Welche Bedeutung hat der Gyrus temporalis superior in der Pathologie schizophrener Störungen?

Welche Bedeutung hat der Gyrus temporalis superior in der Pathologie schizophrener Störungen?

Beschreibung

vor 20 Jahren
Der Gyrus temporalis superior (STG) ist anatomischer Sitz von
funktionell relevanten Zentren der Sprachorganisation und der
Verarbeitung akustischer Reize. Durch temporo-limbische und die
neocorticale Assoziationsfaserbündel ist er eng in das heteromodale
(polymodale) assoziative kortikale Netzwerk eingebunden. In der
Diskussion über die Ätiologie schizophrener Störungen mit ihren
Kernsymptomen akustische Halluzinationen und formale Denkstörungen
wurde daher dem STG bereits sehr früh eine zentrale Rolle in der
Pathogenese schizophrener Störungen zugeschrieben.
Post-mortem-Studien konnten diese Annahmen nicht ausreichend
bestätigen. Mit Einführung moderner Bildgebungsverfahren wie der
MRT erhärteten sich die Hinweise auf fokale Pathologien bei
schizophrenen Störungen: Eine erste Studie von Shenton beschrieb
1992 eine linksseitige Reduktion des posterioren STG, die mit
auditorischen Halluzinationen bzw. formalen Denkstörungen in
Zusammenhang gestellt werden konnte. Darauf folgende Studien fanden
wiederholt Hinweise auf eine linksseitige Volumenreduktion des STG,
insbesondere der grauen Substanz, welche invers mit Halluzinationen
und Denkstörungen korrelierte. Allerdings gab es auch Ergebnisse,
die eine Korrelation nicht bestätigten, so dass Befunde zwischen
den Studien nicht konsistent waren, wobei methodische und
technische Aspekte sowie die Auswahl und zu geringe Anzahl zu
untersuchender Patienten und gesunder Kontrollpersonen für diese
Unterschiede ursächlich gewesen sein könnten. Die Ätiologie der
beobachteten Veränderungen blieb bisher ungeklärt. Neben einem
neurodegenerativen Prozess wurde eine neuronale Entwicklungsstörung
diskutiert. Die vorliegenden Studie wirkt diesem mangelhaften
Untersuchungsdesign entgegen und untersuchte in einem
experimentellen Ansatz mit einer methodisch klar definierten
kernspintomographischen Untersuchung unter Anwendung eines
etablierten methodischen Verfahrens (BRAINS) mit hoher Spezifität
und Sensitivität die Volumina ausgewählter Hirnregionen. Dabei
wurde auf eine strenge Auswahl einer männlichen Patientengruppe
hoher Fallzahl mit bekannter Schizophrenie und einer nach Alter,
Geschlecht und Händigkeit entsprechenden Kontrollgruppe geachtet.
Lokale Volumenreduktionen oder veränderte
Lateralisierungsverhältnisse des STG sollten verifiziert und ein
Zusammenhang zwischen den Symptomen der formalen Denkstörungen mit
Reduktionen der grauen Substanz des linken posterioren STG
bestätigt werden. Es konnten unter Betrachtung des gesamten STG,
seiner anterioren und posterioren Anteile einschließlich der grauen
Substanz keine signifikanten Gruppendifferenzen beobachtet werden.
Eine für schizophrene Störungen typische strukturelle Pathologie
wurde nicht nachgewiesen. Schließlich konnte eine gestörte
Lateralisierung in der Region des linken und rechten posterioren
STG bei schizophrenen Patienten im Vergleich zu gesunden
Kontrollprobanden nicht bestätigt werden. Eine inverse Korrelation
von Voluminareduktionen des STG zu formalen Denkstörungen konnte
ebenfalls nicht hergestellt werden. Somit konnte die weiterführende
These einer Diskonnetivitätsstörung bei schizophrenen Störungen
nicht bestätigt werden. Die negativen Ergebnisse dieser Studie
beruhen wohl im Vergleich zu den bisherigen Studien in erster Linie
auf eine unterschiedliche Patientenpopulation bzw. auf einen
unterschiedlichen Krankheitsverlauf in der Population. Insbesondere
scheinen hierbei die gute Symptomremission während der stationären
Behandlung als auch das methodische Auswahlverfahren der zu
untersuchen Probanden maßgeblich zu sein. Zusammenfassend lässt
sich festhalten, dass die hier vorgestellten Ergebnisse an einer
großen Patientenstichprobe keine Reduktion der grauen Substanz des
linken posterioren STG nachweisen konnten. Darüber hinaus fanden
sich in in der untersuchten Region keine Hinweise für gestörte
Lateralisierungsverhältnisse bei schizophrenen Patienten.
Gleichzeitig weist die fehlende Assoziation von klinischen Daten
mit der darunterliegenden anatomischen Makrostruktur des STG darauf
hin, dass die Zusammenführung von strukturellen und funktionellen
Daten nicht immer einfache Erklärungen für die
Schizophrenieforschung liefern kann.

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