Diyarbakir und die kurdische Identität
Das Kurdenproblem sei gelöst, behauptete der türkische Präsident
Erdogan. Zu Beginn seiner Amtszeit hatte er versprochen, kulturelle
Vielfalt im türkischen Einheitsstaat zuzulassen. Das weckte
Hoffnungen in den kurdischen Gebieten. Die Hoffnungen habe ...
29 Minuten
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Beschreibung
vor 1 Jahr
Das Kurdenproblem sei gelöst, behauptete der türkische Präsident
Erdogan. Zu Beginn seiner Amtszeit hatte er versprochen, kulturelle
Vielfalt im türkischen Einheitsstaat zuzulassen. Das weckte
Hoffnungen in den kurdischen Gebieten. Die Hoffnungen haben sich
zerschlagen. Ergün Ayik sitzt auf einer Bank vor der armenischen
Kirche und lässt seinen melancholischen Blick über die neuen Häuser
der Umgebung schweifen und sagt. «Das ist nicht mehr Diyarbakir.
Sie haben das alte Diyarbakir zerstört». Ayik hat seine
Kindheitsjahre in den engen Altstadtgassen verbracht und ist nun
zurück zur Feier des Ostergottesdienst in der alten Kirche. Das
Gebiet um die Kirche herum war seither Schauplatz eines Kriegs:
Kurdische Aufständische hatten sich im Herbst 2015 in den engen
Gassen verschanzt, die türkische Armee zögerte nicht, schoss aus
Panzern und Helikoptern ins historische Zentrum der
südostanatolischen Millionenstadt. Die Kämpfe haben sich verlagert,
doch ein Teil der Altstadt ist verschwunden. Nach den Kämpfen
folgte eine radikale bauliche Erneuerung, anstelle der engen Gassen
prägen nun breite Flaniermeilen mit Cafés und Souvenirshops die
östliche Hälfte der Altstadt. «Die Sanierung hat politische Ziele»
ist Selma Aslan, die Chefin der Architekturkammer von Diyarbakir
überzeugt. Die Altstadt solle ihre Identität verlieren. Vor genau
hundert Jahren wurde die moderne Türkei als radikaler Einheitsstaat
gegründet. Die damalige kemalistische Elite verfolgte eine strikte
Assimilierungspolitik, darin war kein Platz für kurdische Kultur
oder Sprache. Erdogan trat anfangs dagegen an. Er versprach
Öffnung, suchte sogar den Dialog mit der kurdischen
Untergrundorganisation PKK. Doch das Tauwetter war kurzlebig.
Längst sprechen wieder die Waffen. Und auch jetzt im Wahlkampf
bleibt Erdogan bei seiner nationalistischen Rhetorik. Reportage aus
Diyarbakir im Südosten der Türkei.
Erdogan. Zu Beginn seiner Amtszeit hatte er versprochen, kulturelle
Vielfalt im türkischen Einheitsstaat zuzulassen. Das weckte
Hoffnungen in den kurdischen Gebieten. Die Hoffnungen haben sich
zerschlagen. Ergün Ayik sitzt auf einer Bank vor der armenischen
Kirche und lässt seinen melancholischen Blick über die neuen Häuser
der Umgebung schweifen und sagt. «Das ist nicht mehr Diyarbakir.
Sie haben das alte Diyarbakir zerstört». Ayik hat seine
Kindheitsjahre in den engen Altstadtgassen verbracht und ist nun
zurück zur Feier des Ostergottesdienst in der alten Kirche. Das
Gebiet um die Kirche herum war seither Schauplatz eines Kriegs:
Kurdische Aufständische hatten sich im Herbst 2015 in den engen
Gassen verschanzt, die türkische Armee zögerte nicht, schoss aus
Panzern und Helikoptern ins historische Zentrum der
südostanatolischen Millionenstadt. Die Kämpfe haben sich verlagert,
doch ein Teil der Altstadt ist verschwunden. Nach den Kämpfen
folgte eine radikale bauliche Erneuerung, anstelle der engen Gassen
prägen nun breite Flaniermeilen mit Cafés und Souvenirshops die
östliche Hälfte der Altstadt. «Die Sanierung hat politische Ziele»
ist Selma Aslan, die Chefin der Architekturkammer von Diyarbakir
überzeugt. Die Altstadt solle ihre Identität verlieren. Vor genau
hundert Jahren wurde die moderne Türkei als radikaler Einheitsstaat
gegründet. Die damalige kemalistische Elite verfolgte eine strikte
Assimilierungspolitik, darin war kein Platz für kurdische Kultur
oder Sprache. Erdogan trat anfangs dagegen an. Er versprach
Öffnung, suchte sogar den Dialog mit der kurdischen
Untergrundorganisation PKK. Doch das Tauwetter war kurzlebig.
Längst sprechen wieder die Waffen. Und auch jetzt im Wahlkampf
bleibt Erdogan bei seiner nationalistischen Rhetorik. Reportage aus
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