#129 - Interview mit Prof. Dr. Dr. Henri-Jacques Delecluse vom DKFZ zum Ist-Stand der EBV-Impfstoffentwicklung
Willkommen zu Folge #129 vom MS-Perspektive-Podcast. Heute begrüße
ich Prof. Dr. Dr. Henri-Jacques Delecluse vom als Gast
im Interview. Wir sprechen über die Bedeutung des für
die Entwicklung verschiedener Krebsarten, aber...
52 Minuten
Podcast
Podcaster
Beschreibung
vor 2 Jahren
Willkommen zu Folge #129 vom
MS-Perspektive-Podcast. Heute begrüße ich
Prof. Dr. Dr. Henri-Jacques Delecluse
vom Deutschen
Krebsforschungszentrum (DKFZ) in
Heidelberg als Gast im
Interview. Wir sprechen über die
Bedeutung
des Epstein-Barr-Virus
(EBV) für die Entwicklung
verschiedener Krebsarten, aber auch der
Multiplen Sklerose. Von einer
erfolgreichen Impfung könnten vermutlich
viele Menschen profitieren, aber das
Virus macht es den Forschern nicht
einfach. Seit 40 Jahren wird bereits nach
einem Impfstoff gesucht, doch bisher gibt
es noch keine zugelassene Impfung gegen
EBV. Aktuell arbeiten sieben Firmen
an einer Lösung.
Wir sprechen über die Herausforderungen
denen die Forscher begegnen, wie das
Epstein-Barr-Virus das Immunsystem
angreift und warum es für unser
Immunsystem so schwierig ist das Virus
zu eliminieren.
Hier geht es zum Blogbeitrag:
https://ms-perspektive.de/interview-mit-prof-dr-dr-hj-delecluse-zu-ebv-impfungen
Vorstellung
Prof. Dr. Dr.
Henri-Jacques Delecluse
ist seit 2003 Professor
an der Uni Heidelberg.
Er
ist Abteilungsleiter
am Deutschen
Krebsforschungszentrum
(DKFZ) in
Heidelberg und
erforscht die
Pathogenese (Entstehung
und Entwicklung)
infektionsbedingter
Tumore.
Mit seiner Frau, die
ebenfalls Ärztin ist,
hat er drei Kinder. Zu
seinen Hobbys gehören
Gesang und Mathematik.
Bedeutung des EBV-Virus
Wie verbreitet ist das
Epstein-Barr-Virus (EBV) in
Deutschland und weltweit?
Weltweit, also auch in
Deutschland sehr
verbreitet, über 95%
der Bevölkerung über 50
sind infiziert.
In welchem Alter / welcher
Altersspanne infiziert sich
der Großteil der
Bevölkerung mit EBV?
Es kommt darauf an wo
auf der Welt, in Afrika
sind die meisten Kinder
vor dem ersten
Geburtstag infiziert,
in industrialisierten
Ländern zwischen 15 und
25 Jahren.
Welche Krankheiten stehen
in Zusammenhang mit dem
Epstein-Barr-Virus?
Es stehen sehr viele
Krankheiten in
Zusammenhang, allen
voran
das Pfeiffersche
Drüsenfieber,
eine gutartige meist
sich selbst
zurückbildende
Entzündung der
Lymphknoten und des
Rachenraums.
Allerdings wird das
Virus mitverantwortlich
gemacht für die
Entstehung von Tumoren
des Nasopharynx, des
Magens sowie des
Lymphdrüsensystems wie
etwa Morbus Hodgkin.
Letztlich spielt das
Virus eine
entscheidende Rolle bei
der Entwicklung von
Multipler Sklerose und
womöglich von anderen
autoimmunen
Krankheiten.
Wieso forschen Sie am
Deutschen
Krebsforschungszentrum
daran?
Weil Krankheiten, die
von Viren verursacht
werden, leichter
vorgebeugt oder
therapiert werden
können. Auch weil
Herpesviren sehr
komplex und interessant
sind.
Welche Bedeutung hat EBV
für die Multiple Sklerose
und warum ist der
Zusammenhang so eindeutig?
Man weiß, dass die
relativ wenigen
Menschen, die EBV nicht
tragen, fast nie MS
entwickeln, d.h. die
Infektion ist
Voraussetzung für ihre
Entwicklung. Allerdings
haben die meisten
Menschen, die das Virus
tragen keine MS. Also
braucht man mehr als
EBV, um MS zu
entwickeln. Der
Zusammenhang zwischen
EBV und MS basiert auf
epidemiologischen
Studien.
Letztere können
eindeutige
Zusammenhänge erkennen,
wenn sie gut gemacht
sind. Die Studien, die
den Zusammenhang
zwischen EBV und MS
untersucht haben, sind
mittlerweile sehr gut
und liefern eindeutige
Ergebnisse.
Komplexität des Virus und
seiner Wirkungsweise auf
das Immunsystem
Was ist das Besondere am
Epstein-Barr-Virus?
Es ist sehr großes und
daher komplexes Virus,
das sehr erfolgreich
Menschen lebenslang
infiziert, meist, aber
eben nicht immer, ohne
Konsequenzen für seinen
Wirt.
Welche Phasen gehören zu
einer EBV-Infektion und wie
sind sie zeitlich
einzuordnen?
Zunächst erfolgt die
primäre Infektion, also
der erste Kontakt mit
dem Virus. Diese
verläuft symptomlos
oder höchstens mit
einem milden grippalen
Infekt in der Kindheit.
Wenn man später
infiziert wird, kann
sich ein Pfeiffersches
Drüsenfieber
entwickeln, mit
geschwollenen
Lymphdrüsen und
Mandeln, Fieber,
Veränderung des
Blutbildes und manchmal
größeren Problemen wie
Milzruptur oder
Leberentzündung. Nach
diesem ersten Kontakt
bleibt das Virus im
Körper, in den meisten
Menschen ohne
Konsequenzen. Bei
manchen Menschen kann
sich jedoch eine
Krankheit entwickeln,
jeder Zeit nach der
ersten Infektion.
Welche Zellen des
Immunsystems greift das
EBV-Virus an und wie
schädigt es die
Abwehrzellen?
EBV infiziert sehr
erfolgreich B-Lymphozyten und
zwingt sie, sich zu
vermehren. Wenn diese
Vermehrung unbegrenzt
bleibt, kann es zur
Tumorbildung führen. In
manchen Zellen werden
jedoch neue Viren
produziert, dabei
sterben die Zellen ab.
Ist die Wirkung der mehr
als 30 Proteine, die jeder
einzelne EBV-Virus
beinhaltet, auf den
menschlichen Körper bereits
klar oder wird daran noch
geforscht?
Bei manchen Proteinen
ist die Wirkung relativ
klar, bei anderen weiß
man sehr wenig bis gar
nichts. Allgemein kann
man sagen, dass die
Rolle des Virus in der
Krebsentstehung wenig
bekannt bleibt, mit der
Ausnahme von bestimmten
Tumoren.
Gibt es ein oder mehrere
Proteine aus dieser großen
Menge, die ein geeignetes
Ziel für eine Impfung sind?
Im Prinzip stellen alle
Proteine ein mögliches
Ziel dar, es sei denn
sie haben schädliche
Eigenschaften, wie die
Fähigkeit Krebs
auszulösen.
Aktueller Stand der
Forschung für mögliche
EBV-Impfungen
Seit wann wird an einem
EBV-Impfstoff geforscht,
und warum ist es so schwer,
eine funktionierende
Impfung zu entwickeln?
Seit den 1980ern wird
daran geforscht.
Generell ist es schwer,
gegen Herpesviren zu
impfen, weil sie dem
Immunsystem so gut
entgehen können und
sich in Zellen
verstecken. In ihrem
Versteck produzieren
sie keine Proteine mehr
und werden deshalb auch
nicht mehr vom
Immunsystem erkannt.
Außerdem werden
Menschen im Laufe der
Zeit immer wieder vom
Epstein-Barr-Virus
infiziert. Deshalb wird
es vermutlich nie einen
absoluten Schutz gegen
das Virus geben.
Allerdings könnte eine
Impfung die akuten
Symptome der Infektion
wie das Pfeiffersche
Drüsenfieber
möglicherweise mildern.
Das würde
wahrscheinlich wiederum
die Frequenz mancher
Tumore wie Morbus
Hodgkin oder
Krankheiten wie MS
verringern.
Sie haben sieben Ansätze
für Impfungen gegen EBV
untersucht. Welche davon
sind besonders
vielversprechend?
Alle haben das
Potential, wirksam zu
werden, oder auch
nicht. Manche
werden T-Zellen besser
stimulieren, andere die
Antikörperproduktion.
Da bis jetzt nur mit
lebendigen
abgeschwächten Viren
eine erfolgreiche
Impfung gegen
Herpesviren erreicht
wurde, wissen wir
nicht, ob die anderen
Technologien überhaupt
funktionieren werden.
Natürlich kann man aus
ethischen Gründen eine
Lebendvakzine beim
Epstein-Barr-Virus
nicht anbieten.
Wie sieht es mit der
mRNA-Technologie aus?
Könnte diese Technik als
Impfung gegen den EBV-Virus
erfolgreich zum Einsatz
kommen oder eher spezifisch
für einzelne Erkrankungen,
wie die MS?
Die mRNA Technologie
ermöglicht die schnelle
Entwicklung von
Impfstoffen. Allerdings
ist die mRNA
Technologie, wie wir es
beim Coronavirus
gesehen haben nicht
effizienter als andere
Strategien z.B. mit
Vektoren oder mit
rekombinanten
Proteinen. Da es meines
Wissens derzeit
unmöglich ist,
herauszufinden welche
Menschen zukünftig MS
entwickeln werden,
sollte die gesamte
Bevölkerung im
Kindesalter geimpft
werden. Es ist auch
denkbar, dass die
Impfung MS-Patienten
nutzen würde, auch wenn
sie bereits das Virus
tragen. Allerdings ist
das nur eine weit
hergeholte Hypothese,
die keineswegs bewiesen
ist.
Wer würde von einer
erfolgreichen Impfung
profitieren?
Potentiell alle
Menschen, da das
Pfeiffersches
Drüsenfieber relativ
häufig vorkommt.
Weiterhin würde die
Impfung den 200.000
Krebsfällen, die
jährlich von EBV
verursacht oder
mitverursacht werden,
zu einem gewissen Teil
vorbeugen. Und
natürlich besteht die
Hoffnung, dass die
Impfung die Frequenz
von Multipler Sklerose
auch reduziert.
Allerdings bleibt
unklar, ob eine
effiziente Impfung
möglich ist.
Welchen Durchbruch in der
Forschung zu
EBV-Impfstoffen wünschen
Sie sich in den kommenden 5
Jahren?
Eine erfolgreiche
klinische Studie, die
eben 5 Jahre
Beobachtungszeit hat
und beweist, dass
Vakzinierung die
Frequenz von
EBV-assoziierten
Krankheiten senken
lässt.
Wo können sich Patienten
über den aktuellen
Forschungsstand bezüglich
EBV-Impfungen informieren?
Ich selbst habe keine
direkten Informationen.
Die Firmen, die
Impfungen entwickeln,
werden bestimmt Werbung
machen.
Verabschiedung
Möchten Sie den Hörerinnen
und Hörern noch etwas mit
auf dem Weg geben?
Ich denke, dass die
EBV-Forschung große
Fortschritte macht. Es
wird jedoch noch einige
Jahre dauern, bevor die
Wirkung der EBV-Impfung
klar wird.
++++++++++++++++++++
Ich wünsche Dir
bestmögliche
Gesundheit,
Nele
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