Neuroendokrine Parameter zur Erfassung der akuten Alkoholtoleranz beim Menschen

Neuroendokrine Parameter zur Erfassung der akuten Alkoholtoleranz beim Menschen

Beschreibung

vor 18 Jahren
Hintergrund: Unter akuter Alkoholtoleranz versteht man die Abnahme
von Alkoholwirkungen im Verlauf einer einzigen Trinkepisode, die
rascher einsetzt und stärker ausgeprägt ist, als allein aufgrund
fallender Alkoholspiegel erklärbar wäre. Nach neueren Vorstellungen
liegen dabei neuroadaptative Vorgänge im Gehirn zugrunde, deren
Aufklärung von hohem Interesse hinsichtlich der Entstehung von
Alkoholtoleranz ist. Stark ausgeprägte akute Toleranz ist unter
anderem genetisch bedingt und wird als Risikofaktor für hohen
Alkoholkonsum angesehen. Die Steuerung entsprechender Experimente
ist bisher schwierig, weil bei oraler Alkoholaufnahme der zeitliche
Verlauf der Blutalkoholkonzentration nur sehr vage vorhergesagt
werden kann. Dies bedeutet, daß bei oraler Alkoholaufnahme die
Varianz in Maximum und Zeitpunkt des Maximums erreichter RBAK um
ein Drittel höher liegt als bei intravenöser Applikation. Die
Abnahme von Alkoholeffekten wurde in der humanexperimentellen
Literatur bisher zumeist nur anhand der subjektiven Angaben über
die empfundene Alkoholintoxikation untersucht. Dies ist zwar ein
valides Maß, jedoch nicht zuverlässig quantifizierbar und gibt
keine Auskunft über die zugrundeliegenden neuronalen Mechanismen.
Ziel der vorliegenden Arbeit „Neuroendokrine Parameter zur
Erfassung der akuten Alkoholtoleranz beim Menschen“ war zum einen
die Verringerung der hohen experimentellen Varianz durch eine neue
Methode der Alkoholinfusion, bei der die Blutalkoholkonzentration
durch Alkohol-Clamp-Technik über einen längeren Zeitraum konstant
gehalten werden kann; zum anderen sollte ein objektives Toleranzmaß
gewonnen werden, das zudem noch Aussagen über zugrundeliegende
zentralnervöse Mechanismen zulässt. Methoden und Probanden: 15
Probanden im Alter von 20 bis 32 Jahren wurden radomisiert über 4
(n = 8) bzw. 6 Stunden (n = 7) an je einem Alkohol- und einem
Placeboinfusionstag untersucht. Alkohol wurde als 6%ige Lösung in
Abhängigkeit von Körpergewicht, Alter und Geschlecht so infundiert,
dass innerhalb von 20 Minuten die RBAK-Zielkonzentration von 0,6 ‰
erreicht und durch regelmäßige Atemalkoholbestimmung über den
Untersuchungszeitraum ±0.05 ‰ stabil gehalten werden konnte. Ab dem
Zeitpunkt konstanter RBAK war eine Änderung der Alkoholwirkung im
Verlauf somit ausschließlich auf neuroadaptative Vorgänge
zurückzuführen. Die Placeboinfusion bestand aus reiner
Ringer-Lactat-Lösung. Während der Alkohol- bzw. Placeboinfusion
wurden Blutentnahmen zur Bestimmung von LH, ACTH und Cortisol
durchgeführt, des weiteren erfolgten wiederholte Messungen von
Körperschwanken, subjektivem Intoxikationsempfinden und
Herzratenveränderung. Als diagnostische Stimulationsmethode wurde
der Naloxontest (Naloxonhydrochlorid 0,125 mg/kg KG) verwendet, der
auf Ebene des Hypothalamus die HPA-Achse stimuliert. Ergebnisse:
Entgegen unserer Erwartungen war in unserer Studie kein
Alkoholeffekt auf die Stimulierbarkeit des HPA-Systems, d.h. keine
akute Adaptation des hypothalamischen Neurohormonsystems,
nachweisbar. Für die durch Naloxon stimulierte Hormonsekretion fand
sich keine Interaktion zwischen Alkoholinfusion und Zeitpunkt der
Naloxoninjektion, d.h. es fand sich kein Unterschied zwischen
langen und kurzen Versuchen. Eine Alkoholwirkung auf die
naloxonstimulierte LH-Sekretion, sedierende Items bei der Erfassung
subjektiven Intoxikationsempfindens und auf das Körperschwanken
konnte nachgewiesen werden, nicht jedoch auf die Sekretion der
weiteren gemessenen Hormone (Cortisol und ACTH), stimulierende
Items der Erfassung subjektiven Intoxikationsempfindens und die
gemessenen Herzraten. Diskussion: Das Ergebnis der vorliegenden
Studie wird dahingehend interpretiert, dass es zur Ausbildung
akuter Toleranz eines dynamischen Alkoholverlaufs bedarf.
Möglicherweise gelingt der Nachweis akuter Alkoholtoleranz weniger
bei über einen längeren Zeitraum gleich bleibender
Alkoholkonzentration („steady state“), wie in der Studie
durchgeführt, als vielmehr bei der Beobachtung gleicher
Konzentrationen (d.h. Schnittpunkte der parabelförmigen
Alkoholverlaufskurve zu zwei Punkten gleicher Alkoholkonzentration)
bei sich dynamisch ändernder Alkoholkonzentration. Bezüglich dieser
Voraussetzung sollten weitere Studien erfolgen, die dieselben
gewählten Parameter zum gleichen Alkoholspiegel, jeweils am auf-
und absteigenden Schenkel einer parabelförmigen
Alkoholverlaufskurve, untersuchen. Grundlage dieser Experimente
sollte jedoch weiterhin die hier angewandte Alkohol-Clamp-Technik
sein, da diese eine vor allem im Vergleich zu oraler
Alkoholaufnahme geringere Streuung der gemessenen RBAK-Werte
gewährleistet.

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