Beschreibung

vor 3 Jahren

Diese Woche in der Zukunft:


Ein Interview mit einer Schulleiterin in den Sommerferien 2021.
Erste Frage: „Aber nach den Ferien ist dann ja wieder alles so
gut wie früher – wie viele Fehler stecken in diesem Satz?“ – und
damit wäre das Gespräch dann auch schon fast zu Ende gewesen.
Silke Müller ist Leiterin der Waldschule Hatten im Westen
Niedersachsens. Und sie lässt kaum ein gutes Haar am heutigen
Schulsystem. Wenn es unser Ziel sein sollte, die Kinder auf die
Zukunft vorzubereiten, mehr noch: sie in die Lage zu versetzen,
ihre und unsere Zukunft zu gestalten, dann werden wir dieses Ziel
nicht erreichen. Schule macht Schülerinnen und Schüler nicht fit
für die Zukunft. 


Was würde helfen? Ein neues Fach, vielleicht „Zukunft“,
„Wirtschaft“ oder „Verantwortung“? Ein klares Nein. Die Zahl der
Fächer ist ohnehin zu hoch, die Inhalte gehen an Leben und
Herausforderungen der Kinder vorbei. Vor allem aber: Es geht um
vernetztes Lernen und übergreifende Inhalte. Ein weiteres Fach
zersplittert die Inhalte nur noch mehr. An der Waldschule Hatten
nehmen alle Kinder 2 Stunden pro Woche am Projekt „Leben lernen“
teil. Das ernüchterte Fazit: In diesen 2 Stunden lernen die
Kinder oft mehr als im gesamten Rest der Woche. Spricht nicht
gerade für die übrigen Fächer …


Schon hier beginnt die Kultur der Digitalität. Aufgaben sind
nicht mehr „Deutsch“ oder „Geschichte“, Aufgaben sind relevant
oder nicht. Relevante Aufgaben lassen sich nicht alleine lösen.
Also braucht es andere Lernformen und andere Freiheiten beim
Lernen. Ja, und auch Technik – auch wenn der Klassensatz Laptops
alleine die Digitalisierung der Bildung keinen Zentimeter
voranbringt.


Die Liste der ganz praktischen Maßnahmen ist lang: Eine andere
Rhythmisierung des Tages? Auf jeden Fall. Silke Müller hat an
ihrer Schule die Klingel abgestellt. Mehr Offenheit und Dialog
mit Unternehmen? Dringend, damit die Schule lernt, wie Arbeit
heute längst funktioniert. Damit Schule lernen kann von Agilität,
von Selbstbestimmung, von mobilem Arbeiten, von Teamwork. An der
Waldschule nimmt gerade eine Gruppe von Schülerinnen und Schülern
die Arbeit auf und berät die Schulleitung. 


Und Corona? Natürlich gibt es die Schülerinnen und Schüler, die
zuhause kein gutes Lernumfeld haben und die Unterstützung
brauchen. Daneben stehen mindestens ebenso viele, die zum ersten
Mal die Erfahrung gemacht haben, angstfrei, in ihrem eigenen
Tempo, nach ihren eigenen Bedürfnissen lernen zu können.
Spannende Frage: Sollen diese Schülerinnen und Schüler dies nach
der akuten Phase der Pandemie nicht mehr können?


Silke Müller sitzt in ihrem Büro vor einem Filmplakat: „Frau
Müller muss weg!“. Großartiger Film, startete gerade, als sie
sich auf die Position der Schulleiterin bewarb. Ihr Credo
seither: Machen! Die wichtigste Rolle der Schulleitung ist nicht,
dem Schulgesetz zu Glanz und Glorie zu verhelfen, sondern
Entwicklung möglich zu machen. Mit Unterstützung vom
Bürgermeister hat sie Luftfilter in der Schule bekommen, überall.
Es geht. Die Schule hat Breitbandinternet, seit langem. Es geht.
Allein das ist inspirierend: Sich bei allen Mängeln des Systems
nicht darauf auszuruhen, was nicht funktioniert, sondern die
Ärmel immer gleich hochgekrempelt zu lassen. Einfach machen!


Der Gast in dieser Woche:


Silke Müller, Leiterin der waldschule-hatten.de (Niedersachsen).


Auf Twitter: @SilkeWSH

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