Industriepolitik: Was ist dran an den neuen (und alten) Argumenten?
55 Minuten
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Beschreibung
vor 1 Jahr
Die Industriepolitik erlebt eine Renaissance, weltweit. Der
Standortwettbewerb wird in den Hintergrund gedrängt. Überall
werden Investitionen gelenkt, finanziell wird gedopt, das Meiste
wird über staatliche Kredite finanziert. Das gilt etwa für die EU
(Net Zero Industry Act), die USA (Inflation Reduction Act) aber
auch für China mit seiner direkt staatlich gesteuerten
Volkswirtschaft. Alle betreiben Industriepolitik, wenn auch mit
einem unterschiedlichen Instrumenten-Mix und verschieden
intensiv. Für die meisten Ökonomen ist Industriepolitik längst
kein Teufelszeug mehr. Die ordnungspolitischen Zeiten haben sich
verändert. Es geht nicht mehr um das „Ob“, sondern nur noch um
das „Wo“, „Wie“ und „Wieviel“. Die Misserfolge der realen
Planwirtschaften scheinen zu verblassen. Ökonomen sind längst
nicht nur alle Keynesianer (Milton Friedman). Der Tag scheint
nicht fern, an dem sie alle auch Industriepolitiker sind. Damit
rennen sie bei Verbänden, Gewerkschaften und der Politik offene
Türen ein. Der effizienzverschlingende Korporatismus blüht.
Das Geschäft der Industriepolitik ist schwierig, für Politiker
wie für Ökonomen. Es fängt bei der Auswahl der zu fördernden
Projekte an. Wer weiß besser was „zukunftsträchtig“ ist,
Unternehmer oder Politiker? Können Experten das Wissensproblem
verringern? Das alles ist unklar. Sicher ist nur: Es bleibt viel
Raum für „rent seeking“. Eine zweite Schwierigkeit entsteht, da
industriepolitische Projekte finanziert werden müssen. Wer kann
es besser, private Kapitalmärkte oder politische
Entscheidungsträger? Ist eine Steuer- der Kreditfinanzierung
vorzuziehen? Welchen Einfluss haben die tieferen Taschen der
Politiker? Werden künftige Generationen belastet? Das alles ist
umstritten. Sicher ist nur: Der Druck auf eine (noch) fexiblere
Schuldenbremse steigt. Schließlich tut sich eine dritte
Schwierigkeit auf. Es werden einige wenige unterstützt und viele
andere belastet. Wie verzerrt das den Wettbewerb auf den Märkten?
Wie stark verteilt die Industriepolitik um? Wird das sozial
akzeptiert? Das alles ist unsicher. Sicher ist nur: Es kommt zu
Verteilungskonflikten.
Reto Föllmi ist Professor für internationale
Wirtschaftsbeziehungen an der Universität St. Gallen, Direktor
des 1943 gegründeten "Schweizerischen Instituts für
Außenwirtschaft und Angewandte Wirtschaftsforschung" an der
Universtität St. Gallen und ab Februar 2024 Prorektor der
Universität St. Gallen.
Norbert Berthold ist Professor (em.) für
Volkswirtschaftslehre, insbesondere Wirtschaftsordnung und
Sozialpolitik an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Er
war an den Universitäten Freiburg, Münster, Hamburg, Düsseldorf
und Würzburg tätig. Norbert Berthold ist Initiator und
Betreiber des Ökonomen-Blogs „Wirtschaftliche Freiheit“ und damit
auch Namensgeber und Initiator dieses Podcasts.
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