#123 Carlo Masala – Warum der Krieg eine Zukunft hat

#123 Carlo Masala – Warum der Krieg eine Zukunft hat

48 Minuten

Beschreibung

vor 2 Jahren

Diese Woche in der Zukunft: 


Ein Podcast mit allem, das wir über den Krieg wissen müssen. Na
gut: Mit vielem. Grundlagen, nachdem weite Teile der Gesellschaft
(Michael zählt sich hier ausdrücklich dazu) über die Jahre des
heimischen Friedens verlernt haben, den Krieg als reales Mittel
der Politik zu betrachten. Und die offene Frage nach dem Danach
in der Ukraine: Was geschieht, wenn irgendwann im kommenden Jahr
alle Granaten abgefeuert, alle Patronen verschossen und alle
Budgets aufgebraucht sind? Ein Gespräch über das Phänomen Krieg
im Generellen und über Russland im Speziellen mit Carlo Masala,
Politikwissenschaftler an der Universität der Bundeswehr in
München. Irgendjemand hat angefangen, ihn als „Militärexperten“
zu bezeichnen. Das ist haften geblieben. Jedenfalls einer
klügsten Köpfe zum Thema. 


Krieg ist rational. Nicht auf dem Schlachtfeld, aber die Tatsache
des Krieges an sich. Eine beteiligte Seite hat seine Sicherheit
neu kalkuliert und ist zu dem Ergebnis gelangt: So irrsinnig
teuer ein Krieg auch sein mag, mit Verlusten an Menschen und auch
schlicht an Geld, hier lohnt er sich unter dem Strich. 


Krieg ist normal. Nicht in dem Sinne, dass wir Morden,
Vergewaltigen und Brandschatzen akzeptieren müssten. Wohl aber
normal in der Beziehung zwischen Staaten. Bei
zwischenmenschlichen Beziehungen gehen wir zunächst vom positiven
Fall aus; Streit und gar Kampf sind die Ausnahme von einer
wohlmeinenden Normalität. Zwischenstaatliche Beziehungen
funktionieren genau andersherum: Alle Seiten unterstellen sich
stets das schlechtest mögliche. Das erklärt nebenbei die
Komplexität internationaler Verträge, die nicht nur den Gebrauch
regeln, sondern auch den Missbrauch ausschließen wollen. Krieg
ist ein Dilemma; es kann minimiert, aber niemals ganz aufgelöst
werden. In diesem Sinne ist Krieg immer eine reale Option
zwischen Staaten – und Frieden die Ausnahme. 


Carlo spricht in diesem Kontext von Zyklen von Krieg und Frieden.
Hat Krieg also eine Zukunft? Sicher ja. Wird er auch Teil unserer
Zukunft sein? Wohl auch sicher ja. Wobei Michael und Carlo
ausführlich diskutieren, ob der Krieg a) konventionell oder b)
nuklear wieder nach Mitteleuropa kommen kann. Carlos
Einschätzung: a) Nein und b) sehr unwahrscheinlich. 


Carlo schätzt, dass der russische Krieg in der Ukraine noch bis
in den kommenden Sommer hinein dauern wird. Ausgang offen, bei
aller Initiative, die die Ukrainer derzeit haben. Aber was kommt
dann? Das tatsächlich Beunruhigende ist: Diese Zukunftsfrage muss
derzeit offen bleiben. Es existiert kein belastbares Bild zur
Zukunft nach diesem Krieg. 


Was hat Russland im konkreten dazu geführt, seine Rechnung neu
aufzumachen und Krieg in die Ukraine zu tragen. Carlo analysiert:
Putin ist fast eine Ausnahme, weil er so genau ankündigt, was er
zu tun gedenkt. Seit Jahren legt er dar, dass er die staatliche
Existenz der Ukraine für einen Irrtum der Geschichte und einen
Fehler seiner Amtsvorgänger hält. Seine rationale Rechnung wird
daher auch erst zu einem anderen Ergebnis führen, wenn er diesen
vermeintlichen Irrtum korrigiert hat oder der Preis für seinen
Krieg so in die Höhe schnellt, dass er zu einem umgekehrten
Ergebnis kommt. 


Zu Gast:


Carlo Masala, Politikwissenschaftler und Professor für
Internationale Politik an der Fakultät für Staats- und
Sozialwissenschaften der Universität der Bundeswehr München


Twitter: @CarloMasala1   

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