Beschreibung
vor 2 Jahren
Start des 5. Kapitels über die „Kontingenzformel Gerechtigkeit“.
Was ist Gerechtigkeit? Lässt sich das überhaupt abschließend
definieren? Um das Problem einzukreisen, limitiert Luhmann das
Spektrum möglicher Fragen. Er führt Unterscheidungen ein und legt
dadurch fest, welche Fragestellungen er weiterverfolgen will und
welche nicht. Das Ergebnis fasst er am Abschnittsende auf Seite 218
zusammen. 1. Offenbar handelt es sich bei dem Begriff Gerechtigkeit
um Selbstreferenz als Beobachtung. Diese ist zu unterscheiden von
Selbstreferenz als Operation. Als Operation bedeutet
Selbstreferenz, dass sich das Rechtssystem in der Kommunikation auf
seinen binären Code bezieht, indem es zwischen Recht und Unrecht
unterscheidet. Als Beobachtung bedeutet Selbstreferenz, dass sich
das System bei seinen Operationen beobachtet: ob die Unterscheidung
vollzogen wird, und ob die Kriterien zur Anwendung dieser
Unterscheidung richtig oder falsch angewendet werden.
Selbstreferenz wird also in zwei analytisch unterscheidbare Formen
unterteilt. (Wobei die Beobachtung der eigenen Operationsweise
wiederum selbst Thema der Kommunikation werden kann: Wenn
nachgefragt wird, ob die Kriterien richtig/falsch angewendet
wurden.) 2. Als weiterer Punkt lässt sich festhalten, dass
Gerechtigkeit auf der Ebene von Programmen angesiedelt sein dürfte.
Aber nicht als irgendein Programm unter anderen, so als könnte man
mal mit, mal ohne Gerechtigkeit operieren. Sondern als eine Art
Programm aller Programme, das alle Konditionalprogramme
(Wenn-dann-Programme) anleitet, mit deren Hilfe zwischen Recht und
Unrecht unterschieden wird. Programmebene heißt zugleich, dass das
Problem „Was ist Gerechtigkeit?“ nicht auf der Ebene des Codes
angesiedelt ist. Denn dann müsste man zwischen Recht, Unrecht und
„gerechtem Recht“ unterscheiden. Das System würde sich selbst
blockieren. Stattdessen soll die Unterscheidung der Code-Werte
stets Gerechtigkeit hervorbringen. Das „Ergebnis“ erscheint wie
eine Art dritter Wert, ist aber wie gesagt kein Code-Wert. 3. Der
Begriff „sollen“ deutet bereits darauf hin, dass Gerechtigkeit die
Form einer Norm hat. Normen sind das, „was gesollt ist“: Es handelt
sich um Erwartungen, die auch enttäuscht werden können. Das
bedeutet, dass es auch Rechtssysteme geben kann, die die Erwartung
von „gerechten“ Entscheidungen enttäuschen können. Aber wessen
Erwartungen? Hier ist zwischen der Umweltperspektive und der
Binnenperspektive des Rechtssystems zu unterscheiden. Was die
Gesellschaft und die anderen großen Funktionssysteme wie Wirtschaft
oder Politik für gerecht halten, muss nicht mit der
Gerechtigkeitsvorstellung des Systems übereinstimmen. Aus der
Perspektive des Rechtssystems ist Gerechtigkeit eine
selbstreferentielle Norm. Das System konfrontiert sich selbst
damit, dass es durch die Unterscheidung von Recht und Unrecht eine
Entscheidung hervorbringen soll, die im System nach systeminternen
Normen für gerecht erklärt werden kann (und bei der Umwelt
durchgeht, könnte man sagen). Die Überschrift des Kapitels deutet
es an: Gerechtigkeit erscheint nach diesen Vorüberlegungen
zunehmend wie eine „Kontingenzformel“. Es liegt nahe, dass es auch
anders kommen kann. Was damit gemeint ist, folgt im nächsten
Abschnitt.
Was ist Gerechtigkeit? Lässt sich das überhaupt abschließend
definieren? Um das Problem einzukreisen, limitiert Luhmann das
Spektrum möglicher Fragen. Er führt Unterscheidungen ein und legt
dadurch fest, welche Fragestellungen er weiterverfolgen will und
welche nicht. Das Ergebnis fasst er am Abschnittsende auf Seite 218
zusammen. 1. Offenbar handelt es sich bei dem Begriff Gerechtigkeit
um Selbstreferenz als Beobachtung. Diese ist zu unterscheiden von
Selbstreferenz als Operation. Als Operation bedeutet
Selbstreferenz, dass sich das Rechtssystem in der Kommunikation auf
seinen binären Code bezieht, indem es zwischen Recht und Unrecht
unterscheidet. Als Beobachtung bedeutet Selbstreferenz, dass sich
das System bei seinen Operationen beobachtet: ob die Unterscheidung
vollzogen wird, und ob die Kriterien zur Anwendung dieser
Unterscheidung richtig oder falsch angewendet werden.
Selbstreferenz wird also in zwei analytisch unterscheidbare Formen
unterteilt. (Wobei die Beobachtung der eigenen Operationsweise
wiederum selbst Thema der Kommunikation werden kann: Wenn
nachgefragt wird, ob die Kriterien richtig/falsch angewendet
wurden.) 2. Als weiterer Punkt lässt sich festhalten, dass
Gerechtigkeit auf der Ebene von Programmen angesiedelt sein dürfte.
Aber nicht als irgendein Programm unter anderen, so als könnte man
mal mit, mal ohne Gerechtigkeit operieren. Sondern als eine Art
Programm aller Programme, das alle Konditionalprogramme
(Wenn-dann-Programme) anleitet, mit deren Hilfe zwischen Recht und
Unrecht unterschieden wird. Programmebene heißt zugleich, dass das
Problem „Was ist Gerechtigkeit?“ nicht auf der Ebene des Codes
angesiedelt ist. Denn dann müsste man zwischen Recht, Unrecht und
„gerechtem Recht“ unterscheiden. Das System würde sich selbst
blockieren. Stattdessen soll die Unterscheidung der Code-Werte
stets Gerechtigkeit hervorbringen. Das „Ergebnis“ erscheint wie
eine Art dritter Wert, ist aber wie gesagt kein Code-Wert. 3. Der
Begriff „sollen“ deutet bereits darauf hin, dass Gerechtigkeit die
Form einer Norm hat. Normen sind das, „was gesollt ist“: Es handelt
sich um Erwartungen, die auch enttäuscht werden können. Das
bedeutet, dass es auch Rechtssysteme geben kann, die die Erwartung
von „gerechten“ Entscheidungen enttäuschen können. Aber wessen
Erwartungen? Hier ist zwischen der Umweltperspektive und der
Binnenperspektive des Rechtssystems zu unterscheiden. Was die
Gesellschaft und die anderen großen Funktionssysteme wie Wirtschaft
oder Politik für gerecht halten, muss nicht mit der
Gerechtigkeitsvorstellung des Systems übereinstimmen. Aus der
Perspektive des Rechtssystems ist Gerechtigkeit eine
selbstreferentielle Norm. Das System konfrontiert sich selbst
damit, dass es durch die Unterscheidung von Recht und Unrecht eine
Entscheidung hervorbringen soll, die im System nach systeminternen
Normen für gerecht erklärt werden kann (und bei der Umwelt
durchgeht, könnte man sagen). Die Überschrift des Kapitels deutet
es an: Gerechtigkeit erscheint nach diesen Vorüberlegungen
zunehmend wie eine „Kontingenzformel“. Es liegt nahe, dass es auch
anders kommen kann. Was damit gemeint ist, folgt im nächsten
Abschnitt.
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