Gedanken am frühen Morgen - Für das Leben lernen

Gedanken am frühen Morgen - Für das Leben lernen

6 Minuten

Beschreibung

vor 1 Jahr

Aber nun rufe in meiner Seele, mein Gott, und deine Wahrheit sage
mir: so ist es nicht, so ist es nicht; wahrhaftig, jener erste
Unterricht ist viel besser. Denn siehe, viel lieber will ich die
Irrfahrten des Äneas und alles andere der Art vergessen als
Schreiben und Lesen. Wohl decken Vorhänge die Eingänge der
gelehrten Schulen, doch versinnbilden sie nicht den Wert der
dahinter gelehrten Geheimnisse, sondern sind nur eine Verhüllung
des Irrtums. Mögen nicht mehr gegen mich schreien, die ich nicht
mehr fürchte, da ich dir, mein Gott, bekenne, was meine Seele
begehrt, und Ruhe finde in der Verurteilung meiner bösen Wege,
damit ich deine guten Wege lieben kann. Mögen nicht ihre Stimme
gegen mich erheben Käufer und Verkäufer von Grammatiken; denn
wenn ich ihnen die Frage vorlege, ob die Angabe des Dichters,
Äneas sei einst nach Karthago gekommen, wahr sei, werden die
Ungelehrten gestehen müssen, sie wüssten es nicht, die Gelehrten
aber, es sei nicht wahr. Wenn ich dagegen frage, wie das Wort
Äneas geschrieben wird, so werden alle, die das gelernt haben,
die richtige Antwort geben entsprechend dem Übereinkommen oder
dem Beschlusse, durch welchen die Menschen diese Zeichen
untereinander festgesetzt haben. Ebenso wenn ich frage, was wohl
ein größerer Verlust für dieses Leben sei, Lesen und Schreiben zu
vergessen oder jene Dichterfabeln, wer würde sich lange auf die
richtige Antwort besinnen, wofern er noch nicht ganz auf sich
vergessen hat? Also sündigte ich als Knabe, wenn ich jene
Nichtigkeiten diesen nützlichen Wissenschaften vorzog oder
richtiger sie hasste, jene aber liebte. Denn ein verhasstes
Geleier war mir „eins und eins ist zwei; zwei und zwei ist vier",
ein überaus süßes, nichtiges Schauspiel aber das hölzerne Ross,
mit Bewaffneten angefüllt, der Brand Troias und "der eigene
Schatten der Kreusa“.

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