt: Das Internet hat auch vor dem
Jakobsweg nicht Halt gemacht. Wieso sollte es auch, er ist ja nicht
aus dieser Welt... 2007 traf ich auf dem Camino eine ziemlich große
Anzahl von Menschen, die mir berichteten, sie hätten ihr
Mobiltelefon ganz zu unterst in ihren Rucksack gesteckt und mir
rieten, ich solle das doch auch tun. Damals war ich von dem
Vorschlag nicht so begeistert, wie ich in einer Anekdote in meinem
Buch Burnout - Vom Jakobsweg zurück ins Leben beschrieben
habe. Den Jakobsweg als bewußte Auszeit vom Alltag zuhause zu
nutzen und den gegenwärtigen Moment bewußt und mit allen Sinnen
wahrzunehmen und zu genießen war mir in meiner damaligen Situation,
als ich lieber mit den Gedanken schon zehn Schritte im Voraus war,
noch nicht möglich. Heute wünsche ich mir mehr solche Momente, denn
ich habe gemerkt, dass ich damals nie wirklich irgendwo wirklich
"angekommen" bin. Heute erscheint mir ein solcher Rat, wie ich ihn
damals erhielt, allerdings undenkbar! Nicht nur ist das
Vorhandensein von WLan und Computer mittlerweile für viele Menschen
ein Auswahlkriterium für Cafés, Restaurants und Unterkünfte
geworden - auch auf die Bewertungen in verschiedenen Portalen wird
zunehmend geachtet. Darüber hinaus ist es heute gang und gäbe,
vorab in manchen Unterkünften Zimmer bzw. Betten zu
reservieren.Auch ich muss gestehen, dass ich mich im April - es war
völlig überlaufen in der Karwoche! - auf dem Camino Inglés in einem
Ort einen Tag vor Santiago ohne öffentliche Herberge von einigen
Pilgerkollegen habe kirre machen lassen. Als ich ihm auf seine
Frage, in welcher Unterkunft ich übernachten würde, antwortete:
"Keine Ahnung, werde ich dann schon sehen" schaute er mich
entgeistert an und meinte, ich müsse unbedingt irgendwas
reservieren, weil manche Herbergen schon seit Tagen ausgebucht
seien. Nun ja, wie sich herausstellte, war es für mich als
Einzelreisende kein Problem, aber in Gruppen ab 2-3 Personen schon
nicht mehr so einfach...Vor 10 Jahren habe ich das deutlich anders
erlebt. Zum einen steckten diverse Bewertungs-portale noch in den
Kinderschuhen, so dass man sich wenn es überhaupt eine Auswahl gab,
eher an der Auswahl im Reiseführer orientierte. Oder man freute
sich auf das, was kam und nahm es wie es war. Wenn auch manchmal
nur mit Murren. Wenn es einen öffentlichen Computer gab, musste man
(wie bei den Duschen auch) früh dran sein - oder halt etwas warten,
wenn man in Kontakt mit "der Welt da draussen" bleiben wollte. Wenn
ich mich an Menschen erinnere, die ich 2016 oder Anfang diesen
Jahres unterwegs getroffen habe, nutzen viele das Internet als
Navigationsgerät. Was mich persönlich ziemlich belustigt hat, denn
an den meisten Stellen ist ja der Weg recht gut mit gelben Pfeilen
und/oder Muschel-Schildern markiert, die auch recht gut zu sehen
sind, wenn man mit einigermaßen offenen Augen durch die Gegend
läuft. So hatte ich mitunter den Eindruck, dass manch ein Pilger
vor lauter Navi und Facebook gucken genau das verpasst hat, was
sich ihm unterwegs an schönen Augenblicken und Gesprächen so
geboten hat: Das Leben & die Gegenwart.
Natürlich kann und soll jeder für sich entscheiden, ob und in
welchem Umfang er Handy & Internet auf seinem Pilgerweg
nutzen möchte. Manchmal, v.a. in Notsituationen, sind
Mobiltelefone ja auch lebensrettend. In vielen Situationen aber
eben auch nicht. So finde ich, dass eine Pilgerwanderung auch
eine gute Gelegenheit sein kann, sein Alltags- und
Konsumverhalten durch eine bewusste Unterbrechung mal einer
kritischen Beobachtung zu unterziehen. Abschließend möchte ich
noch ergänzend, dass es sich hierbei nicht um eine Wertung,
sondern lediglich um meine persönlichen Beobachtungen und
Reflexionen handelt. Es gibt nichts auf dieser Welt, auch nicht
das Internet, das nur Vor- oder nur Nachteile hat.
Wie bist Du auf dem Jakobsweg unterwegs (gewesen) - und wie
gehst Du durch Dein Leben?
So finde ich es besonders spannend zu schauen, ob Du bestimmte
Parallelen findest, wenn Du Dich dieser Frage widmest - oder eben
genau das Gegenteil findest. Noch interessanter finde ich die
Frage, ob Du mit dem, was Du unterwegs erlebst, glücklich bist.
Nun freue ich mich mit dieser Frage auf eine angeregte Diskussion
zu dem Thema!
Diese Folge hier anhören oder herunter laden.
Pilgern - damals und heute
Dieses Jahr habe ich Jubiläum! Denn dieses Jahr ist es zehn Jahre
her, seit ich das erste Mal auf dem Jakobsweg unterwegs war. Zwar
bin ich damit sicher kein Pionier und zehn Jahre sind auch
sicherlich noch kein Zeitraum, bei dem es gerechtfertigt scheint,
einen "Damals-und-Heute-Vergleich" zu ziehen. Dennoch denke ich
jedes Mal, wenn ich in den letzten Jahren mal wieder auf einem
der verschiedenen spanischen Wege unterwegs war, an meinen ersten
Camino zurück und daran, wie sich seitdem nicht nur in der Welt,
sondern auch auf dem Camino einiges verändert hat. Meine Gedanken
dazu möchte ich gerne mit Dir teilen.
Folgendes sind die 3 Veränderungen, die mir am meisten
auffallen: Das Pilgern auf dem Jakobsweg erfreut sich steigender
Beliebtheit, deshalb sind zunächst einmal die gestiegenen
Pilgerzahlen das Augenscheinlichste: Seit 2006 hat - Hape Kerkeling
sei Dank - ist die Zahl der in Santiago de Compostela ankommenden
Pilger sprunghaft angestiegen. Auch ich bin einer von denen, die
sich bald nach der Lektüre seines Buch "Ich bin dann mal weg" auf
den Weg machten. Während 2007 "nur" etwas über 114 Tsd. Pilger in
Santiago registriert wurden, waren es 2016 mit knapp 278.000
Pilgern bereits fast 2,5 Mal soviele. Aus welchen Ländern diese
kamen & auf welchen Wegen sie unterwegs waren, das kannst Du im
Podcast nachhören - oder in dieser Statistik auf Basis der Daten
des Pilgerbüros in Santiago nachlesen, in der ich diese Werte
gefunden habe. Damit sehr eng zusammen hängt dann der zweite große
Unterschied, der mir ins Auge fällt: Das Internet hat auch vor dem
Jakobsweg nicht Halt gemacht. Wieso sollte es auch, er ist ja nicht
aus dieser Welt... 2007 traf ich auf dem Camino eine ziemlich große
Anzahl von Menschen, die mir berichteten, sie hätten ihr
Mobiltelefon ganz zu unterst in ihren Rucksack gesteckt und mir
rieten, ich solle das doch auch tun. Damals war ich von dem
Vorschlag nicht so begeistert, wie ich in einer Anekdote in meinem
Buch Burnout - Vom Jakobsweg zurück ins Leben beschrieben
habe. Den Jakobsweg als bewußte Auszeit vom Alltag zuhause zu
nutzen und den gegenwärtigen Moment bewußt und mit allen Sinnen
wahrzunehmen und zu genießen war mir in meiner damaligen Situation,
als ich lieber mit den Gedanken schon zehn Schritte im Voraus war,
noch nicht möglich. Heute wünsche ich mir mehr solche Momente, denn
ich habe gemerkt, dass ich damals nie wirklich irgendwo wirklich
"angekommen" bin. Heute erscheint mir ein solcher Rat, wie ich ihn
damals erhielt, allerdings undenkbar! Nicht nur ist das
Vorhandensein von WLan und Computer mittlerweile für viele Menschen
ein Auswahlkriterium für Cafés, Restaurants und Unterkünfte
geworden - auch auf die Bewertungen in verschiedenen Portalen wird
zunehmend geachtet. Darüber hinaus ist es heute gang und gäbe,
vorab in manchen Unterkünften Zimmer bzw. Betten zu
reservieren.Auch ich muss gestehen, dass ich mich im April - es war
völlig überlaufen in der Karwoche! - auf dem Camino Inglés in einem
Ort einen Tag vor Santiago ohne öffentliche Herberge von einigen
Pilgerkollegen habe kirre machen lassen. Als ich ihm auf seine
Frage, in welcher Unterkunft ich übernachten würde, antwortete:
"Keine Ahnung, werde ich dann schon sehen" schaute er mich
entgeistert an und meinte, ich müsse unbedingt irgendwas
reservieren, weil manche Herbergen schon seit Tagen ausgebucht
seien. Nun ja, wie sich herausstellte, war es für mich als
Einzelreisende kein Problem, aber in Gruppen ab 2-3 Personen schon
nicht mehr so einfach...Vor 10 Jahren habe ich das deutlich anders
erlebt. Zum einen steckten diverse Bewertungs-portale noch in den
Kinderschuhen, so dass man sich wenn es überhaupt eine Auswahl gab,
eher an der Auswahl im Reiseführer orientierte. Oder man freute
sich auf das, was kam und nahm es wie es war. Wenn auch manchmal
nur mit Murren. Wenn es einen öffentlichen Computer gab, musste man
(wie bei den Duschen auch) früh dran sein - oder halt etwas warten,
wenn man in Kontakt mit "der Welt da draussen" bleiben wollte. Wenn
ich mich an Menschen erinnere, die ich 2016 oder Anfang diesen
Jahres unterwegs getroffen habe, nutzen viele das Internet als
Navigationsgerät. Was mich persönlich ziemlich belustigt hat, denn
an den meisten Stellen ist ja der Weg recht gut mit gelben Pfeilen
und/oder Muschel-Schildern markiert, die auch recht gut zu sehen
sind, wenn man mit einigermaßen offenen Augen durch die Gegend
läuft. So hatte ich mitunter den Eindruck, dass manch ein Pilger
vor lauter Navi und Facebook gucken genau das verpasst hat, was
sich ihm unterwegs an schönen Augenblicken und Gesprächen so
geboten hat: Das Leben & die Gegenwart.
Natürlich kann und soll jeder für sich entscheiden, ob und in
welchem Umfang er Handy & Internet auf seinem Pilgerweg
nutzen möchte. Manchmal, v.a. in Notsituationen, sind
Mobiltelefone ja auch lebensrettend. In vielen Situationen aber
eben auch nicht. So finde ich, dass eine Pilgerwanderung auch
eine gute Gelegenheit sein kann, sein Alltags- und
Konsumverhalten durch eine bewusste Unterbrechung mal einer
kritischen Beobachtung zu unterziehen. Abschließend möchte ich
noch ergänzend, dass es sich hierbei nicht um eine Wertung,
sondern lediglich um meine persönlichen Beobachtungen und
Reflexionen handelt. Es gibt nichts auf dieser Welt, auch nicht
das Internet, das nur Vor- oder nur Nachteile hat.
Wie bist Du auf dem Jakobsweg unterwegs (gewesen) - und wie
gehst Du durch Dein Leben?
So finde ich es besonders spannend zu schauen, ob Du bestimmte
Parallelen findest, wenn Du Dich dieser Frage widmest - oder eben
genau das Gegenteil findest. Noch interessanter finde ich die
Frage, ob Du mit dem, was Du unterwegs erlebst, glücklich bist.
Nun freue ich mich mit dieser Frage auf eine angeregte Diskussion
zu dem Thema!
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