#140 "Ich muss erst mal überlegen, ob Sie mir nicht zu viel reden!" - mein skurrilstes Bewerbungsgespräch ever - unvergessen!

#140 "Ich muss erst mal überlegen, ob Sie mir nicht zu viel reden!" - mein skurrilstes Bewerbungsgespräch ever - unvergessen!

Der ichbindochnichthierumbeliebtzusein.com PodCast
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vor 3 Jahren
"Ich muss erst mal überlegen, ob Sie mir nicht zu viel reden!" -
mein skurrilstes Bewerbungsgespräch ever - unvergessen!


Man(n) rechnet ja echt mit vielem, wenn man in
Bewerbungsgespräche geht. Obwohl die meisten nur langweiliges
Schema-F sind, bis dann "völlig überraschend" die Frage nach
drei Stärken und Schwächen kommt - wow, wie originell und noch
nie da gewesen. Aber dass man als Bewerber, und noch nicht mal
auf eine Führungsrolle, plötzlich gezwungen ist, die
Gesprächsleitung zu übernehmen und mit null Rückkopplung bis
schon fast zum Ende des Gesprächs führen muss, das ist mir
bisher auch erst einmal passiert...  Also, was tun, wenn
aus einer unverständlichen Terminvereinbarung ein spontanes
Telefoninterview wird? Reden!


 


Ich habe schon viele skurrile Bewerbungsgespräche erlebt - auf
beiden Seiten des Tisches. Ich saß mal bei einem Verlang in
Wiesbaden, der seine eigenen Produkte nicht kannte, mich aber
intensiv über sein Sortiment befragte. In München, brutaler
Anfängerfehler, bin ich, zu einer Zeit, in der es noch kein
Google Maps gab, eine ganze Stunde zu früh zum Termin
erschienen. Ein Düsseldorfer Telekommunikationsanbieter wollte
mich mit einer etwas cholerischen Art aus der Reserve locken
und nannte es im Nachgang, als der Personaler dazu kam, sein
obligatorisches Stressinterview. Ich erlebte Kandidaten, die
schon in der Selbstvorstellung so den Faden verloren hatten,
dass die best gemeinten Fragen nur noch mit "Oh, eine
Fangfrage!" quittiert wurden - hat einem aber den ganzen
Nachmittag freigeräumt, wenn so ein interview plötzlich nach
zehn Minuten vorbei ist.


Und wer viele Interviews erlebt, erlebt auch gute und schlechte
Personaler. Wobei die Mehrheit nur glaubt, sie wäre wirklich
gut - in Wahrheit sind sie schlecht vorbereitet und nennen es
"Unvoreingenommenheit". Sie haben sich nicht mit der Bewerbung
auseinandergesetzt oder tauchen gar mit falschen Unterlagen im
Bewerbungsgespräch auf. Oder sie kommen nur als
Erfüllungsgehilfe, falls die Führungskraft, die das Gespräch
führt, "falsch abbiegt".


Aber was macht man, wenn der Personaler am anderen Ende, der
einen angerufen hat, schon mit einer Terminvereinbarung zu
einem Vorstellungsgespräch maßlos überfordert ist? Spielen wir
es mal durch: Das Telefon klingelt, unbekannte Nummer. Du
meldest Dich - und erst mal passiert nichts. Dann nach
"endlosen" Sekunden ein Firmenname und noch ein Name, mal wolle
mit dir nun telefonisch einen Termin für ein
Vorstellungsgespräch vereinbaren. Proaktiv teilst Du dem
Anrufer mit, dass Du die ganze Woche verfügbar bist, nur
Freitag Mittag bist Du für 90 Minuten geblockt. Wieder eine
ziemlich lange Bedenkzeitpause. Dann die wenig erhellende
Aussage: "Ah, dann haben Sie wohl keine Zeit?".


Ist das der örtliche Lokalsender, den dir ein Kumpel auf den
Hals gehetzt hat? Also, probieren wir es ein wenig
detaillierter. "Ich kann heute, Montag, den ganzen Nachmittag.
Dienstag, Mittwoch und Donnerstag haben Sie freie Auswahl. Und
Freitag kann ich von 5 bis 11:30 und dann wieder ab 13 Uhr bis
23 Uhr." Das sollte doch jetzt verständlich sein. Nein, nicht
für mein Gegenüber: "Ja, wenn es Ihnen zeitlich nicht passt,
dann können wir auch nächste Woche in einem neuen Telefonat
einen neuen Termin ausmachen!".


BLOSS NICHT! Der ist so doof und ruft noch glatt den Falschen
an! Also, nochmal: "Ich merke, Sie wollen den Termin am Freitag
vereinbaren. Wollen Sie den Vormittag oder den Nachmittag? Ich
stehe nur von 11:30 bis 13 Uhr nicht zur Verfügung - das ist
aber sowieso die Mittagszeit, das kann ja nicht so schlimm
sein, oder?"


Da kommst du nie drauf, was jetzt kommt! Überlege scharf....
drei, zwo, eins... ich löse. Er sagt zu mir: "Also können Sie
Freitag nicht?"


Kennt ihr das Gefühl, wenn meinen seinen Mitmenschen,
liebevoll, aber doch mit Kraft, auf den Hinterkopf schlagen
möchte, dass die Stirn auf den Schreibtisch klatsch? Ich auch
nicht...


Mittlerweile fällt ruhig bleiben mir schwer, ich kann einfach
nicht mit dummen Leuten. "Sie wollen den Termin, den Sie bisher
nicht weiter benannt haben, also um die Mittagszeit ansetzen?"
Mal sehen, ob wir nun auf Spur kommen.


"Nachdem Ihnen das alles nicht passt, wollen wir ein
Telefoninterview machen?"


Ok, ich weiß ja nicht, ob der von OP-Tisch aus aktuell einer
Lobotomie unterzogen wird oder die Zigaretten mit den
Bewusstseins-erweiternden Drogen verwechselt hat. "Ja, können
wir gerne. Wann stellen Sie sich denn den Termin vor?". Gesagt,
und Frage bereut! Erzählt er mir doch im nächsten Satz, dass er
es zeitnah machen möchte, ich aber freitags ja keine Zeit
hätte.


Das ist kein Radiosender - der hätte sich längst am
Kopfhörerkabel erhängt, wenn er so einen Mist an Dummfragen und
-Bemerkungen loswerden muss.


So, Milchbubi, Deine letzte Chance, dann lege ich auf: "Wie
wäre es denn dann mit jetzt - sofort?"


Er nuschelt irgendwas total unverständliches, auch nur in
halber Lautstärke. Hat er gerade im Großraumbüro seine Kollegen
vorgewarnt, dass er jetzt ein telefonisches Erstinterview
führt, ganz überraschend, weil der Kollege zu seinem geplanten
Wunschtermin am Freitag verhindert ist?


Irgendwie gewinne ich gerade Lust, das jetzt durchzuziehen,
anstatt aufzulegen. Man, was ich ein Idiot. Was hätte mir ein
Auflegen alles an schreckliche erste Male erspart...


"Was wissen Sie denn von Unternehmen?". Oh nein, ein wirklich
schlechter Personaler. Der hat wohl mal einen "Wie komme ich
durch ein Vorstellungsgespräch"-Ratgeber gelesen und sich
daraus die banalen Standardfragen abgegriffen.


Meine Vorstellung seines Unternehmens wurde mein einer langen
Pause und einem schnöden "Ok" quittiert. Und jetzt die Frage,
auf die ja nie jemand im Gespräch vorbereitet ist: "Stellen Sie
mir doch mal Ihren Lebenslauf vor!". Ok, ich fasse in drei
Sätzen Schulabschluss, meinen Ausflug in die Informatik, die
Bundeswehrzeit und mein mit Diplom abgeschlossenes
BWLer-Studium. Pause. Stille. Ich blicke misstrauisch auf mein
Handydisplay, nein, die Verbindung steht noch.


Mir egal, Stille muss man aushalten. Nach 15 Sekunden ergreife
ich wieder das Wort: "Ich stelle fest, hierzu bestehen keine
Fragen Ihrerseits? Ich gehe dann in meine Berufserfahrung.
Keine Reaktion. Fünf Sekunden später lege ich los.


Ich berichte von meiner Selbstständigkeit, den Problemen, die
man als Schüler hat, einen Gewerbeschein unterschrieben zu
bekommen und wie ich meine Firma 17 Jahre lang, trotz
Rückschlag Bundeswehr am Laufen gehalten habe. Und erwähne,
dass ich mich nun von einem Wunschunternehmen habe von Markt
kaufen lassen - das aber ein ganz anderes Betätigungsfeld hat.
Wieder gute zehn Sekunden Pause (ja, ich zähle mit), kurze
Anmoderation, dass ich nun fortfahre, Einundzwanzig,
Zweiundzwanzig, Dreiundzwanzig.


Also fahre ich fort. Pressearbeit, Pressesprecher, Erfolge,
Herausforderungen. Pause. Ich überlege, ob der Kollege den
Hörer zur Seite gelegt hat und sich ein Frühstücksbrötchen
holt. Hat der Laden eine Kantine? Und wie weit weg die wohl
ist.


Ich gehe nahtlos zur nächsten Position über. Diverse Aufgaben,
Mitarbeit und Projektleitung bei Umstrukturierungen,
Beförderung, Führungsrolle. Stille. Keine Nachfragen. Gut, ich
erkläre schon zu allen ein, zwei Sätze mehr - aber so gar keine
Fragen? Ok, fordern wir ihn mal heraus:


Übergang zu anderem Unternehmen, aber nicht mehr in
Führungsrolle. Ich sage nichts dazu, bete nur stoisch meine
Aufgaben runter, den Karriereplan und die erneute
Führungsebene. Pause. Mir ist noch nie aufgefallen, dass eine
ISDN-Verbindung so rauschen kann, wenn keiner spricht.


Letzte Position vor der Gegenwart: Ich erkläre die Details und
führe zu der Stelle, auf die ich mich beworben habe, Parallelen
und sinnvolle Anknüpfungspunkte. Stille.


Ich habe fertig - wach auf, du helle Kerze am Baum!


Stille.


Ein Räuspern. Eine Danksagung. Wieder Stille. Und dann der
beste Satz ever: Er müsse sich nun klar werden, ob ich nicht zu
viel rede. Ich lege auf, jetzt reicht es endgültig. Sollte der
Kollege bei meinem Gespräch dabei sein, muss ich das auf
Freitagmittag verschieben, da kann er sicherlich nicht.


Kleiner Spoiler: Ich wurde für Freitag eingeladen. 18 Uhr.
Völlig problemlos. Und vor Ort erfahren, er kommt noch dazu.
Nach etwas Wartezeit in den Raum geführt worden - und wenig
später mit meinem potenziell zukünftigen Chef gesprochen. Und
wer kam nicht? Genau... das Genie von einem Personaler. Auch
mein Counterpart musste nach einem kurzen Telefonat beschämt
zugeben, dass der Kollege mittags schon nach Hause gegangen
sei... Für mich ist alles klar... aber wenn ich schon mal da
bin, dann ziehe ich das Gespräch jetzt auch noch durch, ist ja
schon egal, weitere Bewerbungen sind raus, drei andere
Gespräche, die innerhalb weniger Sekunden telefonisch
vereinbart wurden, habe ich schon für die Folgewoche...


Unvergessener Spaß mit HR? Jeder von euch kann sicherlich eine
ähnlich skurrile Geschichte aus den Untiefen des sich selbst
abschaffenden Personalbereich erzählen, stimmts? Ich bin nur
froh, dass ich auch ein paar wirklich gute Personaler kenne...
auch wenn ich die an einer Hand abzählen kann und noch nicht
mal alle Finger dafür brauche...
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