#136: Interview mit Eva Marten zu elevida, dem Online-Angebot zur Behandlung von Fatigue bei MS
Eva Marten erklärt, aus welchen Bausteinen elevida besteht und wie
dadurch die Fatigue bei MS-Patienten verbessert werden kann.
Hier geht es zum Blogbeitrag: In Folge 136 beantwortet Eva
Marten meine Fragen zu elevida,...
31 Minuten
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vor 2 Jahren
Eva Marten erklärt, aus welchen Bausteinen elevida besteht
und wie dadurch die Fatigue bei MS-Patienten verbessert
werden kann.
Hier geht es zum Blogbeitrag:
https://ms-perspektive.de/interview-zu-elevida-zur-behandlung-von-fatigue
In Folge 136 beantwortet Eva Marten meine
Fragen zu elevida, dem Online-Angebot zur
Behandlung von Fatigue bei MS. Der
Beitrag gehört zur Themenwoche digitale
Unterstützungsangebote für MS-Patienten.
Du erfährst, was elevida ist, wie das
Programm aufgebaut ist, was überhaupt
eine digitale Gesundheitsanwendung (DiGA)
ist und welche Verbesserung der
chronischen Müdigkeit damit möglich sind.
Inhaltsverzeichnis
Vorstellung
elevida – Online-Angebot zur
Verringerung der Fatigue bei MS
elevida im Einsatz
Abschluss
Vorstellung
Wichtigste berufliche Stationen und
Ausbildung
Psychologie Studium und
ausgebildete Psychologische
Psychotherapeutin und Kinder- und
Jugendlichenpsychotherapeutin (VT =
Verhaltenstherapie)
Nach dem Diplom-Studium nach Lübeck
und dort im jetzigen ZIP (Zentrum für
Integrative Psychiatrie) therapeutisch
und forschend tätig gewesen
Parallel Weiterbildung zur
Verhaltenstherapeutin für Erwachsene
und Kinder am IVAH in Hamburg begonnen
Später ambulante Reha-Maßnahmen
begleitet und in Kinder- und
Jugendpsychiatrie gearbeitet
Seit 2015 bei GAIA: bis 2021 in
Integrierter Versorgung, dann als
Klinische Expertin im DiGA-Team
Außerdem behandle ich in der
Psychologischen Praxis einer Kollegin
auch eigene Patient:innen
Persönliche Motivation für den Beruf
Ich hatte Psychologie schon als
Schulfach und fand es total spannend.
Nach dem Abitur habe ich ein
einjähriges Praktikum in einem Kinder-
und Jugendheim gemacht, um
herauszufinden, ob die Arbeit in einem
helfenden Beruf etwas für mich ist.
Obwohl ich am Anfang vor allem mit
Kindern arbeiten wollte, habe ich
damals gemerkt, dass auch die
Erwachsenen – Eltern und Erzieher:innen
zum Beispiel – dringend Hilfe
benötigen. Ich habe mein Studium also
mit dem Wunsch begonnen, Therapeutin zu
werden und habe ihn mir erfüllt.
Der Job bei GAIA hat mich gereizt, weil
ich während meiner Therapieausbildung
die Erfahrung gemacht habe, dass das
enge organisatorische Korsett der
klassischen ambulanten Psychotherapie
weder für mich noch für meine
Patient:innen immer das passende ist.
Deshalb hat mich das Thema
Online-Programme, schon lange bevor es
DiGA (Digitale Gesundheitsanwendungen)
gab, angesprochen und ich freue mich,
aktiver Teil dieser Entwicklung zu
sein.
Privates
Ich wollte nach dem Studium unbedingt
in den Norden ziehen, um möglichst nah
am Meer zu sein und finde Hamburg
einfach eine traumhaft schöne Stadt zum
leben und arbeiten. Ich verbringe so
viel Zeit wie möglich draußen und auf
dem Wasser, zum Beispiel beim Stand Up
Paddeln. Ich bin glückliche Mama zweier
lebhafter Söhne.
elevida – Online-Angebot zur Verringerung
der Fatigue bei MS
Wie würden Sie elevida kurz und knapp
beschreiben?
elevida ist eine Digitale
Gesundheitsanwendung, also ein
Online-Programm, für Fatigue bei
Multipler Sklerose, das die Symptome
von Fatigue bei MS nachweislich
verringert. Es ist ein zugelassenes
Medizinprodukt, das man von zu Hause
aus jederzeit nutzen kann und das für
jeden sehr leicht zu bedienen ist. Da
es sich bei elevida nicht um eine App
handelt, können Patient:innen das
Programm über einen Internetbrowser
online sowohl über ihren Computer als
auch über ihr Smartphone nutzen.
Patient:innen lernen mit dem Programm
besser mit ihrer Erkrankung umzugehen,
in dem es ihnen hilft, mit neuen Denk-
und Verhaltensmustern auf ihre Symptome
zu reagieren.
elevida besteht aus verschiedenen
Modulen zu unterschiedlichen
Themenfeldern, durch die die
Patient:innen geleitet werden.
Aufgebaut ist das Programm als
virtueller Dialog. Das heißt, dass
elevida kurze therapeutische
Informationen anbietet und Nutzer:innen
aus unterschiedlichen
Antwortmöglichkeiten diejenige
auswählen können, die am besten zu
ihrer Situation passt. Das Programm
geht dann auf diese Antwort empathisch
ein und liefert weitere Informationen,
Tipps oder Übungen.
Nachdem man elevida verschrieben
bekommen und sich registriert hat, kann
man sofort mit dem Programm loslegen –
ganz ohne Wartezeit. Für Patient:innen
ist elevida zuzahlungsfrei, weil die
Kosten von allen gesetzlichen
Krankenkassen und von vielen privaten
Kassen übernommen werden.
Was war die Motivation zum Entwickeln von
elevida?
Wir entwickeln schon seit mehr als 20
Jahren Selbsthilfeprogramme für
Patient:innen und Patientinnen und
haben damit schon vielen tausend
Menschen helfen können. Wenn wir
digitale Therapien entwickeln, stellen
wir immer die Patient:innen in den
Mittelpunkt. Deshalb fragen wir uns zu
Beginn jedes Prozesses, wie wir ihnen
helfen und dazu beitragen können, ihr
Problem zu lösen. Darauf basiert unser
gesamter Prozess, in den Experten aus
unterschiedlichen Bereichen involviert
sind.
So haben wir festgestellt, dass es für
Fatigue bei MS Defizite in der üblichen
medizinischen Versorgung gibt. Bis dato
gab und gibt es keine wirksame
medikamentöse Behandlung. Das war ein
Ansatzpunkt für uns. Denn diese Lücke
wollten wir schließen.
Um Versorgungslücken zu identifizieren
und mehr darüber zu erfahren, ziehen
wir außerdem externe Experten zu Rate
und sprechen mit Wissenschaftlern und
Forschern im universitären Umfeld.
Unsere Firma hat besondere Kompetenzen
im Bereich der digitalen Therapien, die
auf kognitiver Verhaltenstherapie (KVT)
basieren. Deshalb fokussieren wir uns
bei Indikationen, für die wir eine
Behandlung entwickeln vor allem auf
solche, die mit Hilfe
kognitiv-verhaltenstherapeutischer
Techniken behandelt werden können. Bei
Fatigue bei Multipler Sklerose ist das
der Fall – deshalb wird KVT auch in den
aktuellen Leitlinien als eine der
wenigen Behandlungsoptionen empfohlen.
Wer war alles an der Entwicklung von
elevida beteiligt?
An der Entwicklung von elevida waren
viele forschende und praktizierende
Experten aus der Neurologie und
Psychotherapie beteiligt. Nachdem wir
beschlossen hatten, eine digitale
Therapie für Patient:innen mit
Multipler Sklerose und Fatigue
anzubieten, haben medizinische Experten
wie Ärzt:innen und
Psychotherapeut:innen einen
Behandlungsplan erstellt und die
Inhalte von elevida entwickelt. Der
Entwurf, der so entstanden ist, musste
natürlich gründlich validiert und
getestet werden. Nachdem das geschehen
war, haben sich unsere Design- und
Entwicklungsteams an die Arbeit gemacht
und sich darum gekümmert, dass elevida
auf die spezifischen Bedürfnisse der
Patientinnen und Patienten
zugeschnitten wird.
Da wir alle Online-Programme, die bei
uns im Haus entwickelt werden, auch auf
ihre Wirksamkeit prüfen, hat unser
internes Team für klinische Studien in
Zusammenarbeit mit universitären
Partnern, wie dem Universitätsklinikum
in Hamburg Eppendorf, eine sogenannte
randomisiert kontrollierte Studie (RCT)
konzipiert.
Denn nur indem wir umfassende Studien
durchführen, erreichen wir unser Ziel:
Patient:innen, die dringend Zugang zu
evidenzbasierten, wirksamen digitalen
Therapien benötigen, diesen auch zu
verschaffen. Es nützt ja nichts, ein
nur vermeintlich gutes Programm zu
entwickeln, wenn es am Ende gar nicht
wirkt. Die Studie zu elevida hat aber
gezeigt: es wirkt. Denn die Fatigue
konnte bei den Teilnehmer:innen der
Studie durch elevida signifikant, also
bedeutsam, reduziert werden. Weil die
Studienergebnisse schon vorlagen, als
die ersten Online-Programme als DiGA
zugelassen werden konnten, hat elevida
vom Bundesgesundheitsministerium die
Genehmigung bekommen, als
verschreibungsfähiges Medizinprodukt
dauerhaft eingesetzt zu werden.
Welche Verbesserung der chronischen Fatigue
konnten Sie im Durchschnitt messen?
In der klinischen Studie Studie
(Pöttgen J, et al. J Neurol Neurosurg
Psychiatry 2018;0:1–7.
doi:10.1136/jnnp-2017-317463), die wir
gemeinsam mit Expert:innen des
Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf
durchgeführt haben, zeigte sich, dass
bei Patient:innen, die zusätzlich zu
einer sonst üblichen Behandlung elevida
genutzt haben, die Fatigue deutlich
stärker abgenommen hatte als bei
Patient:innen, die nur die sonst
übliche Behandlung erhielten.
Nach 12 Wochen elevida haben sich die
Beschwerden, die durch die Fatigue
verursacht werden, signifikant
reduziert. Da Fatigue-Symptome objektiv
nicht zu messen sind, wurde die
Beurteilung mittels einer
Selbsteinschätzung der Patient:innen
vorgenommen. Die Mittelwerte der
elevida- und der Kontrollgruppe
unterschieden sich um 2,74 Punkte
zugunsten von elevida.
Weitere eingesetzte Fragebogen zur
Erfassung der Fatigue-Symptomatik
bestätigten dieses Ergebnisse. Der
Effekt war stabil mit recht ähnlichen
Werten in einer Follow-up-Messung nach
24 Wochen.
elevida im Einsatz
Welche Faktoren führen zu einer chronischen
Müdigkeit und welche davon können mit Hilfe
von elevida positiv beeinflusst werden?
Es sind ganz unterschiedliche Faktoren,
die zur Fatigue führen können. Nicht
alle können wir aktiv beeinflussen oder
bewusst wahrnehmen. Einige aber schon.
Nämlich unsere Verhaltensweisen,
Gedanken und Gefühle und sogar unsere
Physiologie. Diese vier Faktoren
beeinflussen sich auch gegenseitig und
können wiederum ebenfalls durch
Umwelteinflüsse verstärkt werden.
Auf diese Aspekte stützt sich auch die
Arbeit mit elevida. Deshalb beantworten
die Patient:innen im Programm am Anfang
Fragen zu ihren Gedanken, Gefühlen,
ihrem Verhalten und ihren
Körperempfindungen, die mit Fatigue in
Zusammenhang stehen. Auf Basis der
Antworten erstellt elevida mit dem
Nutzer oder der Nutzerin ein
individuelles Fatigue-Modell, das all
diese Faktoren berücksichtigt und macht
Vorschläge, wie man an diesen Punkten
ansetzen kann, um die Fatigue zu
verbessern.
Für wen ist das Angebot geeignet und für
wen nicht?
Alle, die älter als 18 Jahre sind, MS
haben und außerdem Fatigue-Symptome,
können elevida nutzen. Es gibt dabei
auch eine große Anzahl an älteren
Patient:innen, die elevida gerne und
erfolgreich verwenden. Wir haben das
Programm extra so konzipiert, dass es
sehr unkompliziert zu benutzen ist und
sich u.a. vom Zeitaufwand auf die
nutzende Person einstellt. Man braucht
nur ein internetfähiges Gerät und kann
dann ganz einfach online das Programm
bedienen. Nicht verwenden sollten das
Programm Menschen, die eine
Schizophrenie, akute vorübergehende
psychotische Störungen, schizoaffektive
Störungen oder bipolare affektive
Störungen haben.
Wieso haben Sie sich für eine
Gesprächsführung durch die elevida
Anwendung entschieden?
Rund 80 Prozent
(https://www.nationalmssociety.org/Symptoms-Diagnosis/MS-Symptoms/Fatigue (zuletzt
abgerufen am 28.03.22)) der Menschen
mit MS sind im Laufe ihrer Erkrankung
auch von Fatigue betroffen. Trotzdem
ist Fatigue ein Symptom, das oft nicht
behandelt wird. Das hat mehrere Gründe.
Zum einen gibt es bisher keine
medikamentöse Therapie gegen Fatigue.
Zum anderen sind andere Therapien wie
psychotherapeutische
Behandlungsmöglichkeiten nur schwer
zugänglich für viele Menschen mit
Fatigue.
Laut aktueller Leitlinien ist die
kognitive Verhaltenstherapie (KVT) eine
wirksame Behandlungsoption bei MS
Fatigue. Leider ist das klassische
psychotherapeutische Setting aber für
viele Menschen mit MS nicht ideal –
weil sie beispielsweise während eines
Schubes das Haus nicht verlassen oder
sich aufgrund der Fatigue nicht lange
genug konzentrieren können. Außerdem
gibt es nur wenige Therapeut:innen, die
sich gut mit diesem Thema auskennen.
Deshalb haben wir elevida entwickelt,
um MS-Patient:innen mit Fatigue eine
wirksame verhaltenstherapeutische
Behandlung an die Hand zu geben, die
sicher, effektiv sowie leicht
zugänglich ist und zudem flexibel
genutzt werden kann.
Um die Wirksamkeit dieser Behandlung zu
maximieren, konzentrieren wir uns auf
die Kernfunktion: Die Gesprächsführung
in elevida simuliert den Dialog mit
einem echten Gegenüber. So vermittelt
elevida wichtige Informationen zur
Fatigue und hilfreiche Übungen im
Umgang damit – eben wie ein echter
Therapeut oder eine Therapeutin es tun
würde. Auf zusätzlichen Schnickschnack
verzichten wir ganz bewusst, damit man
sich ganz auf dieses virtuelle Gespräch
konzentriert und darauf einlassen kann.
Welche Bausteine gibt es noch neben den
Fragen?
elevida besteht, wie schon erwähnt, aus
einem dynamischen Dialog, den die
Nutzer:innen mit dem Programm führen.
Darin bekommen sie viele Informationen
und Tipps, die auf Menschen mit
MS-Fatigue zugeschnitten sind, können
Audios anhören und werden durch
therapeutische Übungen geführt. Daneben
verfügt elevida noch über eine Reihe
anderer Funktionen.
Die Nutzer:innen erhalten
beispielsweise zusätzliche Inhalte und
Unterstützung per E-Mail oder SMS.
Diese sollen sie zur weiteren Nutzung
von elevida motivieren. Denn es ist
erwiesen, dass die Wirksamkeit
internetgestützter Therapien erhöht
wird, wenn zusätzliche
Kommunikationsmethoden zum Einsatz
kommen (Webb, Thomas L., Judith Joseph,
Lucy Yardley, und Susan Michie. „Using
the Internet to Promote Health Behavior
Change: A Systematic Review and
Meta-Analysis of the Impact of
Theoretical Basis, Use of Behavior
Change Techniques, and Mode of Delivery
on Efficacy“. Journal of Medical
Internet Research 12, Nr. 1 (17.
Februar 2010):
e4. https://doi.org/10.2196/jmir.1376.).
Außerdem haben die Patient:innen die
Möglichkeit, sich selbst zu überprüfen
im Hinblick auf ihr Fitnesslevel sowie
die eigene Aufmerksamkeit gegenüber der
Fatigue und ob beziehungsweise wie sich
ihr Umgang mit Fatigue verändert hat.
Diese Entwicklung und seine eigenen
Fortschritte im Blick zu behalten, kann
ebenfalls unheimlich motivierend sein.
Natürlich kann das Programm jederzeit
unterbrochen werden. Es fährt dann an
genau der Stelle wieder fort, an der
man zuletzt gewesen ist. So muss man
sich nicht merken, wo man aufgehört
hat. Zusätzlich dazu werden die
Nutzer:innen auch regelmäßig daran
erinnert, Pausen einzulegen. Damit
möchten wir gewährleisten, dass
Menschen mit Fatigue sich mit der
Arbeit im Programm nicht überfordern
und sie das Erlernte auch zwischendurch
einfach einmal sacken lassen können.
Wie viel aktive Teilnahme ist von
MS-Patienten nötig, um einen Erfolg zu
erzielen?
Wir empfehlen, dass elevida ein bis
zwei Mal wöchentlich für mindestens 30
Minuten genutzt wird, um spürbare
Verbesserungen zu erzielen. Dabei
sollte man sich tatsächlich die Zeit
nehmen, sich eine Umgebung aussuchen,
in der man ungestört mit dem Programm
arbeiten und es intensiv nutzen kann.
Im Endeffekt bleibt es aber natürlich
jedem und jeder selbst überlassen, wie
intensiv und wie oft er oder sie mit
elevida arbeiten möchte. Es gibt auch
Patient:innen, die täglich mit dem
Programm arbeiten, weil sie es als eine
wertvolle Unterstützung im Alltag
empfinden und elevida sie motiviert, an
ihrer Symptomatik zu arbeiten.
Welches Feedback erhalten Sie von den
Nutzern der Anwendung?
Insgesamt bekommen wir sehr viel
positives Feedback zu elevida. Wir
freuen uns immer, wenn uns Nutzer und
Nutzerinnen E-Mails schicken und
schildern, wie die Tipps und Übungen in
elevida ihnen geholfen haben.
Natürlich gibt es auch Menschen, gerade
langjährig Erkrankte, die nicht mehr
ganz so viel Neues daraus mitnehmen und
für die vieles Wiederholung ist. Was
nicht heißt, dass sie nicht auch von
elevida profitieren können. Besonders
hilfreich ist elevida für Menschen, die
vielleicht erst vor Kurzem die Diagnose
MS bekommen haben oder aktuell ganz
akut unter Fatigue-Symptomen leiden.
Warum ist eine Verschreibung auf 90 Tage
angelegt? Und für wen macht es Sinn, eine
zweite Verschreibung für weitere 90 Tage zu
beantragen?
Von Seiten des
Bundesgesundheitsministeriums wurde für
alle DiGA, unabhängig davon, welche
Nutzungsdauer empfohlen wird, eine
Verordnungsdauer von jeweils 90 Tagen
festgelegt – äquivalent zur Verordnung
von Medikamenten.
Während der Verordnungsdauer und ab dem
Zeitpunkt, ab dem sich Nutzer:innen zum
ersten Mal für elevida registrieren,
kann das Programm also für 90 Tage
genutzt werden. Für diejenigen, die
davon profitieren und um Effekte zu
stabilisieren, empfehlen wir eine
Nutzungsdauer von 180 Tagen, d.h. das
Programm muss zwei Mal verordnet
werden. Diese Nutzungsdauer haben wir
übrigens auch in der Wirksamkeitsstudie
untersucht.
Können Sie etwas zu den langfristigen
Auswirkungen sagen?
In der gerade erwähnten Studie konnte
bereits nachgewiesen werden, dass die
Fatigue-Symptome durch elevida nach 12
Wochen signifikant reduziert werden und
auch nach noch 24 Wochen stabile
Effekte sichtbar sind. Aktuell läuft
eine Anwendungsstudie in großen
neurologischen Praxen, die sich den
Verlauf “in der echten Welt” über zwei
Jahre anschaut. Dann können wir mehr
dazu sagen.
In jedem Fall ist es so: elevida
basiert auf den Methoden der kognitiven
Verhaltenstherapie. Dabei sollen die
Nutzer:innen lernen, sich selbst zu
beobachten, Probleme und negative
Denkmuster zu identifizieren und
alternative Lösungsansätze zu
entwickeln. Ziel dieser Therapieform
ist es nicht, kurzfristig Besserung zu
erreichen, sondern sein Leben
langfristig so zu gestalten, dass mit
auftauchenden Problemen und
Anforderungen besser umgegangen werden
kann. Wenn jemand von elevida gut
profitiert, wendet er die neu erlernten
Denk- und Verhaltensstrategien nicht
nur während der Nutzungsdauer an,
sondern kann sie idealerweise für immer
fest in seinen Alltag integrieren.
Wie werden persönliche Daten gesichert?
Wir wissen natürlich, dass die
Datensicherheit grundsätzlich, aber vor
allem bei Medizinprodukten, besonders
wichtig ist. Denn immerhin geht es hier
um sensible Gesundheitsdaten. Deshalb
müssen dauerhaft gelistete DiGA und
damit natürlich auch elevida der
europäischen
Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO)
entsprechen und strenge gesetzliche
Vorschriften erfüllen – auch in Bezug
auf Datensicherheit. Deshalb nutzen wir
auch Server, die sich in einem ISO
27001-zertifizierten Rechenzentrum in
Deutschland befinden.
Über den Datenschutz haben wir uns bei
der Entwicklung von elevida natürlich
ausführlich Gedanken gemacht. Das ist
der Grund, weshalb elevida
ausschließlich als browserbasierte
Anwendung und nicht über App-Stores
verfügbar ist. Dadurch wird verhindert,
dass Anbieter der App-Stores über
Nutzerdaten Rückschlüsse auf
Erkrankungen ziehen können, indem sie
erfassen, ob und wie elevida verwendet
wird.
Wir wollen, dass alle, die elevida
nutzen, dabei ein gutes Gefühl haben.
Deshalb fragen wir so wenige Daten wie
möglich ab. So können sich Nutzer:innen
anonym anmelden. Dafür brauchen sie nur
eine E-Mail Adresse. Im Programm selbst
müssen sie nicht ihren Klarnamen
nutzen, sondern können auch ein
Pseudonym verwenden.
Was müssen interessierte MS-Patienten tun,
wenn sie an elevida interessiert sind?
Die gesetzlichen Krankenkassen
übernehmen die Kosten für elevida.
Deshalb steht an erster Stelle das
Rezept, das interessierte Nutzer:innen
von ihrem Arzt, ihrer Ärztin oder
Psychotherapeut:in erhalten. Auf
elevida.de kann ein Informationsblatt
für Behandler:innen heruntergeladen
werden, das man zum nächsten Termin
mitnehmen kann. Das Rezept müssen die
Patient:innen dann an ihre Krankenkasse
weiterleiten. Das funktioniert entweder
postalisch oder auf elektronischem Weg.
Daraufhin sendet die Krankenkasse ihrem
Mitglied einen 16-stelligen
Freischaltcode, der auf der Webseite
eingegeben werden kann. Nach der
Registrierung kann elevida dann 90 Tage
genutzt werden.
Um das Programm insgesamt 180 Tage
nutzen zu können, muss man es sich ein
zweites Mal verschreiben lassen. Die
Module, die bis dahin bereits
absolviert wurden, bleiben natürlich
erhalten, sodass man nicht noch einmal
von vorne beginnen muss. Auch
Privatpatient:innen haben die
Möglichkeit, elevida zu nutzen. Dafür
müssen Menschen, die Interesse an
elevida haben, einen Kostenvoranschlag
bei ihrer Krankenkasse einreichen, die
dann darüber entscheidet, ob sie die
Kosten übernimmt. Wenn das der Fall
ist, können uns die Nutzer:innen die
Bestätigung der Kostenübernahme
zukommen lassen und wir senden ihnen
einen Zugangslink zum Programm per
E-Mail.
Abschluss
Welchen Durchbruch für die Behandlung der
MS wünschen Sie sich in den kommenden 5
Jahren?
Ich hoffe auf mehr supportive Programme
speziell für MS-Betroffene, für die
eine klassische ambulante
Psychotherapie eben oft nicht passend
ist. Wir haben zum Beispiel neben
elevida noch ein weiteres Programm
entwickelt, das auf Menschen mit MS
zugeschnitten ist, die zusätzlich an
einer Depression leiden. Ich bin
sicher, es wird zukünftig noch viel
mehr in dieser Richtung geben und halte
das für einen wichtigen Baustein im
Behandlungspaket für MS-Betroffene.
Ich bin außerdem davon überzeugt, dass
die Digitalisierung das
Gesundheitswesen nicht nur für
MS-Patient:innen, sondern generell
weiter verändern wird. Digitale
Gesundheitslösungen werden sich
etablieren und das Leben von
Patient:inn als Alltagshelfer
erleichtern. Online-Programme haben das
Potenzial, Behandlungen zukünftig noch
stärker zu unterstützen und zu
verbessern. Ich wünsche mir, dass DiGA
ein ganz normaler Teil der
medizinischen Versorgung und so
selbstverständlich werden wie ein
Arztbesuch.
Ich glaube, wenn medizinische und
andere therapeutische
Behandlungsansätze – auch neue,
digitale – Hand in Hand gehen, können
wir wirklich viel erreichen!
Möchten Sie den Hörerinnen und Hörern noch
etwas mit auf dem Weg geben?
Ja, tatsächlich noch etwas
Persönliches. Ich weiß, dass man das
nicht vergleichen kann mit einer
chronischen Erkrankung wie Fatigue bei
MS, aber ich habe mich vor Kurzem mit
Covid infiziert und erstmals in meinem
Leben Symptome einer übermäßigen
Erschöpfung erlebt, wie ich es bisher
nur von Patient:innen kannte. Egal, wie
viel ich geschlafen habe, ich war
völlig kaputt, zum Beispiel nach dem
Gang vom Bett zur Küche. Als das über
mehrere Tage anhielt, wurde ich fast
panisch, weil ich Angst hatte, es würde
nie wieder besser werden.
Ich zog mich stark zurück und traute
mir immer weniger zu. Und woran habe
ich gedacht in meinem Elend?
An elevida! Mir
fiel wieder ein, was sich wie ein roter
Faden durch das Programm zieht, nämlich
wie wichtig die richtige Balance aus
Belastung und Ruhe ist. Und welchen
Einfluss positives Denken haben kann.
Also habe ich beschlossen, auf das
Beste zu hoffen (Ich bekomme kein Long
Covid – basta!) und angefangen, mich
wieder kleineren Belastungen, wie etwas
Hausarbeit und täglichen Spaziergängen
auszusetzen, wann immer es halbwegs
möglich war. Sobald ich müde wurde,
habe ich mich wieder ausgeruht,
teilweise für Stunden. Schritt für
Schritt konnte ich so über mehrere
Wochen fast wieder in meinen gewohnten
Alltag zurückkehren.
Damit möchte ich allen MS-Betroffenen
Mut machen! Fatigue ist ein heftiges
Symptom und kann das Leben radikal
einschränken, keine Frage. Es gibt aber
wirklich viele Tipps und Möglichkeiten,
mit dieser Müdigkeit so umzugehen, dass
die schönen Momente wieder deutlich
häufiger werden. Genau diese Tipps
stecken in elevida.
Vielen Dank an Eva Marten für das
geführte Interview.
Ich wünsche Dir bestmögliche
Gesundheit,
Nele
Mehr Informationen rund um das Thema MS
erhältst du in
meinem kostenlosen
MS-Letter.
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