#133: Interview mit dem MS-Patienten und Autoren von Alex Blog

#133: Interview mit dem MS-Patienten und Autoren von Alex Blog

Heute interviewe ich den MS-Patienten und gleichnamigen Autoren von Alex Blog, der auch aufgrund der Erkrankung zu sich selbst gefunden hat.   Hier geht es zum Blogbeitrag:   Diesmal habe ich Alex zu Gast im Interview. Er...
41 Minuten

Beschreibung

vor 2 Jahren



Heute interviewe ich den MS-Patienten und gleichnamigen
Autoren von Alex Blog, der auch aufgrund der Erkrankung zu
sich selbst gefunden hat.


 


Hier geht es zum Blogbeitrag:
https://ms-perspektive.de/interview-mit-dem-ms-patienten-und-autoren-von-alex-blog


 
















Diesmal habe ich Alex zu Gast im
Interview. Er erhielt 2014 die Diagnose
Multiple Sklerose, ca. 12 Jahre nach
einem ersten deutlichen Schub, einer
halbseitigen Lähmung. Wir sprechen über
seine Texte, die bei
der DMSG
Niedersachen auf Alex’
Blog erschienen sind. Sie decken
insgesamt vier Jahre ab, in denen er
seinen Weg mit der Erkrankung und zu sich
selbst gefunden hat. Heute ist Alex sehr
reflektiert und hat sich gelöst davon
immer etwas zu „müssen“ hin zu „ich
darf“. Auf Alex’
Blog lernst Du die
Geschichte eines Mannes von tausend
Gesichtern der MS kennen. Und ob diese
Geschichte interessant für Dich ist,
findest Du im Beitrag heraus.















 















Inhaltsverzeichnis





Vorstellung




Diagnose und aktueller Status




Alex’ Blog




Tipps




Wünsche und Ziele




Blitzlicht-Runde




Verabschiedung


















Vorstellung





Ich bin Alexander Gottschalk, 39 Jahre
alt und stamme ursprünglich aus
Magdeburg. Beruflich bin ich nach
Hannover gegangen und heute sehr aktiv
bei der DMSG Niedersachsen. Mittlerweile
bin ich Autor von dem Blog: „Ich, mein
Freund. Mein Weg zu mir selbst unter
erschwerten Bedingungen.“ Im Blog geht es
um meinen Weg. Wie ich gelernt habe mich
selbst neu wahrzunehmen und mit der MS
anzufreunden und wie ich mir neue
Sichtweisen auf die Welt und die Menschen
erarbeitet habe.

Die MS hat einen unglaublichen
Entwicklungsschub bei mir ausgelöst und
mir ermöglicht, mich selbst neu zu
entdecken, nachdem ich viele, viele
vermeintliche Verluste hinnehmen
musste.


In den Artikeln arbeite ich mit vielen
Sprachbildern, die ich aufgrund meiner
Erfahrungen hoffentlich auch für andere
verständlich in Szene setzen kann. Das
Schreiben über meine Erfahrungen hilft
mir, das Fortschreiten der Krankheit
selbst zu verarbeiten. Ich beginne
dabei natürlich am Anfang, als es mir
sehr schlecht ging bzw. ich mir Fragen
stellte, die ich nicht befriedigend
beantworten konnte.


Das Ganze entwickelt sich vor allem
durch die Unterstützung meiner
Therapeuten und meinem Durst nach
Wissen. Es geht darum sich nicht selbst
aufzugeben, Möglichkeiten in diesem
jungfräulichen Neuland der Krankheit zu
entdecken, die bisherige Erfahrungen
nicht in der Lage waren, abzudecken.
















Diagnose und aktueller Status




Seit wann hast du die Diagnose und was war
der Anlass für die Diagnose?






Die endgültige Diagnose erhielt ich
2014, als
die Fatigue überhandnahm,
und ich mich immer mehr in mich selbst
zurückzog.
















Wie hast Du die Diagnose aufgefasst? Und
wie war es für Dein Umfeld?






Ich war froh, dem an mir zerrenden Kind
einen Namen geben zu können, hatte auch
Unterstützung von meiner damaligen
Frau. Von Anfang bin ich sehr offen
damit umgegangen. Mein Arbeitgeber und
meine Familie waren natürlich
betroffen. Allerdings stieß ich nur
selten auf Verständnis. Es fiel mir
damals sehr schwer, meine
Eigenartigkeiten zu erklären. Ich
wusste ja selber noch nicht sehr viel
über die Krankheit und schon gar nicht
über mich selbst.






Wie geht es Dir aktuell mit der MS?






So lala, es gibt solche und solche
Tage. Ich bin froh, dass ich mich auf
die Suche nach mir selbst begeben habe,
somit kann ich sehr viel besser mit
meinen Körperlichkeiten und
Erschöpfungszuständen umgehen. Jede
Krankheit beginnt bekanntlich im Kopf
und durch meine Beschäftigung mit mir
selbst ist die MS nicht mehr so sehr
wirksam hinsichtlich Selbstmitleid und
Rückzug.


Es gibt natürlich Tage, da haben die
Einschränkungen, speziell die Fatigue,
prägende und einnehmende Qualität. Aber
das kann ich mittlerweile zulassen,
ohne daran zu verzweifeln.






Welche Behandlung wurde Dir zu Beginn der
Diagnose empfohlen und bist Du der
Empfehlung gefolgt?






Tecfidera, ja ich bin der Empfehlung
gefolgt. Ich bin selber kein Arzt und
trotz aller vergangenen Widrigkeiten
habe ich immer ein großes Urvertrauen
gegenüber Fachleuten gehabt und habe es
immer noch. Die Frage ist ja auch, was
wäre, wenn ich keine Medikamente nehmen
würde, wie würde es dir dann jetzt
gehen?






Hast Du im Laufe der Zeit Erfahrungen mit
verschiedenen verlaufsmodifizierenden
Therapien gemacht?






Ja habe ich, Gilenya und aktuell
Ocrevus, muss aber dazu sagen, dass ich
diese Medikamente gar nicht merke, so
soll das wohl auch sein, nur bei
Tecfidera am Anfang hatte ich die
bekannten Flushs.






Warst Du bei einer oder mehreren
Reha-Maßnahmen wegen der MS?






Ja, ich habe mittlerweile zwei Rehas
gemacht. Nach der Ersten wurde ich
gefragt, ob ich denn Therapeut oder
Patient wäre. Das hat also wirklich was
gebracht! Na ja und nach der zweiten
war die Krankheit bereits so
fortgeschritten, dass ich danach zum
Rentner wurde. Glücklicherweise, darf
ich sagen.






Welche symptomatischen Therapieangebote
nutzt Du und wie zufrieden bist Du damit?






Physiotherapie, Ergotherapie,
Psychotherapie, Logotherapie und zu
Hause mache ich auch noch ein bisschen.
Habe zwischenzeitlich auch mal
Funktionstraining gemacht, aber das
wurde mir ziemlich schnell einfach zu
anstrengend. Danach war immer der ganze
Tag vorbei weil Akku leer. Die ersten
vier Sachen reichen mir durchaus,
machen Spaß, geben ein wenig Struktur,
sind aber auch anspruchsvoll


Besonders die Psychotherapie will ich
nicht mehr missen, das hilft mir meine
Depression aufzulösen und mich nun
nicht weiter geistig und substanziell
selbst zu vergiften.






Wie versuchst Du, auf den Verlauf der MS
Einfluss zu nehmen?






Indem ich lerne, mit ihr umzugehen. Ich
halte nicht viel davon mir viele
verschiedene Mittelchen reinzutun und
mich an jeden
Nahrungsergänzungsstrohhalm zu klammern
und zu hoffen. Mich selbst bewusst
wahrnehmen und auf mich hören, ist sehr
viel mehr wert, finde ich. Hilfe und
Hilfsmittel annehmen und
entschleunigen. Wenig Stress und öfter
Neinsagen hilft ungemein.






Alex’ Blog




Wie kamst Du auf die Idee, Deine Gedanken
und Gefühle aufzuschreiben?






Als ich meinen Schwerbehindertenausweis
beantragt hatte, habe ich einen
Widerspruch einlegen müssen, weil ich
mit dem Ergebnis des Antrags nicht
zufrieden war. Ich hatte damals
ursprünglich 30 GdB bekommen, aber auch
damals schon fühlte ich mich nicht
richtig eingestuft und somit habe ich
einen Widerspruch geschrieben. Damit
fing alles an und irgendwie, ich weiß
nicht genau, habe ich dann immer mal
wieder was geschrieben. Ja und dann
verselbstständigte sich das und ich
musste einfach schreiben, auch weil ich
gemerkt habe, dass ich nach jedem Text
ruhiger wurde.






Welche Rolle spielen die MS und die
dazugehörigen Symptome in Deinen Beiträgen
auf Alex’ Blog?






Nun, beides sind natürlich Grundlage
für meine Gedanken und Überlegungen.
Ich bin beruflich geprägt Probleme zu
lösen, so als Speditionskaufmann.
Früher waren es Transport und
Logistikprobleme. Das hilft mir
wirklich sehr, denn irgendwie muss ich
ja mit dem, was ich habe,
energiesparend umgehen. Jetzt, nach ca.
dreieinhalb Jahren habe ich meinen
Alltag entsprechend neu reglementiert,
eben so dass die MS und deren Symptome
nicht allzu sehr im Vordergrund stehen.






Waren die Texte von Anfang an für alle
lesbar oder wie hat sich das Projekt "Alex’
Blog" entwickelt?






Nein, es hat eine ganze Weile gedauert,
bis ich mich überhaupt einer
Selbsthilfegruppe angeschlossen habe,
der DMSG. Und die Oberindianer dort
gaben mir die Möglichkeit, meine Texte
zu veröffentlichen, nachdem sie einige
gelesen hatten. Erst gab es nur die
Texte an sich, sie wurden gleich
veröffentlicht, nachdem ich sie
eingereicht habe. Und nun gibt es
mittlerweile vertonte Texte, also
einige, nicht alle, die nach und nach
auf einer neueren professionell
erstellten Seite veröffentlicht werden.
Daran waren zwei Leute von der DMSG,
eine Grafikerin, ein IT’ler, der
professionelle Sprecher und natürlich
ich beteiligt.






Welche Rückmeldungen bekommst Du zu Deinen
Texten?






Durchweg positive, die ersten Texte
sind natürlich ein wenig finster. Da
haben die Leute vielleicht aus
Verständnislosigkeit nach dem Sinn
meiner Unternehmung gesucht. Ich habe
überlegt ob ich vielleicht irgendwo in
der Mitte meiner Entwicklung anfange.
Also mit einem Text und wo man sieht,
dass es mit mir bergauf geht. Aber das
finstere Vorher gehört eben auch dazu.
Bei manchen Texten wurde geweint, bei
anderen gelacht und oft blieb das
Lachen im Halse stecken. Mir wurde
gesagt, dass eine Entwicklung auch in
meinem Schreibstil erkennbar ist.






Über welchen Zeitraum Deines Lebens
erstrecken sich die Texte auf Alex’ Blog
und hast Du vor ein festes Ende zu setzen?






Es beginnt mit meinem Widerspruch gegen
das Sozialamt im Februar 2019. Es soll
ein festes Ende geben, geplant ist das
für dieses Jahr. Wann genau und ob
überhaupt, ich mache mir da selbst
keine Auflage. Ich lasse mir
mittlerweile Zeit beim Schreiben und
auch beim Einordnen meiner Erfahrungen.
Es ist, glaube ich kein klassischer
Blog im Sinne von Tagebuch, sondern ein
Erfahrungsbericht, wenn man so will.
Schon gar kein Ratgeber, eher eine
Sammlung von Geschichten, die zufällig
was mit MS zu tun haben.






Was haben die Texte mit Dir selbst gemacht?







Tja, das klingt jetzt bestimmt
irgendwie komisch, aber sie haben
mich reifer werden lassen.
Gelassener. Ich verfluche mich nicht
mehr sondern kokettiere mit meinen
vermeintlichen Unzulänglichkeiten,
ich nenne sie auch Special Effects.







Wie hast Du Dich im Laufe der Zeit
verändert und worauf bist Du besonders
stolz?







Ich bin sehr viel aufmerksamer mir
selbst gegenüber geworden. Und auch
unsere Mitwelt nehme ich viel
differenzierter wahr. Ich schaue auf
das, was ist und nicht, was sein
sollte oder sein müsste. Am meisten
bin ich darauf stolz mich selbst
nicht mehr so ernst zu nehmen, fünf
auch mal gerade sein lassen zu können
und mich selbst nicht mehr so unter
Druck zu setzen. Die Erkenntnis, dass
ich nicht muss, sondern darf.







Tipps




Was war dein tiefster Tiefpunkt mit der MS
und wie hast du dich wieder empor gekämpft?







Ganz klar, meine Scheidung. Der
Verlust von Haus und Hof, und die
plötzliche Erkenntnis, dass ich nicht
mehr so belastbar bin, wie es früher
der Fall gewesen ist. Es hat eine
Weile gedauert, aber meine Strategie
weg von der Lethargie hin zu mehr
Spaß war und ist das genaue Hinsehen
und Hinfühlen auch und gerade in
unangenehmen Situationen. Das schafft
Verständnis und Wissen, härtet ein
wenig ab, zeigt Möglichkeiten auf und
macht vor allem flexibel.







Wie lange hat es gedauert bis Du wieder
freundlicher auf die Welt schauen konntest?







Dezember 2020 bis hin zu Neujahr
2021. Also knapp zwei Jahre nachdem
ich mit der Schreiberei angefangen
habe, sechs Jahre nach meiner
endgültigen Diagnose und 19 Jahre
nach meinem ersten Schub bei dem ich
als Azubi halbseitig gelähmt war. Ich
hatte 11-12 Jahre keine gravierenden
Symptome also auch keinen Grund, mich
so intensiv mit mir zu beschäftigen.







Wünsche und Ziele




Gibt es einen großen unerfüllten Wunsch?







Na klar! Gesehen und angenommen
werden!! Als der Mensch, der ich
heute bin. Geborgenheit, Nähe,
Zugewandtheit, Trost, eine Freundin.







Welche Entwicklung wünschst du Dir im
Bereich der MS in den kommenden 5 Jahren?







Ich bin generell sehr vorsichtig mit
Wünschen. Am Ende kriegt man auch
noch, was man sich vorstellt.
Natürlich möchte ich, dass ein
Mittelchen gegen die MS gefunden
wird, welches alle Narben
zurückbildet und Symptome
verschwinden lässt. Mich irgendwie
wieder der werden lässt, der ich mal
war.







Blitzlicht-Runde




Was war der beste Ratschlag, den du jemals
erhalten hast?







Trau dich und guck mal ein bisschen
genauer hin.







Wie lautet dein aktuelles Lebensmotto?







Da gibt es einige. Wer sich Sorgen
macht, leidet zweimal, ist wohl der
aktuell Prägnanteste.


Und: Das größte Geschenk an die
Zukunft ist, der Gegenwart alles zu
geben.







Mit welcher Person würdest du gern einmal
ein Kamingespräch führen und zu welchem
Thema?







Mit mir selbst vor 20 Jahren. Thema:
Was ist das Leben?







 Vervollständige den Satz: „Für mich
ist die Multiple Sklerose... “







…der Beginn meines zweiten Lebens.







Welche Internet-Seite kannst du zum Thema
MS empfehlen?







Puh, das Forum der Amsel ansonsten
die DMSG-Seiten. Ich selbst meide
sowas aber und konzentriere mich auf
meine Therapien und mich selbst.







Welches Buch oder Hörbuch, das du kürzlich
gelesen hast, kannst du uns empfehlen und
worum geht es darin?







Die
Brautprinzessin von
William Goldman. Das ist ein Märchen
für Erwachsene, es geht natürlich um
Liebe. Sehr fantasievoll,
sprachgewandt und einfach schön.







Verabschiedung




Hast du einen Tipp, den Du Deinem jüngeren
Ich geben würdest, für den Zeitpunkt der
Diagnose?







Fliehe bloß nicht wieder in
irgendwelche Süchte. Such dir gleich
Hilfe und stell dich deinen Dämonen.







Möchtest du den Hörerinnen und Hörern noch
etwas mit auf dem Weg geben?







Das Gleiche, was ich mir selber sagen
würde, steck den Kopf nicht in den
Sand. Du kriegst alle Hilfe, die Du
willst, wenn Du es zulässt. Und vor
allem, du bist nicht allein!







Wo findet man dich im Internet?







Bei der DMSG Niedersachsen gibt es
eine Sparte „junge DMSG“. Da
ist Alex‘
Blog zu finden.








 

















Vielen Dank, liebe für Deinen offenen
Einblicke, gerade auch in die schweren
und dunklen Seiten Deines Lebens und
toll, wie Du es geschafft hast Dich
wieder herauszukämpfen. Weiterhin alles
Gute auf Deinem Weg.


Bis bald und mach das beste aus Deinem
Leben,
Nele


Mehr Informationen und positive
Gedanken erhältst Du in
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Newsletter.


Hier findest Du
eine Übersicht zu allen
bisher interviewten
MS-Patienten.













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