Torsionelle Augenbewegungen bei galvanischen, natürlichen und pathologischen Reizzuständen des menschlichen Gleichgewichtssystems
Beschreibung
vor 20 Jahren
Der Ausgangspunkt dieser Arbeit war die Frage, ob sich die
galvanische vestibuläre Stimulation (GVS) und die Messung der
dadurch ausgelösten torsionellen Augenbewegungen zur Diagnostik
vestibulärer Störungen eignen. Hierzu ist eine genaue Kenntnis der
Wirkmechanismen der GVS notwendig. Bei der GVS wird ein Strom von
einigen mA über die Felsenbeine geleitet, unter denen sich die
Gleichgewichtsorgane befinden. Der Strom reizt diese Strukturen und
verursacht so Bewegungsempfindungen, Körperschwankungen und --
durch den vestibulo-okulären Reflex (VOR) -- Augenbewegungen, die
neben horizontalem Nystagmus auch aus phasischen und tonischen
Torsionskomponenten bestehen. Letztere haben in der Literatur zu
der Vermutung eines starken Otolithenbeitrags geführt. Bei näherer
Betrachtung der bekannten VOR-Verstärkungen fiel jedoch auf, dass
die tonische Komponente eine zu hohe Amplitude aufweist, um allein
aus der elektrischen Erregung von Otolithen zu stammen. Deshalb
wurde für die GVS die Hypothese eines dominanten Bogengangsanteils
experimentell überprüft. Die Augenbewegungen wurden mittels
Video-Okulographie (VOG) gemessen. Bei den eingesetzten
Stimulationsintensitäten traten aber oft nur kleine
Nystagmusschläge auf, die vom Rauschen des ursprünglich verwendeten
VOG-Systems verdeckt wurden. Deshalb wurde mit handelsüblicher
digitaler Videotechnik ein neues, rauschärmeres VOG-System
entwickelt, das die Messung auch kleiner torsioneller
Nystagmusschläge ermöglichte. Zusätzlich wurde zur Analyse der in
phasischen und tonischen Komponenten interindividuell
unterschiedlichen Augentorsionen ein neues Verfahren zur
künstlichen Elimination von torsionellem Nystagmus eingeführt. Dies
ermöglichte einerseits, alle Probandendaten trotz
interindividueller Unterschiede auf einer gemeinsamen Basis
miteinander zu vergleichen, und andererseits, die Eigenschaften der
beobachteten Augenbewegungen im Kontext der Ergebnisse anderer
VOR-Studien zu diskutieren. Bei den Experimenten mit gesunden
Probanden wurden Augentorsionen während transmastoidaler
Wechselstromstimulationen aufgezeichnet. Im Bereich von 0,005-1,67
Hz entsprach die gemessene Frequenzcharakteristik jener des
torsionellen VOR-Integrators. In einem weiteren Versuch wurden
Gleichstromstimulationen mit natürlichen Kopfdrehungen verglichen,
deren Verlauf so angepasst wurde, dass die Afferenzen im
Bogengangsmodell in ähnlicher Weise wie bei der galvanischen
Reizung aktiviert wurden. Dabei waren die Augenbewegungen beider
Bedingungen statistisch nicht unterscheidbar, was die eingangs
formulierte Hypothese weiter stützte. Zusätzlich konnten
Idiosynkrasien in den tonischen und phasischen Komponenten der
Augentorsion auf eine individuell variierende Nystagmusverarbeitung
zurückgeführt werden, die auch vorhandene Nichtlinearitäten im
torsionellen VOR erklären konnte. Bei allen eingesetzten Reizen
wurde beobachtet, dass jeder Lidschlag eine torsionelle Sakkade
auslöste, deren Amplitude im Vergleich zu den sonstigen
Nystagmusschlägen signifikant erhöht war. Da bei Patienten mit
einer einseitigen vestibulären Störung eine zumindest qualitativ
ähnliche Tonus-Imbalance vorliegt wie bei der galvanischen Reizung,
stellte sich die Frage nach der Übertragbarkeit dieses Effektes auf
den pathologischen Fall. In der Tat konnten Messungen an Patienten
belegen, dass auch hier jeder Lidschlag eine schnelle torsionelle
Nystagmusphase auslöst. Damit konnte gezeigt werden, dass sich
torsionelle Augenbewegungen während wiederholtem Blinzeln als
einfacher Standardtest für die klinische Untersuchung einseitiger
vestibulärer Erkrankungen eignen.
galvanische vestibuläre Stimulation (GVS) und die Messung der
dadurch ausgelösten torsionellen Augenbewegungen zur Diagnostik
vestibulärer Störungen eignen. Hierzu ist eine genaue Kenntnis der
Wirkmechanismen der GVS notwendig. Bei der GVS wird ein Strom von
einigen mA über die Felsenbeine geleitet, unter denen sich die
Gleichgewichtsorgane befinden. Der Strom reizt diese Strukturen und
verursacht so Bewegungsempfindungen, Körperschwankungen und --
durch den vestibulo-okulären Reflex (VOR) -- Augenbewegungen, die
neben horizontalem Nystagmus auch aus phasischen und tonischen
Torsionskomponenten bestehen. Letztere haben in der Literatur zu
der Vermutung eines starken Otolithenbeitrags geführt. Bei näherer
Betrachtung der bekannten VOR-Verstärkungen fiel jedoch auf, dass
die tonische Komponente eine zu hohe Amplitude aufweist, um allein
aus der elektrischen Erregung von Otolithen zu stammen. Deshalb
wurde für die GVS die Hypothese eines dominanten Bogengangsanteils
experimentell überprüft. Die Augenbewegungen wurden mittels
Video-Okulographie (VOG) gemessen. Bei den eingesetzten
Stimulationsintensitäten traten aber oft nur kleine
Nystagmusschläge auf, die vom Rauschen des ursprünglich verwendeten
VOG-Systems verdeckt wurden. Deshalb wurde mit handelsüblicher
digitaler Videotechnik ein neues, rauschärmeres VOG-System
entwickelt, das die Messung auch kleiner torsioneller
Nystagmusschläge ermöglichte. Zusätzlich wurde zur Analyse der in
phasischen und tonischen Komponenten interindividuell
unterschiedlichen Augentorsionen ein neues Verfahren zur
künstlichen Elimination von torsionellem Nystagmus eingeführt. Dies
ermöglichte einerseits, alle Probandendaten trotz
interindividueller Unterschiede auf einer gemeinsamen Basis
miteinander zu vergleichen, und andererseits, die Eigenschaften der
beobachteten Augenbewegungen im Kontext der Ergebnisse anderer
VOR-Studien zu diskutieren. Bei den Experimenten mit gesunden
Probanden wurden Augentorsionen während transmastoidaler
Wechselstromstimulationen aufgezeichnet. Im Bereich von 0,005-1,67
Hz entsprach die gemessene Frequenzcharakteristik jener des
torsionellen VOR-Integrators. In einem weiteren Versuch wurden
Gleichstromstimulationen mit natürlichen Kopfdrehungen verglichen,
deren Verlauf so angepasst wurde, dass die Afferenzen im
Bogengangsmodell in ähnlicher Weise wie bei der galvanischen
Reizung aktiviert wurden. Dabei waren die Augenbewegungen beider
Bedingungen statistisch nicht unterscheidbar, was die eingangs
formulierte Hypothese weiter stützte. Zusätzlich konnten
Idiosynkrasien in den tonischen und phasischen Komponenten der
Augentorsion auf eine individuell variierende Nystagmusverarbeitung
zurückgeführt werden, die auch vorhandene Nichtlinearitäten im
torsionellen VOR erklären konnte. Bei allen eingesetzten Reizen
wurde beobachtet, dass jeder Lidschlag eine torsionelle Sakkade
auslöste, deren Amplitude im Vergleich zu den sonstigen
Nystagmusschlägen signifikant erhöht war. Da bei Patienten mit
einer einseitigen vestibulären Störung eine zumindest qualitativ
ähnliche Tonus-Imbalance vorliegt wie bei der galvanischen Reizung,
stellte sich die Frage nach der Übertragbarkeit dieses Effektes auf
den pathologischen Fall. In der Tat konnten Messungen an Patienten
belegen, dass auch hier jeder Lidschlag eine schnelle torsionelle
Nystagmusphase auslöst. Damit konnte gezeigt werden, dass sich
torsionelle Augenbewegungen während wiederholtem Blinzeln als
einfacher Standardtest für die klinische Untersuchung einseitiger
vestibulärer Erkrankungen eignen.
Weitere Episoden
In Podcasts werben
Kommentare (0)