Weshalb ist in Tschechien Corona außer Kontrolle geraten?

Weshalb ist in Tschechien Corona außer Kontrolle geraten?

Die Corona-Mutation B.1.1.7. bringt Tschechiens Gesundheitssystem ans Limit. Sächsische.de-Korrespondent Hans-Jörg Schmidt spricht über die Lage im Hotspot Europas.
29 Minuten
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Beschreibung

vor 3 Jahren
Tschechien hat derzeit die höchsten Infektionszahlen weltweit, die
7-Tag-Inzidenz liegt bei einem Wert von rund 700. Das Coronavirus,
vor allem die mutierte Variante mit der Bezeichnung B.1.1.7., hat
das Land komplett im Griff. "Die Regierung will ab 1. März deshalb
den derzeit geltenden Lockdown verschärfen. Dann fährt das Land bis
auf die Industrie komplett herunter. Es werden jetzt auch
Ausgangsbeschränkungen kommen", sagt Hans-Jörg Schmidt im
CoronaCast, dem Podcast zur Pandemie von Sächsische.de. Schmidt
lebt in Prag und ist seit 30 Jahren Tschechien-Korrespondent der
Sächsischen Zeitung. Der 68-Jährige kennt das Land und die Leute.
"Was jetzt hier passiert, hätte ich nicht gedacht, dass es in der
Form möglich ist. Der Regierung ist die Corona-Situation entglitten
und die Menschen haben das Vertrauen komplett verloren." Für die
Lage gebe es viele verschiedene Gründe. Einer aber sei, dass auch
führende Politiker des Landes in der Vergangenheit die selbst
aufgestellten Corona-Regeln nicht eingehalten hatten. Im Oktober
sorgte beispielsweise der damalige Gesundheitsminister Roman
Prymula für Schlagzeilen: Er besuchte stundenlang ein
Luxusrestaurant, obwohl eigentlich alle Gastronomiebetriebe hätten
geschlossen sein müssen. Den vielleicht entscheidenden Wendepunkt
in der Sicht der Tschechen auf die Pandemie sieht Schmidt in der
Zeit nach dem ersten Lockdown. Den hatte Tschechien entschiedener
durchgezogen als andere europäische Länder. Nach dessen Ende habe
die Regierung unter Ministerpräsident Babiš verkündet, das Virus
sei besiegt. "Die Bilder gingen um die Welt im Juni. Es kamen
Tausende Menschen auf der Prager Karlsbrücke zusammen. Sie stießen
mit Bier und Sekt an, um auf das Ende der Pandemie anzustoßen." Als
die Zahlen dann nach dem Sommer wieder nach oben gingen, hätten das
viele nicht verstehen wollen. "Inzwischen ist es sogar schon so
weit, dass ein Drittel der Tschechen nicht mehr bereit dazu ist,
sich an die Abstands- und Hygieneregeln oder das Tragen von Masken
halten zu wollen." Dabei sei die Situation ernster denn je:
"Teilweise werden in Regionen zu 70 Prozent die mutierten und
möglicherweise gefährlicheren Formen nachgewiesen. Premier Babiš
spricht von bevorstehenden 'Höllentagen'." Schmidt beschreibt ein
Gesundheitswesen, das dem Kollaps nahe ist. Mancherorts müssten
Ärzte zwischen drei Patienten entscheiden, um ihnen ein verfügbares
Intensivbett zur Verfügung zu stellen. "Die Patienten sind ältere
Menschen, aber vermehrt auch jüngere", sagt Schmidt und verweist
auf Berichte tschechischer Experten. Die würden in der momentan
grassierenden britischen Mutation eine höhere Übertragbarkeit
feststellen, woraus auch eine höhere Zahl schwerer Verläufe
resultiere. Den Ausweg aus der verzwickten Situation würde man in
Tschechien mit einem Hochfahren des Impfbetriebs erreichen. "Doch
das ist schon das nächste Problemfeld...", holt Schmidt aus.
Darüber sowie über die bevorstehenden Maßnahmen, die in Tschechien
wahrscheinlich ab 1. März gelten, spricht Korrespondent Hans-Jörg
Schmidt in der aktuellen Folge CoronaCast. Thema ist auch das
Verhältnis Sachsens zu Tschechien und die besondere Situation für
Tausende Grenzpendler. Das Podcast-Gespräch wurde über einen
Videoanruf aufgezeichnet. Alle am Gespräch beteiligten Personen
saßen ausreichend weit voneinander getrennt an verschiedenen Orten.

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