Technik und Krise - Teil 2 | Von Ulrich Teusch

Technik und Krise - Teil 2 | Von Ulrich Teusch

16 Minuten

Beschreibung

vor 3 Jahren
Ein Standpunkt von Ulrich Teusch. Die Apologeten des „Great Reset“
setzen auf modernste Technik, um die existenzielle Krise des
globalen Kapitalismus zu überwinden. Doch dieses Vorhaben ist zum
Scheitern verurteilt, denn es basiert auf einem naiven,
unterkomplexen Technikbegriff. Der vorliegende Beitrag entwickelt
ein alternatives Verständnis moderner Technik und erläutert, warum
diese nicht als Rettungsanker taugt, sondern eher als
Brandbeschleuniger wirkt. Im Zentrum der Argumentation steht das
Konzept eines global ausgreifenden technischen Systems. Teil 1 des
Artikels ist hier zu lesen. Auch mit dem, was man landläufig unter
„Technikdeterminismus“ versteht, hat die Vorstellung eines
technischen Systems nichts zu tun. Der Begriff Technikdeterminismus
leistet dem Eindruck Vorschub, die Technik sei ein von vermeintlich
technikfreien gesellschaftlichen Sphären eindeutig abgrenzbarer
Faktor der sozialen Entwicklung, ein Subsystem der Gesellschaft,
das auf andere, nicht-technische Bereiche oder Subsysteme
determinierende Wirkungen ausübe. Weit angemessener ist
demgegenüber das von dem Philosophen Gernot Böhme vorgeschlagene
Bild einer „Technostruktur“, die „den gesellschaftlichen Körper wie
ein Pilz [durchzieht]“. Worin sich das Konzept einer Technostruktur
von einem deterministischen Erklärungsansatz unterscheidet, hat
Böhme wie folgt erläutert: „[Die Technik] ist in die Sozialstruktur
eingedrungen, in die Formen sozialen Handelns, in die normativen
Erwartungen, oder besser, sie ist selbst eine Sozialstruktur, eine
Form gesellschaftlichen Handelns und ein Bestandteil des
Regelkanons geworden. Es geht (…) nicht mehr um Technik als Ursache
oder Technik als Gegenstand, sondern es geht um die technischen
Formen von Gesellschaftlichkeit, oder besser gesagt um die
Erkenntnis der fortschreitenden Technisierung gesellschaftlicher
Wirklichkeit und der damit verbundenen Probleme.“ Und weiter: „Das
Thema einer Theorie der Gesellschaft in der technischen
Zivilisation ist (…) nicht so sehr die Technik in der Gesellschaft
und der ihr entsprechende gesellschaftliche Wandel, sondern die
Technisierung der Gesellschaft. Die Produktion von Technik gehört
zur gesellschaftlichen Reproduktion: Mit der Technik produzieren
wir gesellschaftliche Strukturen.“ Die Folge: Es entstehen
manifeste Sachzwänge und Denkzwänge; die einen sind von den anderen
nicht zu trennen. Subjekt und Objekt, Mensch und Technik stehen
sich nicht länger in einem Verhältnis von Herr und Knecht oder von
Zweck und Mittel gegenüber, sondern sind zu einer neuen Einheit
verschmolzen. Die Technik erscheint als autonomes Gebilde, und zwar
nicht deshalb, weil sie schon von jeher autonom gewesen wäre,
sondern weil der Mensch seine Autonomie verloren oder verspielt
hat. Der Mensch hat das technische System zwar erdacht und
konstruiert und ist auf vielfältige Weise in die systemischen
Zusammenhänge integriert, gleichwohl tritt ihm das System als
fremde Macht gegenüber. Obwohl die Technik fraglos von dieser Welt
ist, bildet sie eine Welt für sich. Dialektik der Technik Doch
sosehr das technische System die Gesellschaft auch durchdringt, es
ist mit ihr nicht deckungsgleich. Nicht alle gesellschaftlichen
Sphären sind gleichermaßen technisiert oder technisierbar. Analoges
gilt für das Verhältnis zwischen technischem System und den
natürlichen Lebensgrundlagen. Technik durchdringt die Natur,
bedient sich ihrer, verändert oder zerstört sie. Doch sie bleibt
auf halbwegs intakte ökologische Systeme ebenso angewiesen wie auf
gesellschaftliche Ressourcen. Es ist eine Dialektik am Werk. Auf
dem sozialen Feld werden die entsprechenden Spannungen und
Widersprüche in der Regel so „gelöst“, dass der weniger
technisierte Bereich nachzieht, also eine Art „Frontbegradigung“
(so der Technikhistoriker Thomas Hughes) stattfindet. Gelingt dies
jedoch nicht, entstehen große Probleme. Und wenn Technik global
ausgreift, entstehen diese Probleme im globalen Maßstab. Wenn der
Technisierungsprozess zudem ständig an Geschwindigkeit zulegt, sind
die Anpassungsprozesse immer schwerer zu bewerkstelligen – auf
individueller Ebene ohnehin, aber auch auf gesellschaftlicher und
schließlich auf globaler Ebene. Insofern ist die Vorstellung
verfehlt, der Technisierungsprozess würde zu stets größerer
Harmonie führen…weiterlesen hier:
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