Untersuchungen zu Persönlichkeitsvariablen und suizidalem Verhalten

Untersuchungen zu Persönlichkeitsvariablen und suizidalem Verhalten

Beschreibung

vor 17 Jahren
Eines der größten Probleme bei der Behandlung suizidaler Patienten
ist die mangelnde Vorhersehbarkeit und Kontrolle sui-zidaler
Handlungen. Ziel dieser Dissertation war es, spezifische, von
psychiatrischen Diagnosen unabhängige Persönlichkeitseigenschaften
zu identifizieren, die mit suizidalem Verhalten assoziiert sind.
Dabei kann die Erfassung solcher Persönlichkeitsvariablen sowohl
bei der Suche nach einer genetischen Prädisposition suizidalen
Verhaltens, als auch zur Risikoabschätzung und Suizidprävention von
klinischem Interesse sein. Im Rahmen der Studie wurden 61 Patienten
der Psychiatrischen Klinik der Ludwig-Maximilians Universität
München, die im Verlauf ihrer Krankengeschichte mindestens einen
Suizidversuch durchgeführt hatten, mit 167 psychiatrisch gesunden
Kontrollprobanden aus der Bevölkerung Münchens verglichen. Für eine
einheitliche und vergleichbare Datenerhebung der suizidalen
Handlungen, wurde die Intent Score Scale (Pierce, 1981) und die
Basisdokumentation suizidalen Verhaltens (Kulessa et al., 1987)
eingesetzt. Soziodemographische Daten der Studienteilnehmer wurden
mit spezifischen Anamnesebögen erhoben. Die Persönlichkeitsmerkmale
der Studienteilnehmer wurden mit Hilfe des
NEO-Persönlichkeitsinventar-R (NEO-PI-R), des Brown-Goodwin
Assessment for History of Lifetime Aggression (BGA-HLA) des
Buss-Durkee Hostility Inventory (BDHI) und der Barratt
Impulsiveness Scale (BIS-5) erfasst. Der soziodemographische
Vergleich von Kontroll- und Suizidgruppe zeigte entsprechend der
epidemiologischen Datenlage früherer Suizidstudien (Möller et al.,
2003) ein jüngeres Durchschnittsalter und einen höheren Anteil
Lediger unter den Probanden der Suizidgruppe. Bei der Auswertung
der Ergebnisse des NEO-PI-R zeigten sich in der Testdimension
Neurotizismus einschließlich der dazugehörigen Unterskalen
hochsignifikant höhere, in den Testdimensionen Extraversion und
Gewissenhaftigkeit signifikant niedrigere Mittelwerte bei den
Probanden der Suizidgruppe. Unter den Probanden der Suizidgruppe
zeichneten sich wiederum diejenigen mit einer positiven
Suizidfamilienanamnese durch signifikant höhere Neurotizismuswerte
aus. Trotz der Einschränkung dieser Ergebnisse durch die
Untersuchung von Griens et al. (2002), scheint Neurotizismus eine
Persönlichkeitseigenschaft zu sein, die in mit Suizidalität
belasteten Familien gehäuft auftritt und entweder ein gemeinsames
genetisches Korrelat vermuten lässt oder einem erlernten
Verhaltensmuster dieser Familien entspricht. In umgekehrter Weise
könnte eine hohe Ausprägung des Persönlichkeitsmerkmals der
Gewissenhaftigkeit einen protektiven Faktor für suizidales
Verhaltens darstellen, zumal die Auswertung der Ergebnisse des
Brown-Goodwin Assessment for History of Lifetime Aggression
(BGA-HLA), wonach Probanden der Suizidgruppe eine signifikant
höhere Konfliktbereitschaft und häufiger konfrontative
Verhaltensweisen zeigen, und somit weniger diszipliniert und
angepasst sind, in eine ähnliche Richtung weist. Ebenso lässt sich
auch die Auswertung des Buss-Durkee Hostility Inventory (BDHI)
einordnen, die unter den Probanden der Suizidgruppe eine höhere
Bereitschaft zu körperlichen Auseinandersetzungen (Tätlichkeit) und
eine Neigung mit unkontrollierten negativen Affekten zu reagieren
(Reizbarkeit), nachweisen konnte. Die vielfach postulierte These,
dass Suizidalität mit impulsivem Verhalten oder einer Störung der
Impulskontrolle einhergeht, konnten wir nach Auswertung der Daten
der Barratt Impulsiveness Scale nicht bestätigten. Somit scheint
die Neigung einer Person zu suizidalem Verhalten im Rahmen
psychiatrischer Erkrankungen entsprechend dieser Studie weniger die
Folge unreflektierten, impulsiven Verhaltens, sondern eher das
Ergebnis gesteigerter Konfliktbereitschaft und Reizbarkeit,
beziehungsweise die Folge einer mangelnden Fähigkeit Konflikte
lösen zu können, vor dem Hintergrund eingeschränkter
Gewissenhaftigkeit und mangelnder Selbstdisziplin zu sein.

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