Gedanken am frühen Morgen - In der Weisheit sich finden

Gedanken am frühen Morgen - In der Weisheit sich finden

5 Minuten

Beschreibung

vor 1 Jahr

Jedoch, sagte sie, hier ist Arzenei mehr am Platz als Klage. Dann
aber richtete sie das Auge voll auf mich und sprach: Bist du es,
der du einst mit unserer Milch genährt, mit unserer Speise
erzogen, zu mannbarer Geisteskraft gereift warst? Hatten wir dir
doch Waffen gegeben, die dich, hättest du sie nicht vorher
fortgeworfen, durch ihre nie besiegte Festigkeit beschützt
hätten. Erkennst du mich nun? Warum schweigst du? Bist du vor
Scham oder vor Staunen verstummt? Lieber wollte ich vor Scham,
aber ich sehe, Staunen hat deine Zunge gelähmt. Und wie sie mich
nicht bloß schweigend, sondern völlig sprachlos sah, legte sie
ihre Hand sanft auf meine Brust: Es ist keine Gefahr, sagte sie,
er leidet an schlaffer Abspannung, der gewöhnlichen Krankheit
verblendeter Geister. Er hat ein wenig seiner selbst vergessen,
er wird sich leicht auf sich besinnen, wenn er zuvor uns erkannt
hat. Auf daß er dies könne, wollen wir ein wenig seine Augen
abwischen, die trüb sind von der Umwölkung irdischer Dinge. So
sprach sie und trocknete mit ihrem gefalteten Gewand meine von
Tränen strömenden Augen.

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