#150 Heike Specht – Zu erschöpft für die Wut
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Beschreibung
vor 1 Jahr
Wie wird das Urteil späterer Historiker:innen über die
20er Jahre ausfallen? Ein Jahrzehnt des Aufbruchs oder
eines der Resignation? Ein Jahrzehnt, in dem die Menschen in
Mitteleuropa endlich ihre Komfortzone verlassen haben? Oder doch
die Zeit des großes Roll-Backs vieler Errungenschaften, an dessen
Ende die alten weißen Männer die Gestaltungsmacht wieder
vollständig in der Hand haben? Heike Specht ist Historikerin und
Autorin. Ihr Bild ist ernst, aber fast trotzig positiv.
Die Fakten sind soweit bekannt: Wir stapeln
Krise auf Krise. Jüngere Generationen haben längst gemerkt, dass
wir uns erheblich bewegen müssen. Viele Ältere reagieren mit
Angst, die sie ohnehin haben – oder die von denen leicht zu
schüren ist, die in der alten Welt am meisten profitieren. Im
Ergebnis reißt das Internet ab, wenn Heike aus ihrer Wahlheimat
Schweiz mit dem Zug nach Deutschland fährt. Ganztagsschulen?
Tempolimit? Digitale Verwaltung? Schon der Blick aus dem
Nachbarland wirft rätselnde Fragen auf: Was ist hier alles nicht
passiert? Und warum?
Warum ist der Aufschrei nicht lauter? Warum
stampfen Frauen nicht mit beiden Füßen auf, wenn ihre Teilhabe an
der Gesellschaft immer weiter in Frage gestellt wird? Was kommt
dabei heraus, wenn wir wirklich aufarbeiten, was unsere
Gesellschaft in der Pandemie Kindern und Jugendlichen zugemutet
hat – und warum wir glaubten, damit durchzukommen? Wir sehen, wie
es gerade Frauen sind, die sich um Kinder im Homeschooling und
den Haushalt kümmern – im Unterschied zu den 70ern nebenbei
allerdings noch Vollzeit in Zoom-Konferenzen arbeiten. Der Mann
geht derweil wieder ins Office und schachert beim Bier nach
Feierabend um den nächsten Karriereschritt. Warum kein Protest?
Warum keine Wut? Heike diagnostiziert: Wandel ist anstrengend.
Organisation ist anstrengend. Widerstand ist anstrengend. Und
Erschöpfung rules.
Jede:r Therapeut:in würde unserer Gesellschaft wohl
zugestehen: Wer Wandel erlebt, braucht Zeit, um die
Narben zu integrieren. Aber reicht das als Grund? Reicht das, auf
die eigenen Kinder zu schauen und sich sicher zu sein, dass wir
ihnen eine lebenswerte Welt übergeben? Oder vielleicht doch nicht
zu oft darüber nachdenken?
Der Druck ist jedenfalls auch an dem ganz handfesten Streit darum
zu erkennen, wer denn eigentlich mitsprechen darf, wenn es um
unsere Zukunft geht. In den USA, ebenso aber auch viel näher in
Polen, werden Frauenrechte ebenso widerrufen wie die Rechte von
Menschen unterschiedlicher sexueller Orientierung und zahlreicher
weiterer Gruppen. Als wäre das Recht auf Teilhabe immer nur auf
Zeit verliehen. Natürlich von denen, die immer Teilhabe für sich
in Anspruch nehmen können.
Was also hilft? Trotz allem: Reden. Dialog. Also ran.
Zu Gast: Heike Specht, Historikerin, Autorin,
Buch: Die Ersten ihrer Art
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