Episode #76: Wie du Lieblingsteile kopierst – ohne sie zu zerschneiden

Episode #76: Wie du Lieblingsteile kopierst – ohne sie zu zerschneiden

Bei manchen Näherinnen ist nähen wie gekauft verpönt, für andere wiederum genau das was sie wollen. Es soll genauso aussehen, wie man es im Laden bekommt. Weder das eine noch das andere ist richtig oder falsch. Jeder hat einfach seine individuelle...
29 Minuten

Beschreibung

vor 4 Jahren


Bei manchen Näherinnen ist nähen wie gekauft verpönt, für
andere wiederum genau das was sie wollen. Es soll genauso
aussehen, wie man es im Laden bekommt. Weder das eine noch das
andere ist richtig oder falsch. Jeder hat einfach seine
individuelle Motivation zu nähen. Soll es etwas Ausgefallenes
werden, was sonst niemand hat, oder soll es ein unauffälliges
Basic sein, das super passt und sich easy kombinieren lässt?


Genauso unterschiedlich sind die Herangehensweise an ein
Nähprojekt: nähst du genau nach Schnitt und Anleitung, ganz
frei, nie mit Schnitt oder liegt dein Vorgehen irgendwo
dazwischen?


Ich habe mir das Nähen zum Teil selber beigebracht, brauchte
aber schon Anleitungen dafür. Ich habe immer wieder
schwierigere Projekte ausgewählt, um mich weiterzuentwickeln.
Wenn mir eine Nähtechnik nach einer Weile geläufig ist, kann
ich freier werden und mehr improvisieren. Das ist ganz ähnlich
wie beim Kochen bei mir. Ich probiere ab und zu mal neue
Zutaten aus, brauche dann aber erst einmal ein Rezept, damit
die Verhältnisse stimmen und es hinterher auch schmeckt. Dass
das Ergebnis den Kindern nicht immer schmeckt ist ein anderes
Thema... Wenn ich das Gericht dann 2-3 mal gekocht habe,
variiere ich freier, werfe noch einen Rest von gestern hinzu
oder statt der Zucchini Erbsen. Nehme statt der Nudeln mal
Reis. Vielleicht kennst du das.


Insgesamt kann ich beim Kochen freier arbeiten als beim Backen.
Da müssen die Zutaten schon abgewogen werden und stimmen, damit
der Kuchen am Ende aufgeht. Und so bleibt...


Genauso finde ich, dass es Nähprojekte gibt, bei denen sie
besser werden, wenn ich frei arbeite, wie z. B. Bei Taschen,
aber bei Kleidung muss ich mich mehr ans Backrezept halten,
damit mein Plan aufgeht, zumindest was die Grundkonstruktion
angeht.


Ok, jetzt genug vom Kochen und Backen, sonst bekomme ich noch
Hunger während der Podcastaufnahme.


Kommen wir zum eigentlichen Thema heute, nämlich dem Kopieren
von Lieblingsteilen im Kleiderschrank. Du hattest bestimmt auch
schon mal ein gekauftes Lieblingsteil, das du getragen hast,
bis es auseinander fiel. Irgendetwas muss an diesem Teil
richtig gut gewesen sein. Wodurch wurde es zum Lieblingsteil?
War es die Farbe? Die Passform? Das Design? Wie sich der Stoff
anfühlte? Oder eine Kombination aus den gerade genannten
Eigenschaften?


Wenn du Glück hast, ist es ein Teil, das der Hersteller deines
Lieblingsteils dauerhaft im Sortiment hat und du kannst es
einfach nachkaufen. Das ist natürlich die einfachste Variante,
aber oftmals wechseln die Kollektionen schnell und das schöne
Oberteil, das du doch noch gerne in einer anderen Farbe
nachgekauft hättest, gibt es nicht mehr.


Letzte Woche habe ich einen Blogartikel veröffentlicht, in dem
ich dir 10 interessante Blusenshirt Schnittmuster vorstelle.
Ich finde der Markt für solche eher leicht zu nähenden Webware
Oberteile wird immer vielfältiger und wer suchet, der findet.
Aber manchmal liegt das Gute so nah, nämlich in deinem
Kleiderschrank. Dein Lieblingsteil sagt dir, wovon du mehr
bräuchtest. Und nutze die Gelegenheit, es zu kopieren, bevor es
auseinander fällt.


Das solltest du auf jeden Fall dann ausprobieren, wenn du
Schwierigkeiten hast, etwas Passendes im Laden oder bei
Schnittanbietern zu finden. Manchmal ist es einfacher und
schneller einen Schnitt abzunehmen als nach einem ähnlichen
Schnitt zu suchen, was ja unter Umständen Stunden oder Tage
dauern kann. Diesen Schnitt dann zu kleben oder abzupausen,
Design- und Passformänderungen vorzunehmen und dann zu nähen.
Aber natürlich hängt es stark von deinen Vorkenntnissen ab und
davon wie experimentierfreudig du bist. Ich will nicht sagen,
dass es besser ist einen Schnitt abzunehmen, aber ich finde,
dass es eine Option ist, die schnell vergessen wird, obwohl sie
so nahe liegt.


Wenn du zum ersten Mal einen Schnitt von einem Kleidungsstück
abnimmst, würde ich es erst einmal mit einem einfachen Oberteil
aus Webware ohne Stretch ausprobieren. Um erfolgreich
Kleidungsstücke aus Jersey oder Stretchstoffen zu kopieren, ist
es total wichtig, dass die Stoffqualität möglichst ähnlich ist
wie die des Originals. Ich spreche aus Erfahrung. Vor Jahren
habe ich den Schnitt meiner Lieblingsjeans abgenommen und aus
zwei verschiedenen Jeansstoffen nachgenäht, die beide dem
Original nicht nahe gekommen sind. Sie waren weicher,
elastischer als das Original und waren nach kurzem Tragen schon
ausgeleiert. Daher empfehle ich für dein erstes Kopierprojekt
ein Webwareteil zu nehmen und daraus auch erst einmal ein
Probestück zu nähen.


Ach ja, und auch das Stoffgewicht ist ein wichtiger Punkt,
damit das Teil dem Original möglichst ähnlich wird.
4 Methoden wie du einen Schnitt abnehmen kannst

Dafür brauchst du für alle Varianten:


Ein Lineal

Idealerweise ein Kurvenlineal

Radiergummi

Bleistift

Einfaches symmetrisches Oberteil, gewaschen und gebügelt

Methode 1:

Die vermutlich einfachste Methode ist es, das Kleidungsstück
dicht entlang der Nähte zu zerschneiden und die Einzelteile als
Vorlage für den Schnitt zu verwenden. Wenn es ein symmetrisches
Oberteil ist, kannst du Vorder- und Rückenteil an der hinteren
und vorderen Mitte halbieren wie du es auch von
Kaufschnittmustern her kennst und in Ruhe auf ein
Schnittmusterpapier übertragen. Mein Tipp an dieser Stelle:
fotografiere alle Details zur Verarbeitung bevor du es
zerschneidest. So kannst du immer wieder nachschauen, wie das
Teil verarbeitet war und es nachbauen.


Wenn der Schnitt einen Abnäher hat, finde ich die
Herangehensweise von Kathi vom YouTube Kanal How to slay Omas
Kleiderschrank sehr gut. Sie beginnt nämlich mit dem Abnäher
und zeichnet von da aus weiter. Kathi zeigt das anhand eines
Maxikleids, das sie kopiert. Ich verlinke dir das entsprechende
Video in den Show Notes.


Der Vorteil: einfach.


Der Nachteil dieser Methode liegt klar auf der Hand: Dein
Lieblingsteil ist hinterher zerstört! Das macht also nur Sinn,
wenn es eh schon kaputt ist oder total zerschlissen. Wenn es
ausgeleiert ist, ist es schon zu spät fürs Kopieren.
Methode Nr. 2: auf durchsichtige Malerfolie übertragen

Kopiere den Schnitt ohne das Kleidungsstück zu zerschneiden.
Beliebt sind durchsichtige Malerfolien und wasserfester Stift.
Bei YouTube habe ich auch Varianten gesehen, wo das Oberteil an
der V. Mitte halbiert auf den Tisch gelegt wurde, die Folie
drüber um dann die Umrisse abzuzeichnen. Das erscheint auf den
ersten Blick einfach und logisch, aber…


Vorteil: erscheint einfach


Nachteil: Dadurch, dass die Folie auf dem Kleidungsstück liegt,
kannst du nicht besonders genau zeichnen. Das ist was für alle,
die gerne quick & dirty arbeiten. Vermutlich passen die
Teile hinterher nicht so richtig zusammen. Das ist mir
persönlich zu ungenau. Aber vielleicht hast du damit gute
Erfahrungen gemacht oder einen Trick? Dann kommentiere das
gerne im Blog unter den Show Notes zu dieser Episode.
Methode Nr. 3: auf Papier übertragen

Lege dir ein großes Stück Papier auf den Tisch. Ich habe eine
Rolle Plotterpapier in dünnerer Qualität zu hause, was ich als
Schnittpapier verwende. So kann ich immer Stücke in der
gebrauchten Länge abschneiden.


Das Oberteil legst du nun wieder halbiert auf das Papier und
zeichnest die Umrisse aus Bleistift nach. An manchen Stellen
musst du das Kleidungsstück etwas anheben, um zum Beispiel die
Ärmelnaht an Vorder- und Rückenteil einzuzeichnen.


Vorteil: das Teil bleibt erhalten, das Papier liegt flach, so
dass du genauer zeichnen kannst
Nachteil: Es bleibt schwierig, solche Stellen wie Ärmelnähte
nachzuzeichnen
Methode Nr. 4: Prickeln

Das ist meine bevorzugte Methode, weil sie die größte
Genauigkeit zulässt. Das Prinzip: Prickeln wie im Kindergarten.
Du brauchst also eine weichere Unterlage, die keine Löcher
bekommt, wenn du mit der Nadel durch stichst. Das kann eine
Schneidematte, ein kurzfloriger Teppich, eine Matratze, ein
Stück Karton etc. sein. Zuunterst liegt also diese
prickelfähige Unterlage, darauf legst du dein Schnittpapier
(keine Folie), darauf dein Kleidungsstück. Nun kannst du mit
einer spitzen etwas dickeren Nadel die Linien entlang prickeln
und vor allem die versteckten Linien nachprickeln. Anschließend
kannst du die geprickelte LInie mit Bleistift und Lineal
nachzeichnen.
Meine Tipps:

Bei allen 4 Methoden macht es Sinn, vorher den Fadenlauf am
Oberteil zu finden und zu markieren. Du kannst ihn einbügeln
oder mit Handstichen nachnähen, damit du ihn nicht verlierst.
Ein weitere Tipp: schau dir ein fertiges Schnittmuster an,
damit du eine Orientierung hast, wie der Ärmel ungefähr
aussehen sollte, welche Passzeichen Sinn machen.


Übertrage dir deine Notizen gleich mit auf den Schnitt, damit
du ihn auch in ein paar Jahren noch mal nachnähen kannst ohne
ratlos vor den Schnittteilen zu stehen. Alles schon passiert...


Nach dem Abnehmen musst du die Nähte nachmessen: Passt die
vordere Schulternaht auf die hintere? Ist die Saumlänge bei
beiden Teilen gleich? Braucht es Passzeichen an Ärmeln oder
anderen Nähten?


Hosenschlitz, Manschetten, Kragen mithilfe eines Schnittteils
von einem anderen Schnittmuster übernehmen.


Anschließend lohnt sich ein Probeteil aus dem gleichen oder
sehr ähnlichen Stoff, wie den, den du verwenden möchtest. So
kannst du nochmal ein paar kleinere Justierungen vornehmen.
Was sind die Herausforderungen beim Abnehmen eines Schnittes?

Beim Schnitt Abnehmen musst du immer mitdenken, denn Abnäher,
Raffungen, Falten musst du dabei mit berücksichtigen. Es ist
zwar eine Herausforderung, wenn der Schnitt solche Details hat,
aber es macht auch Spaß sie anzunehmen und herauszufinden, wie
der Schnitt zusammengesetzt ist und wie du das für dich
praktisch umsetzen kannst. Du hast natürlich nicht alles so
schön vorgekaut wie bei einem Kaufschnitt mit Fotoanleitung,
aber ich sage mal, wenn du schon einige Oberteile für dich
genäht hast, hast du gute Grundlagen für diese Herangehensweise
und kannst sie für dich noch vertiefen und festigen. Diese
Kenntnisse geben dir langfristig mehr Freiheit beim Nähen, weil
du dich nicht mehr sklavisch an Anleitungen und Schnittvorgaben
halten musst, damit dein Nähprojekt ein Erfolg wird. Und
Nähinsider fragen sich dann, welchen Schnitt hat sie denn da
vernäht? Den kenne ich ja noch gar nicht.


Habe ich bei dir das Interesse geweckt, mal einen Schnitt
abzunehmen? Vielleicht zum ersten Mal oder nach längerer Zeit
mal wieder? Dann wünsche ich dir viel Spaß dabei. Du weißt ja,
der einen liegt das Nähen nach Zahlen, also mit Schnitt und
Anleitung, die andere braucht Freiheit bei ihren Projekten und
will sich nicht durch Schnitte und Anleitungen wühlen. Um aber
beurteilen zu können, ob dir das liegt, ein fertiges
Kleidungsstück zu kopieren, solltest du es einfach mal
ausprobieren. Dazu möchte ich dich heute ermutigen. Ich finde
das passt hervorragend zu meinem Hashtag #nähdeinenstil.
Verwende ihn gerne, wenn du dein neues Lieblingsteil in den
Social Media zeigst.


Zum Abschluss habe ich noch einen Buchtipp für dich:
“Lieblingsklamotten kopieren” von Swantje Wendt. Ich finde
Swantje erklärt das Prinzip Schnitt abnehmen sehr gut.


Und für dich schon mal als Info vorab: für den März plane ich
wieder eine schöne Mitmach-Aktion, die dieses Mal wieder mit
dem Nähen zu tun hat. Ich freue mich drauf und werde dich im
Newsletter darüber auf dem Laufenden halten.


Ich wünsche dir einen schönen Tag und denk dran: Näh deinen
Stil!


Links:


Lieblingsklamotten kopieren von Swantje Wendt.


Schnitt abnehmen Hose mit Gummibund


Schnitt Maxikleid mit Abnähern und Raffungen abnehmen


--


Wenn dir diese Episode des Näh deinen Stil Podcasts gefallen
hat, würde ich mich sehr über eine positive Bewertung
freuen. 


ALLGEMEIN


Elle Puls Schnittmustershop und Nähblog


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Lade dir kostenlose Schnittmuster herunter


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Dein Erfolg beim Nähen soll lange anhalten. Nicht nur an der
Nähmaschine, sondern auch beim Tragen deiner selbst genähten
Garderobe. 


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Hast du Lust, ein ganzes Wochenende lang mit Gleichgesinnten zu
nähen? Dann komm in eines meiner Nähcamps in ganz Deutschland.


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