#114 - Kognitive Störungen bei MS – wenn der Geist streikt
Kognitive Störungen gehören zu den unsichtbaren Symptomen, die den
Alltag erheblich erschweren können. Es gibt aber viele
Behandlungsansätze. Hier geht's zum Blogbeitrag: In Folge #114
steht wieder ein MS-Symptom im Mittelpunkt, und zwar ein...
32 Minuten
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Beschreibung
vor 2 Jahren
Kognitive Störungen gehören zu den unsichtbaren Symptomen, die
den Alltag erheblich erschweren können. Es gibt aber viele
Behandlungsansätze.
Hier geht's zum Blogbeitrag:
ms-perspektive.de/kognitive-stoerungen-bei-ms/
In Folge #114 steht wieder ein MS-Symptom im Mittelpunkt, und
zwar ein unsichtbares, die kognitiven Störungen. Mindestens 40
Prozent der MS-Betroffenen leiden darunter, die Zahl könnte aber
deutlich höher sein, da es noch keine standardisierten Tests
gibt, die regelmäßig bei allen durchgeführt werden. In den
letzten Jahren wird den unsichtbaren Symptomen aber immer mehr
Aufmerksamkeit gewidmet, da sie auch als Frühindikatoren für
später auftretende körperliche Beeinträchtigungen interessant
sind. Außerdem soll die Multiple Sklerose heutzutage möglichst
komplett zum Stillstand gebracht werden und dafür ist es wichtig,
alle Verschlechterungen festzustellen, um bei Bedarf
Gegenmaßnahmen ergreifen zu können.
Wie zeigen sich kognitive Störungen?
Du merkst es, wenn Du einem längeren Gespräch
nicht mehr richtig folgen kannst oder einer
Erklärung. Und damit sind nicht komplizierte
Vorträge oder ausufernde Reden gemeint.
Wenn Du einen Text immer wieder lesen musst. Auch
hier geht es nicht um die Schachtelsätze von
Hermann Hesse, die wohl für die meisten Menschen
schwer zu erfassen sind. Nein, es geht um ein
überdurchschnittlich schlechtes
Auffassungsvermögen und eine stark reduzierte
Merkfähigkeit. Dein Gegenüber muss Dir zum
dritten Mal etwas erklären. Du hörst zu, so gut
es geht. Du willst es verstehen, aber entweder
gelingt es Dir von vornherein nicht oder die
Information wird nicht dauerhaft gespeichert. Das
ist frustrierend.
Kognitive Störungen können für Dich auch
bedeuten, dass Du versuchst, etwas zu planen und
danach handelst, es Dir aber oft misslingt. Das
kann im privaten Bereich sein, wenn es darum geht
ein Essen zu kochen oder um Arbeitsabläufe.
Vielleicht kennst Du auch Wortfindungsstörungen.
Jeder hat das ab und an. Aber wenn es zu einem
häufigen Problem wird oder Du gar die Bedeutung
von Worten nicht mehr wirklich weißt, dann kann
die MS schuld daran sein.
Oft wird das Denken auch starrer. Das Einnehmen
einer anderen Perspektive oder die Offenheit für
Argumente oder neue Erkenntnisse, die auf einmal
die Sachlage komplett verändern.
All die genannten Probleme kennen Menschen ohne
Multiple Sklerose ebenfalls. Aber meist gibt es
dann einen Grund, wie starke Müdigkeit, erhöhter
Alkoholkonsum, andere Rauschmittel, Desinteresse
am Thema, (Kopf-) Schmerzen oder andere
ablenkende Faktoren.
Bei Menschen mit Multipler Sklerose können die
kognitiven Störungen indessen ein Teil des
Krankheitsbildes sein. Entweder sind Läsionen im
zentralen Nervensystem direkt dafür
verantwortlich oder eine starke Fatigue. Und wenn
die MS ungehindert voranschreiten kann, ohne das
Du Gegenmaßnahmen ergreifst, führt sie zu einer
schnelleren Verringerung des Gehirnvolumens. Das
hat dann natürlich auch Auswirkungen.
Viele Menschen mit MS scheiden eher aus dem
Berufsleben aus oder müssen Ihre Stunden
reduzieren wegen kognitiver Einschränkungen. Doch
die gute Nachricht ist, es gibt verschiedene
Behandlungsansätze, was Du dagegen unternehmen
kannst.
Zusammenfassung der Arten von kognitiven Störungen
Kognitive Störungen können Deine
Leistungsfähigkeit in verschiedenen Bereichen
beeinflussen. Dazu zählen:
das Gedächtnis mit Kurz- und
Langzeitgedächtnis
die Aufmerksamkeit und Konzentration – beim
zuhören, lesen, sprechen
die geistige Flexibilität
die Informationserfassung und -Verarbeitung
die Fähigkeit, mehrere Dinge gleichzeitig im
Blick zu behalten / zu bearbeiten (Multiple
Tasking)
die Planungsfähigkeit und Durchführung
Oder Du hast Wortfindungsschwierigkeiten und
vergisst sogar die Bedeutung dir einst bekannter
Worte und verlierst dadurch den Zusammenhang und
das Verständnis für einen Sachverhalt, ein
erläutertes Thema.
Wie werden kognitive Störungen behandelt?
Sprich Deinen Neurologen darauf an, wenn Du das
Gefühl hast, dass die Multiple Sklerose Deine
kognitiven Fähigkeiten beeinflusst. Mithilfe
einer umfassenden neuropsychologischen
Untersuchung kann er eine genaue Diagnose
stellen, die am Beginn einer jeden Behandlung
stehen sollte. Dadurch wird auch Dein genaues
Problem definiert, also welche geistigen
Fähigkeiten beeinträchtigt sind.
Denn falls zum Beispiel die Fatigue hauptsächlich
für Deine Probleme verantwortlich ist, muss eine
andere Behandlung eingeleitet werden als bei
einer Depression als Verursacher. Aber das sind
nur zwei mögliche Auslöser oder Verstärker.
Übrigens lohnt es sich, bei einer chronischen
Fatigue den Schlaf analysieren zu lassen. Oft ist
die Schlafqualität schlecht und es gibt viele
Möglichkeiten sie wieder zu optimieren und
normalisieren.
Generell gilt, dass Du möglichst aktiv am Leben
teilnehmen solltest, um Deinen Geist zu
trainieren. Aber plane regelmäßige Pausen ein, in
denen Du entspannen kannst.
Denn mit der richtigen Balance aus Fordern und
Erholen und gezieltem Training können scheinbar
verlorene Fähigkeiten wieder reaktiviert und
verbessert werden. So kannst Du zum Beispiel
aufmerksamer werden und Deine Wahrnehmung
schulen.
Falls das Training nicht den gewünschten Effekt
erzielt, gilt es die verlorenen Fähigkeiten zu
kompensieren. Hierbei erlernst Du neue
Verhaltensweisen, um Dir Deine Zeit besser
einzuteilen, inklusive nötiger Pausen, Dich
selbst zu organisieren oder Dein Gedächtnis zu
trainieren.
Im Arbeitsleben kann es nötig sein, dass Du Deine
Kollegen und Vorgesetzten davon unterrichtest,
was nicht mehr möglich ist. Hierbei ist es
natürlich immer gut, wenn Du Deine aktuellen
Möglichkeiten aufzeigst und klar machst, dass es
nicht böse Absicht sonders quasi höhere Gewalt
ist. Vielleicht kannst Du Deinen Aufgaben mit
einem veränderten Ansatz weiterhin ausführen, sei
es Reihenfolge, mehr Pausen oder Einsatz von
Hilfsmitteln. Lass Dich hier ruhig beraten von
Deinem behandelnden Arzt, Physiotherapeuten oder
Ergotherapeuten.
Welche alternativen Methoden, Hilfsmittel und
Medikamente gibt es?
Entspannungstechniken können ein Baustein sein,
der Dir dabei hilft Deine Lebensqualität
zurückzugewinnen. Denn je mehr Du Dich unter
Stress setzt, weil etwas nicht mehr so klappt wie
früher, desto mehr befeuerst Du das Problem.
Versuche lieber so gelassen, wie möglich damit
umzugehen, und sei Dir und Deinem Körper und
Geist nicht böse.
Meditation, Yoga, autogenes Training oder Tai Chi
sind einige Möglichkeiten, aber es gibt noch
viele mehr.
Zeitmanagement ist eine Fähigkeit, die Dir helfen
kann besser im Alltag zurechtzukommen. Dabei
lernst Du Störfaktoren zu beseitigen und Aufgaben
zu bündeln, um sie effizienter abarbeiten zu
können und nicht ständig gedanklich hin und her
zu springen. Eine bessere Planung nimmt Stress
aus dem Alltagsleben, sei es im privaten oder
beruflichen Bereich. Der Essensplan für die Woche
mit passender Einkaufsliste für den Supermarkt.
Die Packliste für den Urlaub. Wenn Du
anstrengende Aufgaben zu Beginn einer aktiven
Einheit erledigst, kannst Du Routineaufgaben im
Anschluss bearbeiten, wenn Du etwas erschöpft
bist. Es gibt wirklich jede Menge
Verhaltensweisen, die Dir trotz kognitiver
Einschränkungen ein funktionierendes und
angenehmes Leben ermöglichen.
Leider gibt es aktuell keine Medikamente, die in
wissenschaftlichen Studien nachweislich positive
Effekte erzielt haben. Sollten Deine
Einschränkungen jedoch vom schlechten Schlaf
herrühren, stehen verschiedene Optionen zur
Verfügung. Sprich Deinen behandelnden Neurologen
darauf an.
Was kannst Du in akuten Phasen tun?
Bleib ruhig, auch wenn es Dir manchmal vielleicht
schwerfällt. Vermeide es, wichtige Entscheidungen
zu treffen oder komplexe Aufgaben zu bearbeiten,
bei denen Fehler von Dir langfristige negative
Auswirkungen für Dich haben könnten.
Damit meine ich zum Beispiel das Neuordnen Deiner
Finanzen inklusive Entscheidungen etwas
aufzulösen, neu abzuschließen, etc.
Wenn Deine Konzentration stark beeinträchtigt
ist, nimm bitte nicht als FahrerIn am Verkehr
teil und sei auch als FußgängerIn vorsichtig.
Falls Meditation etwas für Dich ist, praktiziere
es regelmäßig. Es kann gewiss einen positiven
Beitrag leisten, dass es Dir psychisch und
geistig bald wieder besser geht.
Sprich Deinen Neurologen oder Deine MS-Schwester
an. Sie können am besten einschätzen, ob
weitergehenden Maßnahmen sinnvoll sind.
Und wenn kognitive Störungen dauerhaft den Alltag
belasten?
Dann ist es umso wichtiger, dass Du lernst, mit
dem neuen Ist-Zustand umzugehen. Erlerne
Techniken, um ausgefallene Fähigkeiten zu
kompensieren. Nutze Hilfsmittel, wie digitale
Erinnerungen. Und trainiere weiterhin regelmäßig
Deinen Geist, um dieses Level zu halten.
Das kannst Du übrigens ganz nebenbei tun, indem
Du ein kreatives Hobby erlernst oder fortführst,
vom Nähen über Malen und Zeichnen, basteln,
tischlern, fotografieren und vieles mehr. Wichtig
ist, dass Du Spaß daran hast und immer wieder
Neuland erkundest, sei es durch ein neues
Schnittmuster, eine neue Maltechnik, einem
bestimmten Stil. Solange Du eine kleine Varianz
einbringst und nicht immer wieder das gleiche
blaue T-Shirt in Größe S nähst mit dem gleichen
Faden auf der gleichen Nähmaschine, wird Dein
Gehirn stimuliert.
Das erlernen eine Sprache, Musik und Tanz oder
Kochen, eine neue Sportart, programmieren,
kreatives Schreiben oder Gärtnern zählen ebenso
zu den anregenden Tätigkeiten.
Du kannst natürlich auch ganz bewusst Deine
kognitiven Fähigkeiten trainieren. Es gibt
mittlerweile verschiedene Apps.
Für mehr Impulse hör doch mal in
den Podcast zum Thema
Gehirnjogging rein. Lebenslanges
Lernen ist für jeden gut, aber für Menschen mit
MS ganz besonders.
Was ist die beste Prävention gegen kognitive
Störungen?
Neurotoxische Stoffe zu vermeiden. An oberster
Stelle steht das Rauchen. Multiple Sklerose ist
wirklich ein guter Grund, um damit aufzuhören.
Such Dir Hilfe, die gibt es bei jeder
Krankenkasse in Form zahlreicher Bücher und
anderer Medienformate oder auch unter
rauchfrei-info.de.
Alkohol schädigt das Gehirn ebenfalls, bei
stetigem Gebrauch und erst recht in höheren
Mengen oder in hochprozentiger Form. Ich trinke
seit meiner Diagnose im Sommer 2004 fast gar
keinen Alkohol mehr und mein Gehirnvolumen ist
altersgerecht. Nach einer Anfangsphase der
Umstellung kann man damit gut leben und falls
jemand in Deinem Bekanntenkreis nicht umgehen
kann, ist es nicht Dein Problem, sondern das vom
Gegenüber.
Andere Rauschmittel sind selbstredend ebenfalls
zu meiden.
Und falls Du eine strikte Ernährungsform
betreibst, wie zum Beispiel vegan, dann achte
bitte darauf, dass Du Dir alle benötigten
Nährstoffe in ausreichenden Mengen zuführst und
notfalls Nahrungsergänzungsmittel einnimmst.
Und wie immer gilt, eine funktionierende
verlaufsmodifizierende Therapie gemeinsam mit
einem gesunden Lebenswandel und einer
ausgeglichenen Psyche ist die beste Vorbeugung.
Denkanstoß
Regelmäßiges Training Deines Geistes, wenn
möglich täglich oder zumindest mehrfach die Woche
hilft Dir am besten. Denn Dein Gehirn verhält
sich wie ein Muskel – mehr Training stärkt ihn
und ohne Training wird es immer schwächer. Und
wie beim körperlichen Training gilt es Pausen
einzuplanen und natürlich ausreichend zu trinken.
Nüsse und Hülsenfrüchte kannst Du ruhig öfter
essen und warum nicht Dein Gehirn trainieren,
indem Du verschiedenste Rezepte ausprobierst, die
Dein Gehirn mit Nährstoffen füttern und die
grauen Zellen zum Nachdenken anregen. Besser geht
es doch eigentlich kaum, oder? Lecker und gesund.
Frage an Dich
Bist oder warst Du bereits von kognitiven
Störungen betroffen? Und wie gehst Du damit um?
---
Bestmögliche Gesundheit wünscht Dir,
Nele
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