#198 Wie viel Loyalität kann man von Mitarbeitern verlangen?

#198 Wie viel Loyalität kann man von Mitarbeitern verlangen?

Der ichbindochnichthierumbeliebtzusein.com PodCast
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vor 2 Jahren
Wie viel Loyalität kann man von Mitarbeitern verlangen?


Eine spannende Frage: Was kann ich als Kollege, als
Führungskraft und auch als Unternehmen von meinen Mitarbeitern,
Kollegen oder Angestellten an Loyalität erwarten? Für das
Unternehmen ist das schnell geklärt: siehe Arbeitsvertrag und
die ungeschriebenen Gesetze, die sich in dem Unternehmen
entwickelt haben - auch wenn letztere nicht immer unbedingt
schnell und einfach zu durchschauen oder zu verstehen sind. Als
Kollege gilt eigentlich: wie du mir, so ich dir. Allerdings
jetzt nicht mit dem Messer in der Hosentasche, sondern auf
professioneller Art und Weise. Und als Führungskraft? Auch hier
wieder ein Blick in geltende Gesetze und den Arbeitsvertrag.
Aber: war es das denn wirklich schon? Und welche
Missverständnisse ergeben sich, wenn zwei oder mehr Menschen
mit guter, neutraler oder auch negativer Einstellung
aufeinandertreffen?





Stell dir vor, du hast eine Kollegin. Lassen wir die einfach
mal was studiert haben, was sie nicht für ihren aktuellen Job
braucht, so was wie was Naturwissenschaftliches. Und statt wie
die vielen Kommilitonen entschließt sie sich, nicht ins Banken-
oder Versicherungswesen zu gehen. Vielleicht, weil sie
schlichtweg nicht gut genug ist. Vielleicht, weil sie das
Studium auf Druck der Eltern eingeschlagen hat. Vielleicht
auch, weil sie für Lehramt oder eine Versicherung einfach nicht
gut genug ist. Wie auch immer, das Studium hilft ihr nun mal
nicht für den aktuellen Job. Aber hey, das schöne ist, dass ihr
zwei privat gut befreundet seid. Da nimmst du dir schon mal ein
paar Stunden Zeit, um ihr zu erklären, was sie nicht kann, um
zu verstehen, womit sie in ihrem Leben noch nie zu tun hatte
und sie in eine Verkaufssoftware einzuführen, von der sich noch
nicht mal das Kürzel "CRM" versteht. Aber wofür sind Freunde
schon da? Auf gleicher Ebene, im gleichen Unternehmen? Da hilft
man sich eben.


Und jetzt lass ein Neuzeitphänomen zuschlagen, dass nicht die
Besten, die Begabtesten oder auch die, die Firmen-interne Tests
bestehen oder ihren Führungskräften besonders positiv
aufgefallen sind, nach oben bringt, sondern irgendeine
weltfremde, da eben auch politisch motivierte Quotenregelung.
Und schon ist sie deine Chefin. Mit Diensthandy. Einzelbüro.
Kann sich plötzlich einen Firmenwagen aussuchen. Mit Tankkarte.
Und muss ständig, statt einen Plausch oder den Gang zur Kantine
mit dir anzutreten, in wichtige Steering Boards,
Strategierunden und pünktliche Zulieferungen für die GF-Runde
sicherstellen. 


Und weil sie dich nicht vergisst und dir in gewissermaßen auch
was schuldet, darfst du dir im Rahmen deiner Kompetenzen nach
dem Wünsch-dir-was deinen neuen Arbeitsplatz zusammenbauen.
Gut, mit allen Punkten und auch der Gehaltsvorstellung ist sie
nicht immer deiner Meinung, aber ihr werdet euch einig. Also,
Kundengewinnung und Neukundenakquise. Vertragsmanagement. Und,
aus Vertrauen und persönlichen Beweggründen kannst du hier für
die jährliche Bonusregelung selbst deine Ziele festlegen. Und
dein fixes Ziel, dass du dir gibst und das sie unwissend und
blind unterschreibt und somit in Stein meißelt ist, mit all dem
Aufwand, den Reisen quer durch Europa und den Kosten, um einen
neuen Kunden zu gewinnen und zu binden, steht da: ein Kunde pro
Jahr.


Lasst uns nun über Loyalität reden, einfach aus dem Bauchgefühl
heraus. Die Kollegin konnte ja nichts für ihre Beförderung,
vielleicht waren alle anderen Damen auf dem Flur bereits auf
legalem Weg in ihre Führungsrolle gekommen und so musste die
Wahl auf sie fallen. Dafür kann sie also nichts, aber loyal dem
Unternehmen gegenüber ist sie angetreten. Mit Sicherheit hat
auch das neue Gehalt, die Gespräche mit den Geschäftsführern
und ihrem Chef als auch aufmunternde Worte eines Freundes hier
mitgeholfen.


Ihr Freund und Kollege war definitiv loyal, ihr und auch der
Firma gegenüber: hat sie an die Hand genommen, hat ihr Produkte
und Systeme erklärt und sie sicherlich auch den Kollegen
vorgestellt. Somit einen reibungslosen Start ermöglicht. Und,
irgendwann im Rahmen dieser Zusammenarbeit, hat sich, über
Hobby oder die Autoleidenschaft, eine Freundschaft entwickelt,
die sich ins Private gerettet hat - oder andersherum, die aus
dem Privaten ins Berufliche hinein aufrechterhaltenen
Überlebenswillen bewies.


Kompliziert kann es nun werden, wenn auch er spitzbekommen hat,
dass hier eine Stelle geschaffen werden soll und die genau
seinem Profil entspricht. Das kann Stimmungen schon mal zum
Schwanken bringen. Schlimmstenfalls haben die beiden darüber
geredet und der Flurfunk, der bisher noch jede Quotenfrau
enttarnt hat, hat ihm darüber hinweggeholfen. Aber blenden wir
das aus und kommen abermals zu einem kleinen Detail: wie viele
Neukunden hat er sich gleich wieder in den Vertrag pro Jahr
schreiben lassen?  


Und nun stelle ich mal die Frage andersrum: ab wann wird
Verhalten illoyal?


Wenn du heute Atomkraftwerke außerhalb Frankreichs, der USA,
Polen und Tschechien oder auch einigen Schurkenstaaten
verkaufen sollst, ist eins, vor allem, wenn du es Jahr für Jahr
erfüllst, ein Topergebnis. Aber innerhalb Frankreichs? Da wirst
du ja von deinen Schnecken im Salat überholt! Was ist also
illoyal - und nein, unter Inkompetenz leidet heute keine der
skizzierten Personen!


Also, damit wir alle über das Gleiche reden, ran an eine
Definition:


"Loyalität bezeichnet die auf gemeinsamen moralischen Maximen
basierende oder von einem Vernunftinteresse geleitete innere
Verbundenheit und deren Ausdruck im Verhalten gegenüber einer
Person, Gruppe oder Gemeinschaft."


So sagt es wikipedia. Aber was meint das nun? Maxime?
Vernunftinteresse? 


Eine Maxime ist deine persönliche oberste Lebensregel. Das kann
so was sein wie: Arbeite fleißig und du wirst es zu was
bringen. Oder: ich HASSE ALLE MENSCHEN! Oder auch: für Geld tu
ich alles! 


Das Vernuftinteresse ist so ne Art Kantscher Imperativ, oder
einfach mit dem Kinderreim gesagt: Was du nicht willst, dass
man dir tu, das füg auch keinem anderen zu. Es sind die
undokumentierten und echten Regeln der Zusammenarbeit zwischen
Kollegen, Abteilungen und auch der ganzen Firma, losgelöst von
dem ganzen Hochglanz-Blabla auf der Webseite oder in den
Stellenanzeigen. Das wahre Arbeitsleben eben.


Und um abermals auf Kant zurückzukommen: wir alle tragen
unseren eigenen Wertekompass in uns. Und dieser steuert auch
die individuelle Loyalität.


Deshalb gibt es auch nicht DIE Regel, was jetzt Loyalität im
Arbeitsleben bedeutet. Nur weil du ständig eine Fluppe ziehst,
als ob du auf den ganzen Mist hier keinen Bock mehr hast,
ständig interne Stellenangebote prüfst und auch gerne in der
Diskussion mit deinem Chef mal ein wenig die Stimme erhebst:
ist das illoyal? Ich sage: nein!


Brechen wir es doch mal auf die Basics runter: von einem
Arbeitgeber erwarten wir Loyalität dahin, dass am Monatsende
das versprochene auf dem Konto ist, das Gebäude dicht und warm
ist, benötigte Arbeitsmittel zur Verfügung gestellt werden und
dass man eine Tätigkeit, sprich: Arbeit hat und nicht der
Spinne am Fenster täglich bei ihren Runden im Netz zugucken
muss.
Dafür erwartet der Arbeitgeber eine Gegenleistung in Form von
erfüllter Arbeit, abgearbeiteter Aufgaben und einen Beitrag zum
Betriebsgewinn, schließlich wird das Gehalt ja nicht mit
Monopoly-Geld bezahlt.


Die Kollegen untereinander erwarten Hilfestellung und Zuarbeit,
gerne ein bisschen Spaß und auch mal Ruhe. Eben die ganze
Bandbreite der kollegialen Zusammenarbeit, nicht nur im eigenen
Bereich, sondern quer über das Organigramm und auch mal über
diverse Ebenen. 


Auch zwischen Führungskraft und Mitarbeiter gilt nicht mehr der
raue Ton wie früher. Man ist auf sich gegenseitig angewiesen,
schließlich soll die FK ja nicht der eigene beste Mitarbeiter
sein und der MA möchte hier mal Homeoffice - ja, das soll es
vor Corona schon nur ein wenig dosierter gegeben haben - da er
mal in der Kernarbeitszeit zu dem einzigen Arzttermin, den er
bekommen konnte, gehen möchte, ohne viel Arbeitszeit zu
verlieren. Auch ist es loyal, zu einem Mitarbeiter zu stehen,
der aktuell im Privaten nicht ganz im Reinen ist und daher
nicht zu 100 % auf seine Arbeit konzentriert ist.


Wer jetzt die Frage stellt, was denn nun die Muss-Kriterien
sind, sollte in seinen Arbeitsvertrag schauen: da stehen
Wochenstunden, Umsatzziele, Hierarchiestufen, Gehalt, Bonus und
weitere variable Bestandteile und Vereinbarungen drin, soweit
zutreffend. Da steht klar die Erwartung, wenn auch nicht immer
in glatten Deutsch, zu der Tätigkeit. Dazu gibt es
Stellenbeschreibungen und Schnittstellendefinitionen. Teilweise
werden Arbeitsunterlagen, die es erfolgreich zu etablieren gilt
oder Arbeitsergebnisse, die aufgrund früherer Tätigkeiten vom
Stelleninhaber selbstständig erstellt werden sollen, benannt.
Das ist ernster Stoff, egal wie leger das im Rahmen einer
Vorbesprechung runtergebetet wird!


Und dann kommen noch die unterjährlichen Loyalitätsbeweise:
Sommerfeste auf Kosten des Unternehmens, Weihnachtsfeiern,
Motivationsspiele und so weiter...


Dafür erwartet das Unternehmen aber auch, dass man sich korrekt
und aufrecht seinen Kollegen und Vorgesetzten gegenüber verhält
und keine "hidden agenda" verfolgt, sondern gemeinsam an den
Zielen des Unternehmens arbeitet. Es darf also keine schädliche
Handlung vom Einzelnen oder einer Gruppe ausgehen, die
vorsätzlich Schaden für das Unternehmen bedeuten kann oder
wird. Auch ist eine, selbst wenn angemeldet, Nebentätigkeit,
die genau in dem gleichen Bereich ausgeführt wird, wie die des
Arbeitgebers nun mal nicht als loyal anzusehen - und auch
Arbeitsvertrag und Gesetz sprechen hier eine deutliche Sprache.


Je begeisterter ein Mitarbeiter von seinem Unternehmen spricht,
zum Beispiel im Freundeskreis oder auch bei
Netzwerkveranstaltungen, unterstreicht eindeutig seine
Loyalität. Solche Mitarbeiter suchen Firmen immer händeringend
- um sie dann meistens in Rekordzeit wieder zu vergraulen und
zum Verlassen der Firma zu zwingen - sorry, anderes Thema.


Auch werden von solch begeisterten Angestellten gemeinsame
Werte gebildet oder existente Werte schneller adaptiert.
Führungskräfte wissen, dass Mitarbeiter einen gesteigerten
Eigenantrieb in sich tragen, der sich nicht von (kleinen)
Problemen sofort aufhalten lässt. Info am Rande: Auch in
Arbeitszeugnissen ist die Nutzung des Wortes loyal meist in
Notenstufe 1 und bestenfalls noch am Rande der Note 2
vorgesehen.


Abschließend werfen wir noch einen Blick auf die drei Gründe,
warum Mitarbeiter ihre Loyalität verlieren: Gehalt,
Führungskraft und verletzte Loyalität.


Klar wenn Lachen, Stempeln, Tackern, Lochen, Ablegen hier 500 €
bringen, und beim nächsten Unternehmen 800 € wird man gerne mal
illoyal und kündigt - und das aus gutem Grund! Ich glaube
nicht, dass wir hier groß diskutieren müssen!


Auch wenn du, und ich will jetzt nicht schon wieder von
Stromberg anfangen, eine schlechte Führungskraft hast oder
jemand, der trotz maximal möglichster Inkompetenz oder per
Quotenregelung den Weg dahin gefunden hat und dir dann auch
noch dauernd mit sich widersprechenden Arbeitsaufträgen um die
Ecke kommt und selbst nur mit sich und seiner Genialität
beschäftigt ist - dann ist das reiner Fluchtreflex. Es heißt
nicht umsonst: Leute kommen wegen der Firma und gehen wegen der
Führungskraft!


Und dann noch die verletzte Loyalität. 
Wenn du auf deiner Webseite von loyalen Mitarbeitern und
Loyalität dem Kunden gegenüber sprichst, auf Kununu aber was
von "Sklavenbude", "ahnungslosen Führungskräften" oder sogar
"toxischen Führungskräften" oder auch mal der "planlosen
Unternehmensspitze, die sich nur selbst bereichern wollen"
steht, oder auch so Dinge wie "ich habe in meinem Leben noch
nie innerhalb der Probezeit gekündigt, hier war sogar das zu
lang", solltest du dir Lobhudeleien zur Loyalität lieber
schenken. 
Meist ist auch hier wieder eine Führungskraft das Problem. Oder
ein mobbender Kollege. Hier, wenn nicht das gesamte Firmenklima
plötzlich vergiftet enden soll, muss schnell, brutal und mit
eiskalter Hand durchgegriffen werden. Kollege mit sofortiger
Wirkung freistellen, Firmenausweis weg, Firmenhandy, -laptop
und -email sperren und Verbot, das Firmengelände zu betreten,
aussprechen. Führungskraft dank AT-Vertrag sofort raus und
lieber einen zu viel als einen zu wenig loswerden. Loyalität
ist keine Einbahnstraße, die nur der Führungskader fordern
kann. Auch Mitarbeiter haben hier Erwartungen und durch ein
hartes und begründetes Durchgreifen lässt sich noch viel
retten, was sonst auf nimmer Wiedersehen über die Wupper
springt. Und nein, liebe HR, keiner bleibt wegen eines
E-Leasing-Rads oder sonstigen Goodies auch nur eine Sekunde
länger im Unternehmen, wenn die "Beziehung" so im Argen liegt!


Jetzt höre ich schon die Stimmen im Hintergrund: Das habe ich
als High Potential gar nicht nötig, wenn es mir zu blöd wird
oder die Hütte brennt, bin ich sofort weg.
Ja, den Irrglauben hatte ich auch lange Zeit, wobei ich damals
den Vorteil, manchmal leider auch den Nachteil, hatte, dass ich
mit eigenem Unternehmen selbstständig war: Mann muss ja nicht
jeden Auftrag annehmen.
Ein Tipp, um sich hier ohne Schaden oder Rückschritt im
Lebenslauf einiges zu ersparen, empfehle ich, mal in das
Frustjobkillerbuch reinzublättern. Untertitel: Warum es egal
ist, für wen Sie arbeiten. Hört sich brutal an, ist aber nichts
anderes als der Volksmund, der sagt, dass das Gras drüben immer
grüner ist, die Kirschen immer saftiger und die Firmenkultur
zum reinlegen geil. 


These des Buchs, ganz brutal formuliert: Wenn du ein
Unternehmen verlässt, weil du unzufrieden bist, wird dich genau
dieses Gefühl über kurz oder lang auch in der neuen Firma
einholen, oder um es mit Stromberg zu sagen: Die Scheiße ist
doch überall die gleiche.
Es ist eine spannende und fundierte, in Teilen auch
psychologische Abhandlung, warum weglaufen vor Problemen nichts
bringt und sie letzten Endes doch immer im Gepäck mitreisen. Es
ist zum Schmunzeln, zum Nachdenken und auch mal kritisch mit
sich ins Gericht gehen!


Soviel zum Thema Loyalität im Arbeitsalltag. Und im Hinblick
auf die vorstehende Buchempfehlung kann ich dir nur empfehlen:
sei und bleibe vor allen dir gegenüber loyal!


 
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