#130 Marco Scheel – Wir können nicht alle mit dem MacBook in Kreuzberg im Café sitzen
36 Minuten
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vor 2 Jahren
Diese Woche in der Zukunft:
Ein YouTube-Held der anderer Art. Marcos Schimpftiraden über die
Schwierigkeiten, seinen alten Gutshof bei Wismar ausbauen zu
dürfen, sind längst viral gegangen. „Nordwolle“ platzt aus allen
Nähten; ein alter Stall soll zur Produktionshalle für Wolljacken
werden. Ein konsequent nachhaltiges Unternehmen in der
mecklenburgischen Provinz, lokale Wertschöpfung, ökologischer
Mehrwert, Arbeitsplätze.
Marco setzt auf Wolle von Schafen, die vor kurzem noch als Dünger
auf dem Acker untergepflügt wurde. Keiner wollte sie haben oder
gar verarbeiten. Schon gar nicht tragen. Stattdessen gehen
Funktionsjacken aus Kunstfasern über den Ladentisch. Marco sagt:
„Die Leute sehen mit ihrer Ausrüstung aus, als könnten sie gerade
den K2 besteigen, schieben aber einen Kinderwagen durch
Kreuzberg. Da denken wir: Es muss jetzt nicht unbedingt die
faserverstärkte Mülltüte sein. Wolle kann das auch supergut
leisten und in den meisten Anwendungsgebieten sogar besser.“
Nachhaltigkeit ist für ihn selbstverständlich – aber eben nicht
genug. Wenn wir nur künftig keinen Schaden anrichten wollen, was
wird dann aus den Schäden, die wir dem Planeten bereits zugefügt
haben? Marco schaut hier vor allem auf die Schafe: Richtig
gehalten, geben sie der Welt einen ökologischen Mehrwert, heilen
das Ökosystem, in dem sie leben.
Marco hat Nordwolle ohne jede Anschubfinanzierung aufgebaut;
schon Jacke #1 musste Geld verdienen, um die nächste herstellen
zu können. Inzwischen, nach knapp zehn Jahren, hat er 30
Mitarbeiter:innen und macht mehrere Mio € Umsatz pro Jahr. Das
Wachstum wird auch noch weitergehen, allerdings nicht mehr
lange.
Seine These: Vernünftig wirtschaften kann man nur bis zu einer
bestimmten Unternehmensgröße. Noch ist alles transparent. Noch
kann Marco genau sagen, woher die Wolle kommt, wie die Schafe
gehalten werden, wer die Jacke genäht hat und was alles drin ist.
Die Großen der Branche können das nicht. Sie verlassen sich auf
Zertifikate. Aber Zertifikate sollen nur den Mangel
intransparenter Märkte ausgleichen. Marco will die
intransparenten Märkte abschaffen.
Das ist, neben einigem anderen, vor allem: Arbeit. „Wenn wir
unseren Planeten so heilen wollen, wie ich das hier schildere,
dann geht das nur mit extrem viel Arbeit - und wir brauchen jede
Hand, die wir kriegen können.“ Auch das ist Zukunft von Arbeit,
nicht nur der Chai Latte am MacBook in Berlin-Mitte.
Zu Gast in dieser Woche:
Marco Scheel, Gründer von Nordwolle Rügen
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