#60 Nachts um drei am Nordpol
39 Minuten
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Beschreibung
vor 3 Jahren
Diese Woche in der Zukunft:
Wir gehen in die Arktis, ins ewige Eis. Wobei: Ist das überhaupt
noch ewiges Eis? Antje Boetius sagt: Der Wandel des Klimas ist am
Nordpol mit bloßem Auge zu erkennen. Das Eis ist nur noch halb so
dick und Vielerorts stehen Süßwasser-Seen aus Tauwasser auf den
Eisschollen. Antje Boetius ist Meeresbiologin, Professorin an der
Universität Bremen und Direktorin des AWI. Das AWI ist das Alfred
Wegner Institut, das Helmholtz-Zentrum für Polar- und
Meeresforschung. Das Institut hat gerade die größte
Nordpolexpedition aller Zeiten abgeschlossen: MOSAiC, die
Expedition Arktis.
Antje Boetius hat sich von der Glagower Klimakonferenz zum
Podcast dazugeschaltet. Hörbarer Trubel im Hintergrund, ständig
eingehende Nachrichten, die Forscherin ist gefragt. MOSAiC ist
eine Expedition der außergewöhnlichen Art. Besetzt mit zahllosen
Forscher:innen nimmt die „Polarstern“ von Sibirien aus Kurs nach
Norden. In einer geeigneten Eisscholle lässt die Crew das Schiff
einfrieren, drum herum eine Forschungsstation aufs Eis gebaut –
und dann heißt es abwarten. Mit der Drift treibt die Polarstern
quer durch den Nordpol und kommt nach Monaten auf der anderen
Seite in Grönland wieder heraus. Zwischendurch haben
unterschiedlichste Forscher:innen das Eis, die Atmosphäre und das
Meer kilometerweit unter dem Nordpol erforscht, kehren zurück mit
Daten für Jahrzehnte der Forschungsarbeit.
Was Antje heute schon betont: Der Nordpol ist warm, in der Spitze
rund zehn Grad wärmer als bei der vorigen Expedition vor 125
Jahren gemessen. Zum Vergleich: Politik und Wissenschaft ringen
auf der COP26 in Glasgow um einzelne Zehntel-Grade zwischen 1,5
und 2 Grad Erwärmung der Erdatmosphäre gegenüber dem
vorindustriellen Zeitalter. Der Nordpol ist heute schon zehn Grad
wärmer. Antje sagt: Wir wissen furchtbar viel noch nicht. Die
Vielfalt des Lebens im Meer haben wir bislang wohl erst zu 10%
kennengelernt, die Welt der Mikroorganismen im Meer erst zu 1% -
aber wissen genug, um sofort zu handeln und eine weitere
Erderwärmung weitest möglich auszuschließen.
Wissen wird entscheidend sein. Wir brauchen Forschung, Wissen,
Erkenntnis – sowohl um eine weitere Erdwärmung zu verlangsamen,
als auch um uns anzupassen. Anzupassen an grundlegend veränderte
Lebensumstände, an eine Welt, in der wir stets und immer wieder
von klimatisch ausgelösten Ereignissen überrascht werden. Antje
Boetius streitet dafür, dieses Wissen schneller an
Entscheider:innen zu bringen, aber eben auch an Bürger:innen. Wir
alle, so die Meeresbiologin, werden lernen müssen, mit völlig
neuen Zeithorizonten umzugehen. Antje arbeitet mit
Wissenschaftler:innen, Künstler:innen und Autor:innen zusammen,
um hier voran zu kommen.
Der Gast in dieser Woche:
Antje Boetius, Meeresbiologin, Professorin an der
Universität Bremen, Direktorin des Alfred Wegner
Instituts, Helmholtz Zentrum für Polar- und
Meeresforschung.
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