Gedanken am frühen Morgen - Was ist genug?
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vor 1 Jahr
Wer immer nur das ausreichende Auskommen und nicht mehr will, der
will nichts Ungeziemendes. Wenn er aber mehr begehrt als sein
Auskommen, dann will er nichts Geziemendes. Nur jener wünschte
und bat darum, der da sprach: „Reichtum und Armut gib mir nicht;
verleihe mir aber das Notwendige in hinreichendem Maße, damit ich
nicht etwa gesättigt Lügen rede und spreche: Wer sieht mich? Oder
aus Armut stehle und falsch schwöre beim Namen meines Gottes?“
(Spr 30,8f) Du siehst ohne Zweifel, dass dieses ausreichende
Auskommen nicht um seiner selbst willen, sondern wegen des
leiblichen Wohlbefindens und des den persönlichen Verhältnissen
entsprechenden Haushalts anzustreben sei; denn dieser Haushalt
soll jenen nicht ungeeignet erschienen, mit denen man in ehrbarer
und standesgemäßer Weise zu verkehren hat. Bei all dem wird das
persönliche Wohlbefinden und die Freundschaft um ihrer selbst
willen angestrebt. Das ausreichende Auskommen sucht man nicht um
seiner selbst willen, sondern wegen der beiden ebengenannten
Zwecke, so lange man in geziemender Weise danach verlangt. Das
Wohlbefinden schließt in sich sowohl das Leben selbst als auch
die Gesundheit und Unversehrtheit des Leibes und der Seele. Auch
sind der Freundschaft nicht enge Grenzen zu ziehen. Sie umfasst
vielmehr alle, denen man Liebe und Zuneigung schuldet, wenn man
sich auch zu dem einen mehr, zu dem anderen weniger hingezogen
fühlt; sie reicht sogar bis zu den Feinden, da uns befohlen ist,
auch für sie zu beten. So gibt es niemand im Menschengeschlecht,
dem man nicht Liebe, wenn auch nicht als wechselseitige
Zuneigung, so doch wegen der Gemeinsamkeit der Natur schuldig
wäre.
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