Serielle Analyse stabiler Isotope an Haarkeratin zur post mortem Rekonstruktion von Lebenslaufparametern in forensisch relevanten Fällen von Unterernährung

Serielle Analyse stabiler Isotope an Haarkeratin zur post mortem Rekonstruktion von Lebenslaufparametern in forensisch relevanten Fällen von Unterernährung

Beschreibung

vor 11 Jahren
Die Diagnose einer Unterernährung bei Kindern und Erwachsenen ist
in der Pädiatrie und Geriatrie ein wichtiges Thema. Aber auch in
der Forensik spielt sie eine große Rolle, gerade im Falle von
Vernachlässigung und Missbrauch schutzbefohlener Personen. Derzeit
existieren kaum Methoden, um zuverlässig den Zeitrahmen einer
Unterernährung rückwirkend zu bestimmen. Die Analyse der stabilen
Stickstoff- und Kohlenstoffisotope (δ15N-, δ13C-Wert) im
Haarkeratin ist in der Anthropologie ein etabliertes Verfahren zur
Untersuchung der menschlichen Ernährung und des individuellen
Ernährungszustandes. Bei einem mangelhaften Ernährungszustand
müssen die körpereigenen Protein- und Energiereserven angegriffen
und wiederverwertet werden. Dieser sogenannte Hungerstoffwechsel
zeigt sich auch in der biochemischen Zusammensetzung des
Haarkeratins. Mithilfe von seriellen Analysen an Haarproben wird
nach spezifischen Signaturen der N- und C-Isotope gesucht, welche
sich während einer Unterernährung ausbilden. So soll ein
verlässlicher Indikator entwickelt werden, welcher es ermöglicht,
den Beginn und die Dauer einer Unterernährung zu rekonstruieren.
Bei dieser Arbeit liegt der Schwerpunkt auf der Analyse von
Haarproben aus der Rechtsmedizin. Jeder dieser 17 Fälle weist eine
ausgeprägte Unterernährung auf. Daneben wurden in einer kleinen
Vorstudie vier Haarprobe von Magersuchtpatienten untersucht. Trotz
unbekannter Ernährungsgewohnheiten kann mit Hilfe der Isotopendaten
in den meisten Fällen ein mangelhafter Ernährungszustand
diagnostiziert werden. In einigen Fällen ist es sogar möglich,
einzelne Unterernährungsphasen voneinander abzugrenzen. Zudem
lassen sich mitunter auch Erholungsphasen erkennen, in denen sich
der Ernährungszustand scheinbar kurzfristig gebessert hat. Jedoch
ist es bisher noch nicht gelungen, allgemein gültige
Erkennungsmerkmale aufzustellen, welche bei allen Fällen
ausnahmslos zur Bestimmung einer Unterernährung angewendet werden
können. Folglich muss weiterhin jeder einzelne Unterernährungsfall
individuell analysiert und ausgewertet werden. Des Weiteren wurde
an acht Haarproben aus der Rechtsmedizin die spezifische
Aminosäurezusammensetzung des Haarkeratins während eines schlechten
Ernährungszustandes analysiert. Dabei wurde versucht, der
Unterernährungssignatur der δ-Werte weiter auf die Spur zu kommen.
Die Daten zeigen, dass vor allem die Aminosäure Prolin während der
Unterernährungsphasen vermehrt im Haarkeratin zu finden ist. Zwar
lässt sich zwischen dem Verlauf der δ-Werte und der erhöhten
Prolinmenge noch kein direkter Zusammenhang erkennen, jedoch wird
deutlich, dass sich die Ergebnisse der Isotopendaten und der
Aminosäureanalyse gegenseitig stützen und so zu einer besseren
Aufklärung von Unterernährungsfällen beitragen können. Da die
Entwicklung und der spezifische Verlauf der δ13C-Werte während
einer Unterernährung noch nicht vollständig geklärt sind, wurde ein
weiteres Probandenkollektiv in dieser Arbeit untersucht. Hierfür
wurden Haarproben von sechs Probanden gesammelt, welche an einer
medizinisch betreuten Fastentherapie teilnahmen. Durch Haaranalysen
und weitere Untersuchungen sollte geklärt werden, ob 12C-Isotope
aus den abgebauten, körpereigenen Fettreserven auch als Bausteine
für das Haarkeratin Verwendung finden und so für das Absinken des
δ13C-Wertes bei einigen Unterernährungsfällen verantwortlich sind.
Es konnte mithilfe dieser Fastenstudie allerdings nicht bewiesen
werden, dass leichte Kohlenstoffisotope aus den abgebauten
Fettreserven ins Keratin eingebaut werden. Die Ergebnisse aus den
drei Probandenkollektiven bestätigen jedoch eindeutig, dass mit
Hilfe der seriellen Isotopenanalytik an Haaren sowohl eine
Umstellung der Ernährung erkannt, als auch die Qualität des
individuellen Ernährungszustandes beurteilt werden kann. Aufgrund
dessen könnte gerade diese Methode bei der Aufklärung von
Vernachlässigungsfällen, aber auch bei der Prävention gute Dienste
leisten. Dennoch gilt es in zukünftigen Forschungsansätzen noch
einige Problemstellungen zu überwinden, um dieses Ziel vollständig
zu erreichen.

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