Immunchemische und chemische Charakterisierung einer nodulären, auf die Unterhaut beschränkten Amyloidose vom ALκ1-Typ

Immunchemische und chemische Charakterisierung einer nodulären, auf die Unterhaut beschränkten Amyloidose vom ALκ1-Typ

Beschreibung

vor 17 Jahren
Die Amyloidosen gehören zu den Proteinspeicherkrankheiten. Die
abgelagerten pathogenen Proteine zeichnen sich durch eine besondere
Konformation, die β-Faltblattstruktur, aus. Man spricht daher auch
von Konformationskrankheiten" oder "β-Fibrillosen". Bislang sind
etwa 25 verschiedene Proteine bekannt, die im Menschen zu einer
Amyloidose führen können. Je nach Lokalisation der
Amyloidablagerungen unterscheidet man lokale („Amyloidom“),
organlimitierte (z.B. zerebrale) und systemische Formen. Die
Benennung erfolgt nach der Art des gespeicherten Proteins, wobei an
das Kürzel „A“ für „Amyloid“ das Kürzel des gespeicherten Proteins
angehängt wird: Die bekanntesten Amyloidosen sind vom Typ Aβ (M.
Alzheimer), APrP (Scrapie), AA (Akutphasenprotein bei chronischen
Entzündungen), Aβ2M (Urämie, chronische Hämodialyse), ATTR (Amyloid
vom Transthyretin-Typ sporadisch im Alter sowie familiär bei
Mutation) und AL (Leichtketten-Amyloid bei monoklonaler Gammopathie
mit den Isotypen λ und κ). Daneben gibt es seltenere, dann oft
familiär gehäuft auftretende und z.T. mit Polyneuropathie
einhergehende Amyloidosen sowie Amyloid in endokrinen Drüsen. In
dieser Arbeit wurde die Amyloidose einer Patientin („UNK“)
untersucht, die eine außergewöhnliche klinische Manifestation einer
organlimitierten Amyloidose aufweist: Über 10 Jahre hinweg sind bei
der Patientin multiple subkutane Knoten („Amyloidome“) aufgetreten,
ohne dass sich im Verlauf ein Anhalt für eine systemische
Amyloidverteilung ergab. Bei den Amyloidablagerungen handelt es
sich, wie in dieser Arbeit mit immunchemischen und biochemischen
Methoden gezeigt werden konnte, um eine Amyloidose vom
κ1-Leichtketten-Typ (ALκ1). Es werden also Teile eines
Immunglobulins, nämlich einer κ-Kette der Subklasse 1 (man
unterscheidet 4 κ-Subklassen, daneben gibt es noch Leichtketten vom
Typ λ) in knotiger Form in der Subkutis gespeichert ausgehend von
einer monoklonale Gammopathie. Das besondere auch daran ist, dass
sich über 10 Jahre kein Progress im Sinne der Entwicklung eines
Plasmozytoms gezeigt hat. Daneben wurde bei der Patientin ein
zerebraler Entmarkungsherd (Multiple Sklerose) diagnostiziert,
hierbei muss differentialdiagnostisch an das Vorliegen eines
zerebralen Amyloidoms gedacht werden; es gibt dazu entsprechende
Berichte in der Literatur. Durch Isolation des Amyloidproteins aus
dem Gewebe, Aufreinigung und anschließende Aminosäuresequenzierung
(Edman-Abbau) kombiniert mit Massenspektrometrie konnte die
vollständige Aminosäuresequenz der variablen Region (AS 1-108)
sowie wesentlicher Teile (bis AS 207) der konstanten Region (AS
109-214) der abgelagerten κ-Kette ermittelt werden. Um die Frage zu
klären, ob aus der Aminosäuresequenz des Proteins auf seine
Amyloidogenität, also die Wahrscheinlichkeit, Amyloid zu bilden,
geschlossen werden kann oder auf die sehr ungewöhnliche Art der
klinischen Manifestation (Leichtkettenamyloidosen zeigen in der
ganz überwiegenden Zahl der Fälle ein systemisches Befallsmuster),
wurde die ermittelte Sequenz mit allen bislang veröffentlichten 17
Sequenzen von Amyloid-bildenden κ1-Ketten sowie nicht-amyloidogenen
κ-Ketten verglichen mit folgendem Ergebnis: (1) ALκ (UNK) zeigt 7
bisher nicht und etwa ebenso viele bisher nur selten beschriebene
Aminosäureaustausche. Diese Aminosäureaustausche entsprechen kaum
den bislang typischerweise mit erhöhter Amyloidogenität in
Verbindung gebrachten Mutationen, so dass aus der
Aminosäurenabfolge an sich kein Rückschluss auf die Amyloidogenität
des Proteins möglich ist. (2) Bemerkenswert ist ferner die (bei aus
dem Gewebe isolierten Amyloidproteinen fast regelhaft auftretende)
starke Fragmentierung des Proteins, ein "staggering" an Position
63-69 sowie eine Biklonalität (AS 82D und E), welche bisher für
ALκ-Amyloidosen noch nicht beschrieben wurde. (3) Die Hypothese,
dass erhöhte Hydrophobizität die Amyloidogenität eines Proteins
erhöht, wird durch ALκ (UNK) bestätigt, indem die in ALκ (UNK) neu
aufgetretenen Aminosäureaustausche die Hydrophobizität deutlich
steigern. (4) Es ist bekannt, dass die Destabilisierung der
Tertiärstruktur eines Proteins seine Umfaltung zur Fibrille
begünstigt. ALκ (UNK) weist eine Mutation an der hochkonservierten
und für die Stabilisierung der Tertiärstruktur verantwortlichen
Position (Serin60Prolin)auf. (5) Da in der Literatur bislang erst 6
Fallberichte zu organlimitierten subkutanen Amyloidosen
(verschiedene Ursprungsproteine) vorliegen, lässt sich der
bevorzugte Organbefall (Organotropismus) derzeit noch nicht aus der
Aminosäuresequenz ableiten. Möglicherweise wird der Tropismus durch
eine Art Antigen-Antikörper-Interaktion der amyloidogenen
Leichtketten mit Strukturen im Zielgewebe (mit-)bestimmt. Das
Protein ALκ (UNK) wurde außerdem mit immunchemischen Methoden
charakterisiert: (1) Im Kaninchen wurde ein polyklonales Antiserum
gegen ALκ (UNK) hergestellt und gegen Amyloide vom Typ ALκ aus
anderen Patienten, native κ Ketten sowie Amyloide anderer
Subklassen ausgetestet. Es hat sich mittlerweile im Routineeinsatz
bestens bewährt und rückblickend die Sensitivität und Spezifität
der Amyloiddiagnostik im Labor deutlich verbessert. (2) Es konnte
gezeigt werden, dass Antiseren, die gegen Amyloid-Vorläuferproteine
(κBJP) erzeugt wurden, keine Reaktion mit ALκ (UNK) zeigen. Diese
Beobachtung unterstützt die Annahme, dass es im Rahmen der
Amyloidogenese zu einer erheblichen Konformationsänderung und damit
auch Veränderung der Oberflächenstruktur des Vorläuferproteins
kommt, so dass zur immunchemischen Detektion von Amyloidproteinen
besondere Reagenzien (nämlich speziell gegen Amyloidproteine
hergestellt Antiseren) erforderlich sind. (3) Die
Subklassenbestimmung der abgelagerten κ-Kette gelang mit den
eingesetzten immunchemischen Methoden aus technischen Gründen
nicht. (4) ALκ (UNK) konnte auch immunchemisch (Immunhistochemie,
Western Blot, Ouchterlony-Test) eindeutig als ALκ identifiziert
werden, was den hohen Stellenwert der Immunchemie bei der
Amyloiddiagnostik unterstreicht. Daneben wurden noch weitere
Untersuchungen angestellt: (1) Der Geweberohextrakt wurde mittels
Western Blot bezüglich des Gehaltes an anderen Proteinen (außer ALκ
(UNK)) untersucht. Es konnten u.a. unfragmentierte λ- und γ-Ketten
nachgewiesen werde, ferner ist vom Vorhandensein noch weiterer
ubiquitärer höhermolekularer Proteine wie Albumin in gegenüber dem
Amyloidgehalt vergleichsweise geringer Menge auszugehen. (2) Die
Fragmentierung der abgelagerten Proteine wurde genauer untersucht.
Man findet Sequenzanfänge bei AS-Position 1,40,88,150,159, wobei
andererseits wieder Fragmente gefunden wurden, die diese
überlappen. Auch ein die konstante und variable Region der leichten
Kette überlappendes Fragment wurde gefunden. Daneben wurden
Urinproben der Patientin untersucht. Auch hier zeigen sich
κ-Fragmente in mehreren Molekulargewichtsbereichen (nicht
sequenziert). Ob die Fragmentierung vor, während oder nach der
Amyloidablagerung zustande kommt, wurde nicht untersucht. Zur
Therapie dieses ungewöhnlichen Amyloid-Syndroms: Bei fehlender
Progression sowohl im Bezug auf das Auftreten neuer
Amyloidablagerungen (bislang fehlende systemische Beteiligung) wie
auch hinsichtlich der Dynamik des monoklonalen Plasmazellklons
(kein Anhalt für Plasmozytom) ist derzeit ein abwartendes Verhalten
gerechtfertigt. Sollte es bei der Patientin zur Progredienz kommen,
wäre bezüglich der Amyloidablagerungen die entsprechende
symptomatische Therapie (medikamentöse Therapie der
Herzinsuffizienz, Schrittmacherimplantation, Hämodialyse bei
Niereninsuffizienz), bezüglich der monoklonalen Gammopathie die
Reduktion des monoklonalen Zellklons (gemäß den Leitlinien zur
Tumortherapie, z.B. autologe Stammzelltransplantation) indiziert.

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