"Black Widow" - Das Fortsetzungsprequel
18 Minuten
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Beschreibung
vor 3 Jahren
Eigentlich muss man niemanden daran erinnern aber falls dieser Text
in ferner Zukunft gelesen wird, fassen wir die Umstände grob
zusammen: Black Widow, der neueste Film des Marvel Cinematic
Universe sollte ursprünglich im Mai 2020 erscheinen. Als Reaktion
auf eine globale Gesundheitskriese, ausgelöst durch das
Beta-Coronavirus SARS-CoV-2 mussten weltweit auch die Kinosäle
schließen. Wie wenig Menschen mit unangenehmen Situationen und
Konsequenzen umgehen können, zeigt sich an den gesellschaftlichen,
persönlichen und globaen Clusterfucks, die seitdem über uns
hereingeprasselt sind. Grüße an die Zukunft und zurück zur
Popkultur. Dass es drei Veröffentlichungstermine gebraucht hat, bis
Black Widow es in die, mittlerweile wieder geöffneten, Kinos
geschafft hat, dass er einen Tag später im VIP-Zugang (für 21,99
Euro) via Disney+ verfügbar sein wird, zeigt wie die Pandemie auch
die Pläne der wohl erfolgreichsten Blockbusterschmiede
durcheinander gewirbelt hat. Das ist nicht nur wirtschaftlich
relevant, sondern auch für die Zuschauerperspektive: von 2013 bis
2016 gab es jedes Jahr zwei, von 2017 bis 2019 drei MCU-Filme pro
Jahr. Seit Spider-Man: Far From Home lag das MCU im Kino still.
(Weil das Kino still lag.) Für Marvel und die Fans war es ein
großes Glück, dass man ohnehin mehrere MCU-Serien für den
hauseigenen Streaming-Dienst Disney+ in der Pipeline hatte, wo man
den Bedarf an Neuem befriedigen konnte. Doch so innovativ
Wandavision und Loki sind und so smart erzählt wie The Falcon and
the Winter Soldier war: Trotz hohen Produktionswerten und Kinooptik
liegen zwischen Wohnzimmer und Kinosaal noch Meilen. Für ein
Publikum, das über ein Jahr keine Filme mehr auf der großen
Leinwand sehen durfte, ist Black Widow nun tatsächlich genau das
richtige: Action und Set-Pieces die sich im kleinen Bild kaum
richtig entfalten können, ein Fest für Augen und Ohren. Inhaltlich
funktioniert der Spagat zwischen eigenständiger Geschichte und
Anschluss an das große MCU gerade gut genug um auch Zuschauer mit
Wissenslücken nicht zu verwirren – tatsächlich könnte man Black
Widow sogar ohne Vorwissen schauen. Falls der letzte gesehene
Marvelfilm Captain America: Civil War gewesen ist, mag man sich
sogar komplett zuhause fühlen, denn Black Widow spielt zeitlich
direkt danach. „The key word in back story is back“ schreibt
Stephen King in On Writing: A Memoir of the Craft und das mag für
Filme vielleicht sogar noch mehr gelten als für Romane. Dennoch war
es mehr als überfällig, dass Natasha Romanoff aka Black Widow ihren
ersten (und mutmaßlich letzten) Solofilm bekommt. Als Mitglied der
ursprünglichen MCU-Avengers und der bekanntesten Spionin direkt
neben Spymaster Nick Fury war ihre Hintergrundgeschichte
passenderweise ein kleines Mysterium, das nur über kurze
Rückblenden und Anspielungen in den Dialogen vermittelt wurde (und
teilweise auf harsche Kritik stoß). Doch das Abarbeiten der
Hintergrundgeschichte ist nur eine der Aufgaben, die Black Widow
elegant und unterhaltsam bewältigt: Auch wenn man keine
tiefenpsychologischen Leistungen erwarten sollte, versteht man am
Ende des Films sehr viel besser, wie die titelgebende Figur in
ihrem Inneren tickt und wie sie zu ihren Mitmenschen steht. Die
Anbindung an das restliche MCU gelingt so gut, dass man bei
künftigen Rewatches Black Widow nahtlos zwischen Civil War und
Infinity War anschauen kann – hier haben die Macher im Großen und
im Kleinen ein erschreckend gutes Gespür dafür bewiesen, was dem
Zuschauer ein Gefühl von nativer Zusammengehörigkeit von
Geschichten vermittelt: Plot, Worldbuilding, Schauspiel, Stimmung,
Gaderobe und Makeup arbeiten zusammen und schaffen es, dass Black
Widow weniger ein Prequel als eine verspätete Fortsetzung ist.
Thematisch widmet sich der Film den Stichpunkten „Familie“ und
„Emanzipation“. Der erste Themenkomplex bleibt dabei oberflächlich
aber angenehm unkonventionell – wer hätte bei Natasha Romanoff auch
mit einer generischen Kleinfamiliengeschichte ohne Haken gerechnet?
– wird aber sehr offen und plakativ angesprochen. Dass es aber auch
um die Emanzipation weiblicher Figuren geht, ist natürlich auch
kein Fall für das Hermeneutisch Interpretatorische Einsatzkommando,
wird aber immerhin nicht demonstrativ didaktisch durchdiskutiert,
sondern ist – in jedem Wortsinne – starker Teil von Handlung und
Subtext. Die schauspielerische Leistung des Casts nicht zu loben
wäre sicherlich ein Fehler. Scarlett Johanson ist selbst so bekannt
und kennt ihre Figur mittlerweile so gut, dass es schwer fällt noch
von ihrer Leistung überrascht zu sein. Dennoch ist es spannend zu
sehen, wie sie emotionale Noten umsetzt, die wir von der
spionierenden Assasine noch nicht gesehen haben. Florence Pugh wird
zurecht für ihre Leistung mit viel Lob überschüttet, Rachel Weisz
spielt sich routiniert durch den Film, David Harbour liefert uns
die bärig sympathische Figur, die wir von ihm erwartet haben, Ray
Winston verströhmt eine Aura ekelhafter, toxischer Bedrohlichkeit.
Die wohl intensivste Leistung des Films liefert aber Ever Anderson
als junge Natasha Romanoff ab: In ihren wenigen Szenen zeigt sie
eine rohe, authentische Emotionalität, die nicht nur beachtlich
ist, sondern die für die emotionale Erdung ihrer Figur und des
Films enorm wichtig wird. Fazit Wer nach dieser langen Zeit ohne
Kino erstmals wieder eine Eintrittskarte kauft, könnte sich kaum
für einen besseren Film entscheiden als für „Black Widow“. Niemand
hat von „Black Widow“ erwartet, dass hier das Blockbuster-Kino
revolutioniert wird aber neben der mittlerweile perfekt
eingestellten Marvel-Formel findet unter der Haube eine
schleichende Evolution statt, die uns hoffentlich bald überraschen
wird.
in ferner Zukunft gelesen wird, fassen wir die Umstände grob
zusammen: Black Widow, der neueste Film des Marvel Cinematic
Universe sollte ursprünglich im Mai 2020 erscheinen. Als Reaktion
auf eine globale Gesundheitskriese, ausgelöst durch das
Beta-Coronavirus SARS-CoV-2 mussten weltweit auch die Kinosäle
schließen. Wie wenig Menschen mit unangenehmen Situationen und
Konsequenzen umgehen können, zeigt sich an den gesellschaftlichen,
persönlichen und globaen Clusterfucks, die seitdem über uns
hereingeprasselt sind. Grüße an die Zukunft und zurück zur
Popkultur. Dass es drei Veröffentlichungstermine gebraucht hat, bis
Black Widow es in die, mittlerweile wieder geöffneten, Kinos
geschafft hat, dass er einen Tag später im VIP-Zugang (für 21,99
Euro) via Disney+ verfügbar sein wird, zeigt wie die Pandemie auch
die Pläne der wohl erfolgreichsten Blockbusterschmiede
durcheinander gewirbelt hat. Das ist nicht nur wirtschaftlich
relevant, sondern auch für die Zuschauerperspektive: von 2013 bis
2016 gab es jedes Jahr zwei, von 2017 bis 2019 drei MCU-Filme pro
Jahr. Seit Spider-Man: Far From Home lag das MCU im Kino still.
(Weil das Kino still lag.) Für Marvel und die Fans war es ein
großes Glück, dass man ohnehin mehrere MCU-Serien für den
hauseigenen Streaming-Dienst Disney+ in der Pipeline hatte, wo man
den Bedarf an Neuem befriedigen konnte. Doch so innovativ
Wandavision und Loki sind und so smart erzählt wie The Falcon and
the Winter Soldier war: Trotz hohen Produktionswerten und Kinooptik
liegen zwischen Wohnzimmer und Kinosaal noch Meilen. Für ein
Publikum, das über ein Jahr keine Filme mehr auf der großen
Leinwand sehen durfte, ist Black Widow nun tatsächlich genau das
richtige: Action und Set-Pieces die sich im kleinen Bild kaum
richtig entfalten können, ein Fest für Augen und Ohren. Inhaltlich
funktioniert der Spagat zwischen eigenständiger Geschichte und
Anschluss an das große MCU gerade gut genug um auch Zuschauer mit
Wissenslücken nicht zu verwirren – tatsächlich könnte man Black
Widow sogar ohne Vorwissen schauen. Falls der letzte gesehene
Marvelfilm Captain America: Civil War gewesen ist, mag man sich
sogar komplett zuhause fühlen, denn Black Widow spielt zeitlich
direkt danach. „The key word in back story is back“ schreibt
Stephen King in On Writing: A Memoir of the Craft und das mag für
Filme vielleicht sogar noch mehr gelten als für Romane. Dennoch war
es mehr als überfällig, dass Natasha Romanoff aka Black Widow ihren
ersten (und mutmaßlich letzten) Solofilm bekommt. Als Mitglied der
ursprünglichen MCU-Avengers und der bekanntesten Spionin direkt
neben Spymaster Nick Fury war ihre Hintergrundgeschichte
passenderweise ein kleines Mysterium, das nur über kurze
Rückblenden und Anspielungen in den Dialogen vermittelt wurde (und
teilweise auf harsche Kritik stoß). Doch das Abarbeiten der
Hintergrundgeschichte ist nur eine der Aufgaben, die Black Widow
elegant und unterhaltsam bewältigt: Auch wenn man keine
tiefenpsychologischen Leistungen erwarten sollte, versteht man am
Ende des Films sehr viel besser, wie die titelgebende Figur in
ihrem Inneren tickt und wie sie zu ihren Mitmenschen steht. Die
Anbindung an das restliche MCU gelingt so gut, dass man bei
künftigen Rewatches Black Widow nahtlos zwischen Civil War und
Infinity War anschauen kann – hier haben die Macher im Großen und
im Kleinen ein erschreckend gutes Gespür dafür bewiesen, was dem
Zuschauer ein Gefühl von nativer Zusammengehörigkeit von
Geschichten vermittelt: Plot, Worldbuilding, Schauspiel, Stimmung,
Gaderobe und Makeup arbeiten zusammen und schaffen es, dass Black
Widow weniger ein Prequel als eine verspätete Fortsetzung ist.
Thematisch widmet sich der Film den Stichpunkten „Familie“ und
„Emanzipation“. Der erste Themenkomplex bleibt dabei oberflächlich
aber angenehm unkonventionell – wer hätte bei Natasha Romanoff auch
mit einer generischen Kleinfamiliengeschichte ohne Haken gerechnet?
– wird aber sehr offen und plakativ angesprochen. Dass es aber auch
um die Emanzipation weiblicher Figuren geht, ist natürlich auch
kein Fall für das Hermeneutisch Interpretatorische Einsatzkommando,
wird aber immerhin nicht demonstrativ didaktisch durchdiskutiert,
sondern ist – in jedem Wortsinne – starker Teil von Handlung und
Subtext. Die schauspielerische Leistung des Casts nicht zu loben
wäre sicherlich ein Fehler. Scarlett Johanson ist selbst so bekannt
und kennt ihre Figur mittlerweile so gut, dass es schwer fällt noch
von ihrer Leistung überrascht zu sein. Dennoch ist es spannend zu
sehen, wie sie emotionale Noten umsetzt, die wir von der
spionierenden Assasine noch nicht gesehen haben. Florence Pugh wird
zurecht für ihre Leistung mit viel Lob überschüttet, Rachel Weisz
spielt sich routiniert durch den Film, David Harbour liefert uns
die bärig sympathische Figur, die wir von ihm erwartet haben, Ray
Winston verströhmt eine Aura ekelhafter, toxischer Bedrohlichkeit.
Die wohl intensivste Leistung des Films liefert aber Ever Anderson
als junge Natasha Romanoff ab: In ihren wenigen Szenen zeigt sie
eine rohe, authentische Emotionalität, die nicht nur beachtlich
ist, sondern die für die emotionale Erdung ihrer Figur und des
Films enorm wichtig wird. Fazit Wer nach dieser langen Zeit ohne
Kino erstmals wieder eine Eintrittskarte kauft, könnte sich kaum
für einen besseren Film entscheiden als für „Black Widow“. Niemand
hat von „Black Widow“ erwartet, dass hier das Blockbuster-Kino
revolutioniert wird aber neben der mittlerweile perfekt
eingestellten Marvel-Formel findet unter der Haube eine
schleichende Evolution statt, die uns hoffentlich bald überraschen
wird.
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