Elektrophysiologische Ableitungen in der Magnetresonanztomographie

Elektrophysiologische Ableitungen in der Magnetresonanztomographie

Beschreibung

vor 20 Jahren
Durch den Einsatz neuer MR-Bildgebungsverfahren und durch die
Realisierung von störungsfreien elektrophysiologischen Ableitungen
in der MRT konnten neue Methoden und Ergebnisse im Bereich der
schnellen MR-Bildgebung erarbeitet werden. Die Ergebnisse waren vor
allem die Entwicklung von Methoden der digitalen Signalverarbeitung
zur Entstörung von EEG-Ableitungen in der MRT, die praktische
Umsetzung dieser Methoden in einer klinischen Studie zur nicht
invasiven Lokalisation epileptischer Herde durch EEG-geführte
funktionelle MR-Bildgebung, weiter der experimentelle Nachweis der
Stimulation peripherer Nerven bei schnellen MR-Bildgebungsverfahren
mittels EMG-Ableitung in der MRT und schließlich die Programmierung
eines umfassenden Modells zur Abschätzung einer Stimulation
peripherer Nerven und des Myokards während schneller MR-Bildgebung.
Bei medikamentös nicht einstellbarer fokaler Epilepsie verbleibt
als einzige Therapieform eine Resektion des anfallauslösenden
Cortexareals. Eine exakte Lokalisation des zu resezierenden Areals
ist von entscheidender Bedeutung für den therapeutischen Erfolg.
Das EEG ist der Goldstandard zur Diagnose von Epilepsien. Eine
genaue dreidimensionale Lokalisation des Ursprungs
epilepsietypischer Ereignisse ist mit nicht invasiven
EEG-Ableitungen jedoch unmöglich. Mit der funktionellen
Magnetresonanztomographie hingegen lassen sich aktive Cortexareale
unübertroffen genau lokalisieren. Ziel der Arbeit war es, ein EEG
in diagnostischer Qualität in der MRT abzuleiten, epilepsietypische
Ereignisse im EEG zu detektieren, nach diesen Ereignissen die
funktionelle MRT zu starten und somit Cortexareale mit
epilepsietypischer Aktivität dreidimensional zu lokalisieren. Das
EEG ist für elektromagnetische Störungen extrem anfällig. In der
Umgebung der MRT mit Hochmagnetfeldern, Radiofrequenzen und
niederfrequenten Magnetfeldern war ein EEG bisher nicht auswertbar.
In dieser Arbeit wurden verschiedene Störeinflüsse der MRT auf das
EEG untersucht. EKG-synchrone minimale Bewegungen des Kopfes der
Patienten im Hochmagnetfeld induzieren Signale im EEG, die eine
Erkennung epilepsietypischer Ereignisse im EEG verhindern.
Algorithmen wurden entwickelt, die Störungen im EEG durch eine
Korrelation zum EKG ermitteln und dann vom EEG subtrahieren. Mit
diesen Algorithmen ließ sich ein EEG in diagnostischer Qualität im
Hochmagnetfeld des MR-Tomographen realisieren. Während der
Bildgebung ist das EEG durch elektromagnetische Induktion und durch
Vibrationen bei den Schaltvorgängen der magnetischen
Gradientenfelder gestört. Es konnte gezeigt werden, dass die im EEG
induzierten Störfrequenzen aus diskreten harmonischen Frequenzen
bestehen, die den Programmstrukturen der Bildgebungssequenzen
entsprechen. Ein digitales Signalverarbeitungsverfahren wurde
entwickelt, das die Fourier-Transformationen von gestörtem und
ungestörtem EEG vergleicht, Störfrequenzen automatisch erkennt und
schließlich aus dem EEG entfernt. Eine kontinuierliche Korrelation
funktioneller MR-Daten mit der elektrischen Aktivität des Cortex
wurde mit diesem Verfahren erstmals möglich. In einer Studie mit
Patienten, die an fokaler Epilepsie leiden, wurde das EEG in der
MRT abgeleitet und die entwickelten Algorithmen zur Entstörung des
EEG wurden angewendet. Dabei wurde die funktionelle Bildgebung
unmittelbar nach dem Auftreten epilepsietypischer interiktaler
Spikes im EEG gestartet. Mehrere Datensätze wurden nach einem
interiktalen Spike erfasst. Durch eine Korrelation der MR-Daten mit
dem entstörten EEG konnten eindeutige MR-Datensätze einer
statistischen funktionellen Auswertung zur Verfügung gestellt
werden. Bei Patienten, die eine angemessene Zahl interiktaler
Spikes während der Untersuchungszeit aufwiesen, ließ sich das
interiktal aktive Cortexareal in hoher dreidimensionaler Auflösung
darstellen. Die Signalintensitätsänderungen in den MR-Datensätzen
durch den BOLD-Kontrast nach interiktalen Spikes betrug
durchschnittlich 15 % und übertraf damit alle
Signalintensitätsänderungen, die mit anderen funktionellen
MR-Studien bei gleicher Feldstärke bisher erreicht werden konnten.
Dem Einsatz neuer schneller MR-Bildgebungsverfahren mit deren
erweiterten diagnostischen Möglichkeiten stehen Stimulationen
peripherer Nerven, ausgelöst durch schnelles Schalten magnetischer
Gradientenfelder, entgegen. Schaltet man magnetische
Gradientenfelder von großer Amplitude in sehr kurzer Zeit, werden
dadurch Ströme im Körper des Patienten induziert, die wiederum
periphere Nerven stimulieren können. Die Regulierungsbehörden
mehrerer Länder, wie auch das Bundesamt für Strahlenschutz,
reagierten auf diese Umstände und empfahlen Grenzwerte für
geschaltete magnetische Gradientenfelder in der MRT. Schädigende
Wirkungen der Stimulation peripherer Nerven waren nicht bekannt, es
wurde jedoch eine mögliche Erregung des Myokard befürchtet. In
einer Projektarbeit für das Bundesamt für Strahlenschutz wurden
mehrere Studien durchgeführt, um die Problematik der Stimulation
peripherer Nerven durch schnell geschaltete magnetische
Gradientenfelder in der MRT näher zu untersuchen. Die
physiologischen Vorgänge bei der Stimulation peripherer Nerven
durch geschaltete magnetische Felder wurden erläutert. Die Schwelle
zur Erregung peripherer Nerven durch geschaltete magnetische Felder
ist für motorische Nerven am geringsten. Wird ein motorischer Nerv
erregt, führt dies zu einer Kontraktion des entsprechenden Muskels.
In früheren Studien wurden Stimulationsschwellen durch das Befragen
der Probanden bestimmt. Dabei wurde eine weite Streuung der
Stimulationsschwellen unter den Probanden beobachtet und das
subjektive Empfinden der Probanden als Ursache der weiten Streuung
der Stimulationsschwellen konnte nicht ausgeschlossen werden.
Mittels Elektromyographie (EMG) in der MRT konnte die Stimulation
peripherer Nerven erstmals messtechnisch nachgewiesen werden. Durch
einen Vergleich der Stimulationsschwellen, bestimmt durch die
Aussagen der Probanden, mit den Stimulationsschwellen, die durch
EMG-Ableitung bestimmt wurden, ließ sich zeigen, dass die Aussagen
der Probanden gut mit dem EMG übereinstimmen und dass die Streuung
der Stimulationsschwellen auf unterschiedlichen konstitutionellen
Parametern der Probanden beruhen muss. Die Erregung peripherer
Nerven mit elektrischen Strömen wurde in zahlreichen anderen
Studien bereits ausführlich untersucht und ein breites Wissen ist
in internationalen Veröffentlichungen zugänglich. Das Grundgesetz
der Elektrostimulation, das Weiss-Gesetz, beschreibt die
Stimulationswirkung eines Strompulses mit den neurophysiologischen
Konstanten Rheobase und Chronaxie. Stimulationsexperimente wurden
im Magnetresonanztomographen durchgeführt, mit denen sich die Werte
von Chronaxie und Rheobase der einzelnen Probanden bestimmen
ließen. Die Werte stimmen mit den Werten aus Studien der
Elektrostimulation überein. Ein anderes Modell aus der
Elektrostimulation, das SENN-Modell, beschreibt die Stimulation von
oszillierenden Strömen in Abhängigkeit von deren Frequenz. In
Stimulationsexperimenten konnte gezeigt werden, dass sich auch
dieses Gesetz zur Beurteilung der Stimulationswirkung
oszillierender magnetischer Felder in der MRT eignet. Ergebnisse
aus der Elektrostimulation lassen sich also auf die Beschreibung
der Stimulation peripherer Nerven durch magnetische Felder in der
MRT übertragen. Die Literatur der Elektrostimulation bietet jedoch
kein umfassendes Modell an, das die Stimulation einer beliebigen
Schaltung von magnetischen Feldern beschreiben kann. Auf den
Kenntnissen der Elektrostimulation aufbauend wurde ein umfassendes
Modell programmiert, das einer Verallgemeinerung des Weiss-Gesetzes
von konstanten zu zeitlich veränderlichen Strömen entspricht und
das die Stimulation einer beliebigen Gradientenschaltung
vorhersagen soll. Dem Modell liegt zugrunde, dass Ströme, die durch
geschaltete Magnetfelder induziert werden, eine Ladung auf der
Nervenmembran aufbauen. Überschreitet diese Ladung einen bestimmten
Wert, wird die Erregung des Nerven ausgelöst. Das Modell wurde in
entsprechenden Algorithmen umgesetzt, die aus der
Gradientenschaltung ein Stimulationspotential berechnen. In
mehreren Stimulationsexperimenten, in denen verschiedene Parameter
der Gradientenschaltungen variiert wurden, wurde das Modell
getestet. Die Simulationen des Modells konnten stets die Ergebnisse
der Experimente reproduzieren. Da in das Modell die
neurophysiologischen Parameter Chronaxie und Rheobase eingehen,
konnte das Modell darüber hinaus auch das Stimulationsverhalten
individueller Probanden vorhersagen. Eine optimale Ausnutzung der
technischen Möglichkeiten zur schnellen MR-Bildgebung bei
uneingeschränktem Komfort für den Patienten wird durch den Einsatz
dieses sogenannten GSF-Modells möglich. Die Parameter Chronaxie und
Rheobase sind auch für das Myokard bekannt. Durch einen Austausch
der Parameter für periphere Nerven mit den Parametern des Myokards
im GSF-Modell konnten Stimulationsschwellen des Herzens
reproduziert werden, wie sie von einer anderen Forschungsgruppe an
Hunden experimentell bestimmt wurden. Mit dem GSF-Modell für das
Herz ließ sich zeigen, dass selbst mit den zur Zeit
leistungsfähigsten Gradientensystemen keine Gefahr der Erregung des
Myokards besteht. Aus der Kombination von zwei etablierten
diagnostischen Verfahren, der schnellen MR-Bildgebung und der
Aufzeichung elektrophysiologischer Signale, und durch die Lösung
der in der Kombination auftretenden methodischen Schwierigkeiten,
ließen sich in den vorgestellten Studien aktuelle wissenschaftliche
Ergebnisse im Bereich der Magnetresonanztomographie erarbeiten, die
von klinischer und sicherheitstechnischer Relevanz sind.

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