Beschreibung
vor 11 Monaten
In der geschichteten Gesellschaft hatten Adel und Volk nicht die
gleichen Rechte. Infolge des Justizverweigerungsverbots entfallen
solche gesamtgesellschaftlichen Vorgaben für die
Rechtsentscheidung. Gerichte ersetzen sie durch Vorgaben, die sie
autonom definieren können und die ausschließlich ihrer Funktion
dienen: Profession und Organisation. Die „gottgebene“ Schichtung
der Ständegesellschaft ist kein Entscheidungskriterium mehr. Das
Gericht ersetzt derlei Vorgaben durch selbst bestimmbare Vorgaben:
Organisation und Profession werden entscheidend dafür, wer wie
unter welchen Bedingungen „Mitglied“ des Gerichtssystems werden
kann und wie Entscheidungen herbeizuführen sind. Beide Vorgaben
sind funktional orientiert. Sie dienen der Autopoiesis und damit
der Autonomie. Das Gerichtssystem organisiert seine Kommunikation
selbst – in Form von Behörden, Ausbildungsbedingungen,
Kompetenznachweisen, Selbstaufsicht etc. Evolutionär war diese
Entwicklung riskant. Immerhin wurde die Rechtsentscheidung von
einer Vorgabe abgeschnitten, die jahrtausendelang das Weltbild
geprägt hatte. Auch wenn es Kritik gibt, die bezweifelt, dass
Gerichte unabhängig vom sozialen Ansehen entscheiden würden – es
bleibt die soziologische Frage: Welche sozialen Einrichtungen waren
nötig, um eine derartige Autonomie zu behaupten und abzusichern?
Als Voraussetzungen kann man feststellen: Profession und
Organisation. Aber was bedeutet das? Die Theorie sozialer Systeme
bricht diese Begriffe auf die operationale Ebene herunter: Beides
sind Operationen, die durch Kommunikation ausgeübt werden. Die
Kommunikation ist funktional, sie dient der Grenzziehung zwischen
Gerichtssystem und Umwelt. Indem das Gerichtssystem laufend
eingrenzt, was professionell/unprofessionell ist, reproduziert es
sich selbst. Der Begriff der Autopoiesis wird hierin erneut
greifbar: Wie jedes soziale System, reproduziert auch das
Gerichtssystem alle Kommunikationen, aus denen es besteht,
ausschließlich selbst. Wie man RichterIn werden kann, was als
professionell zu gelten hat, all das kann das Gericht selbst
definieren und laufend internen Bedürfnissen anpassen. Die
gesamtgesellschaftliche Vorgabe der Schichtung wird durch
systeminterne Vorgaben ersetzt: Es braucht juristische Kompetenz,
um Rechtsentscheidungen zu treffen. Durch Kompetenz wird dann auch
die Frage entschieden, welche Organisationen ein Gerichtssystem
braucht, welche Rollen es gibt und wie diese Organisationen zu
arbeiten haben. Das System reguliert sich selbst und zwingt sich
zur Selbstbeobachtung. Es gibt eine Dienstaufsicht. Es definiert,
wie viel erledigt werden muss. Es koordiniert zeitliche Abläufe
durch Termine. Die Interaktion im Gerichtssaal bedeutet
Kommunikation unter Anwesenden und ist durch selbst entworfene
Verfahrensregeln festgelegt. Der Umgang mit Fehlern ist
systemintern reglementiert. Interne Streitigkeiten werden durch
Argumentation gelöst, die wiederum professionell sein muss. Wer
welche Positionen, Einkommen und Karrierewege einschlagen kann,
wird ebenso durch Kommunikation definiert. Profession ist die
Voraussetzung für Organisation. Karrierefragen werden durch Selbst-
plus Fremdreferenz entschieden. Zwei Perspektiven müssen
miteinander abgeglichen werden. Dies mag sich systemintern auf das
Verhalten von RichterInnen auswirken. Die Umwelt könnte aber ihr
Verhalten nicht „steuern“. Ein negatives Presse-Echo auf ein Urteil
würde nichts am Gehalt, an der Position und an der Rechtsgültigkeit
der Entscheidung ändern. RichterInnen können nicht für die Folgen
ihrer Entscheidung verantwortlich gemacht werden! Durch
Organisation wird dieses Risiko abgedeckt. Organisation ermöglicht
Unverantwortlichkeit für die Folgen von Entscheidungen. Profession
und Organisation sind also funktional äquivalent. Durch Profession
kann das Gericht autonom entscheiden... Vollständiger Text auf
luhmaniac.de
gleichen Rechte. Infolge des Justizverweigerungsverbots entfallen
solche gesamtgesellschaftlichen Vorgaben für die
Rechtsentscheidung. Gerichte ersetzen sie durch Vorgaben, die sie
autonom definieren können und die ausschließlich ihrer Funktion
dienen: Profession und Organisation. Die „gottgebene“ Schichtung
der Ständegesellschaft ist kein Entscheidungskriterium mehr. Das
Gericht ersetzt derlei Vorgaben durch selbst bestimmbare Vorgaben:
Organisation und Profession werden entscheidend dafür, wer wie
unter welchen Bedingungen „Mitglied“ des Gerichtssystems werden
kann und wie Entscheidungen herbeizuführen sind. Beide Vorgaben
sind funktional orientiert. Sie dienen der Autopoiesis und damit
der Autonomie. Das Gerichtssystem organisiert seine Kommunikation
selbst – in Form von Behörden, Ausbildungsbedingungen,
Kompetenznachweisen, Selbstaufsicht etc. Evolutionär war diese
Entwicklung riskant. Immerhin wurde die Rechtsentscheidung von
einer Vorgabe abgeschnitten, die jahrtausendelang das Weltbild
geprägt hatte. Auch wenn es Kritik gibt, die bezweifelt, dass
Gerichte unabhängig vom sozialen Ansehen entscheiden würden – es
bleibt die soziologische Frage: Welche sozialen Einrichtungen waren
nötig, um eine derartige Autonomie zu behaupten und abzusichern?
Als Voraussetzungen kann man feststellen: Profession und
Organisation. Aber was bedeutet das? Die Theorie sozialer Systeme
bricht diese Begriffe auf die operationale Ebene herunter: Beides
sind Operationen, die durch Kommunikation ausgeübt werden. Die
Kommunikation ist funktional, sie dient der Grenzziehung zwischen
Gerichtssystem und Umwelt. Indem das Gerichtssystem laufend
eingrenzt, was professionell/unprofessionell ist, reproduziert es
sich selbst. Der Begriff der Autopoiesis wird hierin erneut
greifbar: Wie jedes soziale System, reproduziert auch das
Gerichtssystem alle Kommunikationen, aus denen es besteht,
ausschließlich selbst. Wie man RichterIn werden kann, was als
professionell zu gelten hat, all das kann das Gericht selbst
definieren und laufend internen Bedürfnissen anpassen. Die
gesamtgesellschaftliche Vorgabe der Schichtung wird durch
systeminterne Vorgaben ersetzt: Es braucht juristische Kompetenz,
um Rechtsentscheidungen zu treffen. Durch Kompetenz wird dann auch
die Frage entschieden, welche Organisationen ein Gerichtssystem
braucht, welche Rollen es gibt und wie diese Organisationen zu
arbeiten haben. Das System reguliert sich selbst und zwingt sich
zur Selbstbeobachtung. Es gibt eine Dienstaufsicht. Es definiert,
wie viel erledigt werden muss. Es koordiniert zeitliche Abläufe
durch Termine. Die Interaktion im Gerichtssaal bedeutet
Kommunikation unter Anwesenden und ist durch selbst entworfene
Verfahrensregeln festgelegt. Der Umgang mit Fehlern ist
systemintern reglementiert. Interne Streitigkeiten werden durch
Argumentation gelöst, die wiederum professionell sein muss. Wer
welche Positionen, Einkommen und Karrierewege einschlagen kann,
wird ebenso durch Kommunikation definiert. Profession ist die
Voraussetzung für Organisation. Karrierefragen werden durch Selbst-
plus Fremdreferenz entschieden. Zwei Perspektiven müssen
miteinander abgeglichen werden. Dies mag sich systemintern auf das
Verhalten von RichterInnen auswirken. Die Umwelt könnte aber ihr
Verhalten nicht „steuern“. Ein negatives Presse-Echo auf ein Urteil
würde nichts am Gehalt, an der Position und an der Rechtsgültigkeit
der Entscheidung ändern. RichterInnen können nicht für die Folgen
ihrer Entscheidung verantwortlich gemacht werden! Durch
Organisation wird dieses Risiko abgedeckt. Organisation ermöglicht
Unverantwortlichkeit für die Folgen von Entscheidungen. Profession
und Organisation sind also funktional äquivalent. Durch Profession
kann das Gericht autonom entscheiden... Vollständiger Text auf
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