Darstellung der Mineralisierungsverteilung in den Endplatten der Wirbelkörper zur Analyse des Kraftflusses in der Wirbelsäule

Darstellung der Mineralisierungsverteilung in den Endplatten der Wirbelkörper zur Analyse des Kraftflusses in der Wirbelsäule

Beschreibung

vor 17 Jahren
Als zentrales Achsenorgan des menschlichen Skelettes und aufgrund
ihrer wesentlichen Bedeutung für die aufrechte Körperhaltung des
Menschen sind Morphologie, Funktion und Degenerationserscheinungen
oder Verletzungen der Wirbelsäule seit Jahrzehnten von besonderem
Interesse in der medizinischen Forschung. Um den Kraftfluss durch
Wirbelkörper und Bandscheiben bei Gesunden zu untersuchen, werden
bis heute verschiedenste Studienmodelle entwickelt. Diese
präsentieren jedoch meist nur begrenzte Ergebnisse, weil aufgrund
der Komplexität der Bewegungen, der Zusammensetzung aus vielen
Einzelgelenken und nicht zuletzt des Einflusses durch Muskeln und
Bändern der Kraftfluss nicht realitätsnah dargestellt werden kann.
Ausgehend von der Tatsache, dass die Verteilung der subchondralen
Mineralisierung das biologische Korrelat der Langzeitbeanspruchung
einer Gelenkfläche darstellt, war das Ziel dieser Studie,
individuelle Mineralisierungsmuster der einzelnen
Wirbelkörperendplatten der gesamten Wirbelsäule beim gesunden
Menschen darzustellen und den jeweiligen Kalziumgehalt einer
Endplatte zu bestimmen, um dann auf die Beanspruchung rückschließen
zu können. Zu diesem Zweck wurden 10 möglichst gering degenerierte
Wirbelsäulen von Leichen entnommen. Mit Hilfe der
CT-Osteoabsorptiometrie (CT-OAM) wurde die subchondrale
Mineralisierungsverteilung der Deck- und Grundplatten dargestellt
und in standardisierten kartographischen Ansichten die Lage der
Dichtemaxima dargestellt. Mittels quantitativer CT-OAM (qCT-OAM)
wurde der Kalziumgehalt der Endplatten ermittelt und durch
Einbeziehung der Endplattenfläche der relative Kalziumgehalt
berechnet, wodurch intra- und interindividuelle Vergleiche möglich
wurden. Der absolute Kalziumgehalt der Endplatten nahm – ebenso wie
die Endplattenfläche – von kranial nach kaudal zu, woraus sich ein
annähernd gleichbleibender relativer Kalziumgehalt in Hals-, Brust-
und Lendenwirbelsäule ergab. Dies galt für alle untersuchten
Wirbelsäulen gleichermaßen, obwohl es deutliche interindividuelle
Unterschiede hinsichtlich des Kalzifizierungsgrades gab. Der
Kalziumgehalt der Deck- und Grundplatte des Einzelwirbelkörpers
unterschied sich bei Brust- und Lendenwirbelkörpern – im Gegensatz
zu den Halswirbelkörpern – signifikant. Innerhalb des Wirbelkörpers
fanden wir eine Zunahme der Mineralisierung. Im Gegensatz dazu
fanden wir in thorakalen und lumbalen Bewegungssegmenten eine
signifikante Mineralisierungsabnahme: die kranial einer Bandscheibe
gelegene Grundplatte ist geringer mineralisiert als die kaudal
gelegene Deckplatte. Wir vermuten, dass die Zunahme der
Mineralisierung innerhalb des Wirbelkörpers u.a. durch zusätzliche
Lastaufnahme über die in den Wirbelkörper einstrahlenden
Wirbelpedikel entsteht. Diese sind je nach Körperhaltung und
Durchstoßpunkt der Kraftresultierenden am Kraftfluss durch die
Wirbelsäule beteiligt. Die Abnahme der Mineralisierung über eine
Bandscheibe hinweg resultiert vermutlich aus deren Verformung bei
Belastung. Im Falle degenerierter Bandscheiben konnten wir zeigen,
dass diese Last offensichtlich unvermindert an kaudale Wirbelkörper
weitergeleitet wird, wodurch es zu einer Mineralisierungszunahme
der kaudal gelegenen Deckplatte kommt. Die differenten Ergebnisse
der Halswirbelsäule könnten auf dem konvexbogigen Aufbau der
Endplatten und der bereits in jungen Jahren ausgebildeten
Uncovertebralgelenke durch Spaltenbildung der Bandscheiben beruhen,
weshalb keine Lastminderung durch Verformung der Bandscheiben
erfolgt. Die flächenhafte Mineralisierung, dargestellt in den
Densitogrammen der CT-OAM, zeigte charakteristische Häufungen der
Stellen höherer Mineralisierung. Die Endplatten der Halswirbelsäule
wiesen vor allem posterolateral eine höhere Mineralisierung auf. In
der Brustwirbelsäule dominierten gleichmäßig zirkuläre
Mineralisierungsmaxima, während lumbal überwiegend dorsal Stellen
höherer Mineralisierung lokalisiert waren. Die Übergänge zwischen
Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule waren fließend. Weil sich die
Lage des jeweiligen Rotationszentrums einer Bewegung aus dem Winkel
der Wirbelpedikel zum Wirbelkörper und aus der variablen Belastung
der Bandscheibe ergibt, unterscheiden sich die Hauptbelastungszonen
der Endplatten je nach Lage in der Wirbelsäule. Aufgrund der
zusätzlichen Einflussnahme der unterschiedlichen Bewegungsgrade der
einzelnen Wirbelsäulenabschnitte konnten wir nachweisen, dass es
charakteristische regionale (zervikal – thorakal – lumbal)
Verteilungsmuster der Hauptbelastungszonen der
Wirbelkörperendplatten gibt. Entsprechend der beschriebenen
Mineralisierungsmuster verläuft eine Achse der Hauptbeanspruchung
durch die Wirbelsäule. Diese verändert sich fließend von
dorsolateral im Halsbereich nach gleichmäßig zirkulär auf Höhe der
Brustwirbelsäule und schließlich wieder dorsolateral im
lumboskralen Bereich. Die Ergebnisse unserer Untersuchungen zeigen,
dass es beim Lebenden charakteristische Beanspruchungsmuster der
Wirbelsäule gibt, welche nur durch Berücksichtigung aller am
Achsenorgan beteiligten Strukturen verstanden werden können. Die
klinische Erfahrung, dass bevorzugt Deckplatten der Hals- und
Lendenwirbelsäule frakturieren können wir erstmals morphologisch
begründen.

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