Beschreibung
vor 1 Jahr
Gerichte bilden ein Teilsystem (Subsystem) im Rechtssystem. Wie es
zu dieser internen Ausdifferenzierung kam, lässt sich anhand der
Unterscheidung von Gesetzgebung und Rechtsprechung historisch
nachvollziehen. Dabei ist es unerlässlich, die jeweils
zugrundeliegende gesellschaftliche Differenzierungsform mit zu
betrachten. Denn diese bildet die Bedingungen der Möglichkeit,
unter denen politische Herrschaft und Rechtsprechung voneinander
unterschieden und praktiziert werden können. In der segmentären
(tribalen) Gesellschaft war die Gesellschaft nach Familien und
Stämmen differenziert. Begünstigung von Freunden bzw.
Benachteiligung von Feinden waren naheliegend gewesen. In der
stratifizierten Gesellschaft, die über Schrift verfügte, war die
Gesellschaft in Schichten wie Adel/Volk differenziert, legitimiert
durch ein göttliches (ontologisches) Weltbild. Verwandtschaftliche
und freundschaftliche Bindungen durften bei der Rechtsprechung
gerade keine Rolle mehr spielen. Schon zu Aristoteles’ Zeiten (rund
300 Jahre vor Christus) unterschied man zwar zwischen
Rechtsprechung und Gesetzgebung. Richter wurden ans Gesetz
gebunden. Fälle mussten „ohne Ansehen der Person“ beurteilt werden.
(Freilich auf der Grundlage der Schichtung qua Geburt, die den
Schichten unterschiedliche Rechte zumaß, etwa: Sklaven, Frauen,
freien Männern.) Im Römischen Reich differenzierte sich die
Gesetzgebung zur Volksgesetzgebung aus. Gesetze legten fest, wer
unter welchen Voraussetzungen Gerichtsgewalt ausüben durfte. Der
Amtsinhaber einer Gerichtsmagistratur war der Praetor (lateinisch
von „vorangehen“: prae-ire). Der Adel musste Rechtskenntnisse
erwerben, um das Amt auszuüben. (Ein Vorgeschmack auf die heutige
funktionale Differenzierung, bei der Expertise die nun alleinige,
schichtunabhängige Voraussetzung ist.) Formal waren politische
Herrschaft und Rechtsprechung also getrennt. Bis ins 18. Jh. sahen
die Machtverhältnisse in Alteuropa allerdings anders aus. Welcher
Fürst im Territorialstaat herrschte, war entscheidend für die
Frage, ob man sein Recht auch vor Gericht durchsetzen konnte. In
der Folge herrschte die Auffassung vor, die Gesetze würden schon
„sagen“, was rechtens ist (iurisdictio). Gesetzgebung und
Rechtsprechung wurden als zwei Seiten einer einheitlichen Aufgabe
des Fürsten angesehen. Machtmissbrauch war nie auszuschließen. Ein
Beispiel dafür ist die Herrschaft des „Sonnenkönigs“ Ludwig XIV. (†
1715, „Der Staat, das bin ich“) im Absolutismus. Die politische
Macht, Gesetze zu erlassen (potestas legislatoria), wurde
hierarchisch als über der Rechtsprechung stehend empfunden. Diese
Auffassung änderte sich, wenn auch nur sehr allmählich, durch den
Begriff der Souveränität. Dieser lässt sich sowohl auf Politik als
auch auf Recht anwenden. Benötigt wurde der Begriff vermutlich
zunächst, um den Territorialstaat politisch in Stellung zu bringen.
Die formale Trennung von Gesetzgebung und Rechtsprechung machte es
jedoch notwendig, sowohl „Staatssouveränität“ als auch
„Rechtssouveränität“ als voneinander unabhängig zu definieren und
Rechtsreformen einzuleiten, wie sie z.B. Jeremy Bentham forderte.
So bringt der Souveränitätsbegriff mehr und mehr zum Ausdruck, dass
beide Funktionssysteme autonom sind – und gerade darum ihre
strukturelle Kopplung und ihre gegenseitigen Abhängigkeiten
voneinander „geregelt“ werden müssen. vollständiger Text aus
luhmaniac.de
zu dieser internen Ausdifferenzierung kam, lässt sich anhand der
Unterscheidung von Gesetzgebung und Rechtsprechung historisch
nachvollziehen. Dabei ist es unerlässlich, die jeweils
zugrundeliegende gesellschaftliche Differenzierungsform mit zu
betrachten. Denn diese bildet die Bedingungen der Möglichkeit,
unter denen politische Herrschaft und Rechtsprechung voneinander
unterschieden und praktiziert werden können. In der segmentären
(tribalen) Gesellschaft war die Gesellschaft nach Familien und
Stämmen differenziert. Begünstigung von Freunden bzw.
Benachteiligung von Feinden waren naheliegend gewesen. In der
stratifizierten Gesellschaft, die über Schrift verfügte, war die
Gesellschaft in Schichten wie Adel/Volk differenziert, legitimiert
durch ein göttliches (ontologisches) Weltbild. Verwandtschaftliche
und freundschaftliche Bindungen durften bei der Rechtsprechung
gerade keine Rolle mehr spielen. Schon zu Aristoteles’ Zeiten (rund
300 Jahre vor Christus) unterschied man zwar zwischen
Rechtsprechung und Gesetzgebung. Richter wurden ans Gesetz
gebunden. Fälle mussten „ohne Ansehen der Person“ beurteilt werden.
(Freilich auf der Grundlage der Schichtung qua Geburt, die den
Schichten unterschiedliche Rechte zumaß, etwa: Sklaven, Frauen,
freien Männern.) Im Römischen Reich differenzierte sich die
Gesetzgebung zur Volksgesetzgebung aus. Gesetze legten fest, wer
unter welchen Voraussetzungen Gerichtsgewalt ausüben durfte. Der
Amtsinhaber einer Gerichtsmagistratur war der Praetor (lateinisch
von „vorangehen“: prae-ire). Der Adel musste Rechtskenntnisse
erwerben, um das Amt auszuüben. (Ein Vorgeschmack auf die heutige
funktionale Differenzierung, bei der Expertise die nun alleinige,
schichtunabhängige Voraussetzung ist.) Formal waren politische
Herrschaft und Rechtsprechung also getrennt. Bis ins 18. Jh. sahen
die Machtverhältnisse in Alteuropa allerdings anders aus. Welcher
Fürst im Territorialstaat herrschte, war entscheidend für die
Frage, ob man sein Recht auch vor Gericht durchsetzen konnte. In
der Folge herrschte die Auffassung vor, die Gesetze würden schon
„sagen“, was rechtens ist (iurisdictio). Gesetzgebung und
Rechtsprechung wurden als zwei Seiten einer einheitlichen Aufgabe
des Fürsten angesehen. Machtmissbrauch war nie auszuschließen. Ein
Beispiel dafür ist die Herrschaft des „Sonnenkönigs“ Ludwig XIV. (†
1715, „Der Staat, das bin ich“) im Absolutismus. Die politische
Macht, Gesetze zu erlassen (potestas legislatoria), wurde
hierarchisch als über der Rechtsprechung stehend empfunden. Diese
Auffassung änderte sich, wenn auch nur sehr allmählich, durch den
Begriff der Souveränität. Dieser lässt sich sowohl auf Politik als
auch auf Recht anwenden. Benötigt wurde der Begriff vermutlich
zunächst, um den Territorialstaat politisch in Stellung zu bringen.
Die formale Trennung von Gesetzgebung und Rechtsprechung machte es
jedoch notwendig, sowohl „Staatssouveränität“ als auch
„Rechtssouveränität“ als voneinander unabhängig zu definieren und
Rechtsreformen einzuleiten, wie sie z.B. Jeremy Bentham forderte.
So bringt der Souveränitätsbegriff mehr und mehr zum Ausdruck, dass
beide Funktionssysteme autonom sind – und gerade darum ihre
strukturelle Kopplung und ihre gegenseitigen Abhängigkeiten
voneinander „geregelt“ werden müssen. vollständiger Text aus
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