Literaturkritik.de: Norbert Scheuer folgt in „Mutabor“ der Spur kollektiven Schweigens

Literaturkritik.de: Norbert Scheuer folgt in „Mutabor“ der Spur kollektiven Schweigens

10 Minuten

Beschreibung

vor 2 Jahren

Da sind drei beruhigend klingende silberne Armreifen, ein Foto
eines Reiters mit ausgekratztem Gesicht, ein Muttermal zwischen
den Brüsten, „das einer fliegenden Biene gleicht“ und von
Generation zu Generation übertragen wird. Auch eine etwas zu
fürsorgliche Tante Sophia und eine Gruppe der Kaller „Grauköpfe“
scheinen gleichfalls streng ein Geheimnis zu hüten. Nina, ein
Mädchen, vom Jugendamt als schwer erziehbar eingestuft, blickt
mit zeitlichem wie räumlichem Abstand auf ihre Kindheit und auf
die Bewohner der Ortschaft Kall (Eifel). Sie wird 18 und braucht
keinen Vormund des Jugendamtes mehr. Endlich ist sie in der Lage,
ihre lang ersehnte, bereits oft mit dem Großvater geplante „Reise
nach Byzanz“ anzutreten, die sie weit von Kall und näher zu sich
selbst bringen wird. Denn Nina ist eine Verlorene, Vergessene,
Ausgestoßene. Sie trägt seelische und körperliche Wunden, von der
Großmutter, der „Graie“, geschlagen, von einer Horde von Jungen
vergewaltigt, von der Sozialbetreuerin sexuell missbraucht. Sie
weiß nichts von ihrer Vergangenheit. Sie schreibt: „Im Moment
komme ich mir wie verzaubert vor, weiß weder, wer noch wo ich
bin; daher ist es ganz natürlich, endlich wissen zu wollen, wer
meine Eltern sind und woher ich komme.“ Sie sucht nach dem
Zauberwort, nach dem schon die in Störche verwandelten Kalifen
lebenslang gesucht haben: „Mutabor“,  „ich werde verwandelt
werden“.

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