#104 – Interview mit Dr. Hagen Kitzler zur Bedeutung der MRT bei Multipler Sklerose

#104 – Interview mit Dr. Hagen Kitzler zur Bedeutung der MRT bei Multipler Sklerose

Diesmal interviewe ich den Neuroradiologen Dr. Hagen Kitzler vom Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden. Er erläutert die Bedeutung der MRT, ihrer Standardisierung und an welchen Verbesserungen geforscht wird.   ...
1 Stunde 6 Minuten

Beschreibung

vor 3 Jahren


Diesmal interviewe ich den Neuroradiologen Dr. Hagen Kitzler
vom Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden. Er
erläutert die Bedeutung der MRT, ihrer Standardisierung und an
welchen Verbesserungen geforscht wird.




 




https://ms-perspektive.de/interview-mit-dr-hagen-kitzler-zur-bedeutung-der-mrt-bei-multipler-sklerose/




 




Wann macht es Sinn Kontrastmittel einzusetzen? Welche
Aussagekraft hat ein Scan vom Gehirn? Wann schaut man sich
zusätzlich den Sehnerv an? Und vor welchen Herausforderungen
stehen Neuroradiologen bei der Darstellung der Hirnrinde und
den Nerven in der Wirbelsäule?




 




Viele Fragen und noch einige mehr, auf die Dr. Kitzler die
Antworten gibt.


 











Dr. Hagen H. Kitzler ist Funktionsoberarzt am
Institut für Interventionelle und
Diagnostische Neuroradiologie des UK Dresden,
Ärztlicher Leiter für den Bereich
MRT-Forschung am CarusNeuroImagingCenter und
Leiter einer Forschungsgruppe für die
Entwicklung quantitativer MRT-Techniken für
die MS und neurodegenerative Erkrankungen.
Vorstellung

Dr. Kitzler hat zwei Kinder. Sein Sohn war
viele Jahre Kruzianern im Dresdner Kreuzchor
und engagiert sich gerade als BuFDi
(Bundesfreiwilligendienst). Seine Frau ist
Kinder- und Jugendpsychaterin in eigener
Praxis.


Seine Freizeit verbringt er gern in der Natur
und generell unter freiem Himmel. Gerade ist
er mit seiner Frau und Tochter aus einem
Urlaub in Mexiko zurückgekehrt, wo es in die
Petén-Region, den Akalché-Wald und zu Stätten
der Maya-Kultur ging.


Hagen H. Kitzler interessierte bereits früh
Biologie und Geschichte und er verbrachte
einen Teil seiner Kindheit in Nordafrika, wo
seine Eltern als Kinderarzt und Hebamme in
der Entwicklungshilfe arbeiteten.

















Wichtigste Stationen bis zur jetzigen Position?

Nach dem Abitur war die erste Station die
Pflege schwerstbehinderter Kinder in der
Diakonie, was sehr prägend war. Eigentlich
wollte Hagen H. Kitzler Biologie studieren,
doch durch den Kontakt zum Verhaltensforscher
Prof. Günter Tembrock (Humboldt Universität
Berlin – HUB) kam es anders. Sein
humanethologisches Seminar und sein Umgang
mit Studenten prägte ihn seitdem.


Hagen H Kitzler studierte Humanmedizin an der
HUB und absolvierte seine klinische
Ausbildung in Dresden. Es folgten Stationen
am Brain Tumor Center des
Princess-Margaret-Hospital in Toronto, Kanada
und der Traumatologie am Groote-Schuur-
Hospital in Kapstadt, Südafrika. Die
Dissertation schrieb er in Dresden bei Prof.
Reichmann in der Klinik für Neurologie.


Dann folgte die Ausbildung zum Neurologen an
der Charité in Berlin bei Prof. Karl-Max
Einhäupl. Dort arbeitete Dr. Kitzler in der
Arbeitsgruppe Neuroimmunologie unter Prof.
Frauke Zipp mit Dr. Klaus Schmierer als Tutor
an einem MRT-Projekt. Weiter ging es zu einer
Hospitation in die Neuroradiologie der
Charité bei Prof. R. Lehmann, die dann zum
Wechsel der Ausbildung vom Neurologen zum
Neuroradiologen führte.


Bei der Rückkehr nach Dresden startete Dr.
Kitzler in der Neuroradiologie bei Prof.
Rüdiger von Kummer. Dort standen das
Schlaganfall-CT und das Tumor-MRT im Fokus.
Seine allgemeinradiologische
Facharztausbildung führte er in der
Radiologie unter Prof. Michael Laniado durch.
Im Anschluss ging es in die Neuroradiologie
wo er mit der MRT-Forschung begann. Es ging
um Diffusions-Tensor-Bildgebung (DTI) zur
Rekonstruktion von Fasertrakten, was zur
Vorbereitung der Operationen von
Gehirntumoren benötigt wird.


Er traf Prof. Tjalf Ziemssen wieder, den er
bereits von früher kannte und der gerade das
MS-Zentrum in Dresden aufbaute. Beide
begannen intensiv miteinander
wissenschaftlich und für die diagnostische
Patientenversorgung zu koperieren.


Dank Prof. Rüdiger von Kummerer konnte Hagen
Kitzler von 2007 bis 2009 an die University
of Western Ontario nach London, Ontario,
Kanada gehen, wo er als Postdoc in der
Biophysik und Neuroradiologie forschte. Dort
wurde zum ersten Mal eine neue Form der
Myelinbildgebung (mcDESPOT), die eine
3D-Aufnahme bei MS ermöglicht angewendet. Mit
seiner Rückkehr nach Dresden transferierte er
diese Technik an das Uniklinikum Dresden,
startet eine dazugehörige Forschungsgruppe
und initiierte internationale Kooperationen.
Es folgte die Facharztausbildung zum
Neuroradiologen und Master of Science für
klinische Forschung an der Dresden
International University.
Persönliche Motivation für Beruf?

Meine Zeit mit schwerstbehinderten Kindern
war Ausschlag dafür, einen Beruf zu
ergreifen, um etwas gegen chronische Leiden
zu tun.
Warum ist die MRT so gut als diagnostische
Methode bei MS geeignet?

Die Technik ist ursprünglich eigentlich eine
Stoffprobenanalyse, die aufgrund der
elektromagnetischen Kennung funktioniert,
aber es kommt später zur Nutzung für die
Bilderzeugung, weil Stoffe sich untereinander
beeinflussen, beispielsweise Wasser. Und wir
bestehen zu 98% aus Wasser (H2O).
Können Sie die Begriffe T1, T2 und FLAIR
einfach verständlich erklären? Was ist damit
gemeint und was misst man?

Längs- und Quermagnetisierung sind
magnetische Grundeigenschaften. Wenn Stoffe
elektromagnetisch angeregt und ausgerichtet
werden, gehen sie zu ihrer charakteristischen
Magnetisierung zurück. Die Zeit dieser
Relaxation zurück zur Längsmagnetisierung ist
die T1-Zeit. Das Gleiche gilt für die
Quermagnetisierung. Hier wird die Zeit der
Relaxation zurück zur Quermagnetisierung als
T2-Zeit beschrieben. Beides kann man zur
Bilderzeugung nutzen.


FLAIR ist eine Variante der T2-Bildgebung,
bei der wir das Wasser unterdrücken, um die
krankhaften Veränderungen besser zu sehen,
sozusagen zu kontrastieren.
Was kann man bisher alles mittels MRT bei
MS-Patienten sehen, vergleichen und auswerten?

Prinzipiell sehen wir die Auswirkungen der
für die MS typischen Entzündung, klassisch
mit konventioneller MRT als Läsionen
bezeichnet. Die Läsionen sind hauptsächlich
von Demyelinisierung also Entmarkung geprägt.
Außerdem kommt es [Anmerk. Nele Handwerker:
unbehandelt] zu einer Abnahme des
Hirnvolumens, die schneller verläuft, als bei
Gesunden.


Wir bemerken aber, dass wir mit immer
besseren MRT-Methoden sehr viel mehr Details
erkennen können, wie spezielle Veränderungen
der Hirnrinde, Läsionen, die chronisch aktiv
sind aber auch messbare Dinge wie den
Myelingehalt oder die Dicke der
Nervenzellfortsätze, der Axone. Wenn es
sinnvolle Messungen sind, nennt man das dann
Biomarker und dazu forschen wir.
Wann ist eine Kontrastmittelgabe sinnvoll
und was kann man dadurch sehen?

Wenn eine starke Entzündung im Gehirn
auftritt, verliert es dort kurzzeitig die
Fähigkeit, den Übertritt von Stoffen aus dem
Blut zu kontrollieren. Man macht sich das
zunutze, um die Entzündung aufzuzeigen, da
auch Kontrastmittel kurzzeitig dorthin
gelangen.
Macht es Sinn immer alle Bereiche zu
untersuchen?

Nein, macht es nicht. Das Gehirn sollte
regelmäßig untersucht werden, die Wirbelsäule
nur bei Symptomen. Und wenn es um den
Sehnerv, die Orbita geht, wird das nur zur
ersten Diagnostik gemacht.
Wie genau kann man Läsionen im MRT
konkreten Symptomen beim Patienten zuordnen?

Wenig, da nur ein Teil eindeutige Funktionen
trägt. Das Gehirn ist in der Lage sich
flexibel anzupassen, was ein großer Vorteil
ist.


Ein paar Funktionen, wie Bewegung, Sehen und
Hören sind jedoch an definierten Stellen im
Gehirn zu finden.
Auf welche Schlagworte oder Passagen der
MRT-Auswertung sollten wir MS-Patienten achten?

Neue oder vergrößerte T2-Läsionen. Zunahme
von T1-Läsionen, gegebenenfalls
Kontrastmittel-Enhancement (Anreicherung) und
die Beschreibung zur Messung der Hirnatrophie
(Hirnvolumenminderung).


Wichtig: Falls die MS
erst viel später diagnostiziert wurde, ist
der Anfangswert beim Hirnvolumen
höchstwahrscheinlich unter dem Altersniveau.
Dann geht es darum, ihn auf diesem Level zu
halten mit Hilfe der Therapie und einem
gesunden Lebenswandel.
Wie wichtig ist die Standardisierung beim
MRT, um eine Aussage über den Krankheitsverlauf
und Wirksamkeit von Therapien treffen zu
können?

Enorm wichtig. Durch die Standardisierung
kann man wirklich sehen, was im Gehirn
passiert, weil das dann die einzigen
Unterschiede sind und nicht zusätzlich noch
Einflüsse der Qualität der Aufnahmen
(Details, Schichtdicke, etc.).
Wie intensiv und auf in welcher
Weise arbeiten sie mit den Neurologen vom
MS-Zentrum zusammen?

Die MRT-Diagnostik arbeitet sehr intensiv mit
dem MSZ zusammen. Es ist fast wie eine
Familie. Ich kenne Prof. Tjalf Ziemssen seit
meiner Studentenzeit. Wichtig sind der
regelmäßige Austausch und die
Patientenbesprechungen.
Wo liegen die Grenzen vom MRT? Was kann man
(noch) nicht darstellen? Und woran forschen sie
als Neuroradiologe?

Der Kortex, die Hirnrinde, ist noch eine
Nuss, die wir knacken müssen und das
Rückenmark stellt uns vor biophysikalische
Probleme. Dort passiert auch Aktivität durch
die Multiple Sklerose, die wir aber leider
bisher nur ungenügend darstellen können.
Welche Vorteile hätten wir von der
standardisierten und computerunterstützten
Auswertung der MRT-Bilder?

Dass wir immer präziser werden und genau
beobachten können, wie die individuelle
MS-Entwicklung abläuft und damit auch wissen,
ob eine Therapie erfolgreich ist oder
gewechselt werden sollte.
Wie können wir als MS-Patienten bei diesem
Vorhaben helfen?

Bislang muss man als Patient zustimmen, da
wir uns in der Erprobung beziehungsweise der
Einführung in Alltag befinden. Das heißt, die
computer-assistierte Software ist noch im
Prototypen-Stadium. Bitte nehmen sie an den
entsprechenden Studien teil, das hilft uns
beim Forschen und stetig besser werden.
Welchen Durchbruch wünschen Sie sich für
die Forschung und Behandlung der MS in den
kommenden 5 Jahren?

Für die Behandlung, dass es hochpotente, die
Defekte reparierende Mittel, zur
Remyelinisierung gibt. Für die Bildgebung
wünsche ich mir, dass wir alles Gelernte aus
dem Kopf auch auf die Wirbelsäule übertragen
können.
Blitzlicht-Runde Was war der beste
Ratschlag, den Sie jemals erhalten
haben?

Von meinem Vater MR Dr. Heinz Kitzler: „Such
dir ein kleines Spezialgebiet, um etwas
Wirksames zu leisten“.


Von Prof. Rüdiger von Kummer zum
Auslandsaufenthalt: „Junge, geh (zum
Forschen) mal woanders hin!“
Wie lautet Ihr aktuelles
Lebensmotto?

Freude am Lernen, Spaß bei der Arbeit.
Mit welcher Person würden Sie gern
einmal ein Kamingespräch führen und zu welchem
Thema?

Mit Prof. Robert Koch, darüber was ihn
motiviert hat.


Und gern noch einmal Prof. Günter Tembrock,
um ihm zu zeigen welches Vorbild er für mich
war und was ich als Hochschullehrer heute
ähnlich dem mache, wie er damals.
Vervollständigen Sie den
Satz:

„Für mich ist die Multiple Sklerose…eine
Herausforderung und Ansporn.“
Welches Buch oder Hörbuch, das Sie
kürzlich gelesen haben, können Sie uns
empfehlen und worum geht es?

Aus meinem Sommerurlaub: Ulrike
Peters „Das Alte Mexiko: und
seine Hochkulturen“ – Spannend
daran ist, dass es auch zeigt, wie die alten
Kulturen bis heute Land, Leben und Leute
prägen.
Möchten Sie den Hörerinnen und Hörern noch
etwas mit auf dem Weg geben?

Fragen sie, wie ihr Gehirn aussieht. Ihr
Neuroradiologe wird es ihnen zeigen.
Informieren sie sich, lernen sie stetig dazu.
Denn ein informierter Patient, ist der beste
Patient. Wenn wir als Team zusammenarbeiten,
macht es beiden Seiten mehr Spaß und es
gelingt uns effektiver gegen die MS
vorzugehen.
Wie erreicht man die Neuroradiologie am
Universitätsklinikum Dresden am besten?

Auf der Webseite der
Neuroradiologie oder
telefonisch unter 0351 458-13202.


















++++++++++++++++++++
Vielen Dank an Dr. Hagen H. Kitzler für das
geführte Interview und all die Informationen
zur MRT-Untersuchung.


Bestmögliche Gesundheit wünscht dir,
Nele


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Hier findest du eine Übersicht
zu allen bisher veröffentlichten
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