Gedanken am frühen Morgen - Ganz Ohr sein
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Beschreibung
vor 1 Jahr
Mit Recht mahnst du mich, liebster Donatus; denn nicht nur
erinnere ich mich an mein Versprechen, sondern es ist auch gerade
die jetzige Zeit ganz besonders geeignet, es zu erfüllen, da
jetzt, dank der Weinlese, der Geist, aller Sorgen ledig, sich
seiner Erholung widmen und nach den Mühen des Jahres die übliche,
regelmäßig wiederkehrende Ruhe genießen darf. Auch der Ort stimmt
mit der Zeit zusammen, und mit dem milden Wehen der kosenden
Herbstluft vereinigt sich der liebliche Anblick der Gärten, um
unsere Sinne zu erquicken und zu erfreuen. Wie angenehm lässt
sich hier plaudernd der Tag verbringen und in ernsten Gesprächen
unser Herz zur Kenntnis der göttlichen Gebote hinleiten! Und
damit nicht etwa ein ungebetener Ohrenzeuge unsere Unterhaltung
stört oder das übermütige Geschrei des lärmenden Gesindes sie
übertäubt, wollen wir dieses Plätzchen hier aufsuchen! Sicherheit
bietet uns ein Versteck in der Nähe, wo die sich hinschlängelnden
Ranken der Reben mit ihrem herabhängenden Gewinde an den
stützenden Pfählen sich hinziehen und das Laubdach einen
förmlichen Rebenbogen gebildet hat. Wie gut können wir hier
unsere ernsten Gedanken austauschen! Und während wir auf die
Bäume und Reben blicken und an dem lieblichen Bilde unsere Augen
weiden, bietet unserer Seele zugleich das Hören Belehrung und das
Sehen Genuss. Dein Wohlgefallen, deine Sorge gilt jetzt
allerdings einzig und allein unserem Gespräch. Ohne auf die
Lockungen des wonnigen Anblicks zu achten, hältst du deine Augen
nur auf mich gerichtet. Mit Leib und Seele und mit der dir
eigenen Liebe bist du ganz Ohr.
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