Beschreibung
vor 4 Jahren
Welche Funktion hat das Recht für die Gesellschaft? Zuvor hatte
Luhmann bereits erklärt, warum die Sozialdimension sich nicht
eignet, um daraus eine Funktion wie „Integration“ abzuleiten. Denn
das hieße: Es käme zu jeder Zeit eine andere Definition dabei
heraus. Die Hypothese lautet: Das Recht löst ein Zeitproblem.
Dieses besteht darin, dass die Zukunft ungewiss ist. Die Funktion
besteht darin, diese Unsicherheit partiell zu absorbieren. Dank
rechtlicher Normen kann man Erwartungen formulieren. Wie geschieht
das? Durch Wiederholung von rechtlicher Semantik werden Normen
bestätigt und verdichtet. So entstehen normative Erwartungen und
sprachliche Normen. Dissenz über „korrekte“ Bezeichnungen trägt das
System intern aus. Sprachliche Schemata enstehen und verfestigen
sich, z.B., was akzeptabel/inakzeptabel ist. Bezeichnungen werden
fixiert, ihre Verwendung aber in verschiedensten Kontexten bleibt
variabel. Auf diese Weise erzeugt die Kommunikation Sinn. Sie
prozessiert. Dabei enthält jede Unterscheidung bereits die
Möglichkeit einer Normabweichung. Sie ist durch die
Zwei-Seiten-Form gegeben. Die negative beurteilte Seite liefert den
„Stoff” für Diskussionen. Semantik ist somit das Fundament jeder
Normativität. Und obwohl es möglich wäre, etwas willkürlich zu
bezeichnen, ist es wiederum eine Norm, das nicht zu tun.
„Unnormale“ Bezeichnungen werden hinterfragt, korrigiert. Auf
dieser Basis beurteilt das Rechtssystem Verhaltensweisen. Es
diskriminiert, wer Recht und wer Unrecht hat. Dabei weisen
Entscheidungen zwangsläufig in die Zukunft. Ein Urteil ist bindend,
gleiche Fälle müssen gleichbehandelt werden. Diese Zeitbindung
verlangt Prognosefähigkeit. Eine Entscheidung muss soziale
Entwicklungen prognostizieren und Verhaltensweisen präjudizieren.
Damit stabilisiert ein Urteil Erwartungen, aber es enttäuscht sie
auch – bei denjenigen, deren Verhaltensfreiheit eingeschränkt wird.
Diese Problematik wird durch Urteilsbegründungen, die motivierend
wirken sollen, leicht verdeckt. Kurz gesagt, verlaufen Begründungen
auf der Sach-, nicht auf der Zeitebene. Rechtsnormen sind damit
symbolisch generalisierte Erwartungen. Sie symbolisieren die
Zukunft. Ein Symbol verweist auf etwas Fiktionales („Himmelreich
auf Erden“). Als Begriff ist „das Symbol“ ein reflexives Zeichen:
Es bezeichnet sich selbst als Zeichen für etwas. Der Zeitbezug des
Rechts liegt somit in der Funktion von Normen, stabile
Zukunftserwartungen ausbilden zu können. Die Umwelt des
Rechtssystems, die Gesellschaft, reagiert entsprechend sensibel,
wenn das Recht normative Erwartungen intensiviert oder
extensiviert. Veränderung wird beobachtet und erzwingt eine
Entscheidung: Ist man dafür oder dagegen? Ist der Dissenz stark,
kann hier, in der Sozialdimension, wo die Gesellschaft mitredet,
eine Rechtsentscheidung zur Ursache sozialer Spannungen werden.
Analytisch lassen sich Zeit- und Sozialdimension trennen, empirisch
nicht. Sie interpenetrieren sich und verursachen jeweils Kosten auf
der anderen Seite. Die Form des Rechts besteht demnach darin, dass
zwei Unterscheidungen kombiniert werden. 1. Die Unterscheidung
Recht/Unrecht. 2. Die Unterscheidung, worauf eine rechtliche
Erwartung beruht: a) auf internen Normen (das Recht bezieht sich
auf sich selbst), oder b) auf externen Fakten. Denn das System ist
ja gegenüber der Umwelt kognitiv offen, es beobachtet sie. Externe
Fakten werden, sofern rechtsrelevant, nach internen Normen
verarbeitet. (Mehr zur kognitiven Offenheit in Ep. 20.) Und dann
gibt es noch die Sachdimension: Sie umfasst die konkreten Themen
und Inhalte der Rechtsnormen. Die Programme, die eine Zuordnung von
Recht/Unrecht ermöglichen. Diese sichtbare Ebene hat jedoch „nur“
eine Ausgleichsfunktion für die Spannung zwischen Zeit- und
Sozialdimension. Folglich kann man keine „sachliche“ Definition des
Rechts erstellen. Luhmann ersetzt diese Vorstellung darum durch die
Systemreferenz „Rechtssystem“.
Luhmann bereits erklärt, warum die Sozialdimension sich nicht
eignet, um daraus eine Funktion wie „Integration“ abzuleiten. Denn
das hieße: Es käme zu jeder Zeit eine andere Definition dabei
heraus. Die Hypothese lautet: Das Recht löst ein Zeitproblem.
Dieses besteht darin, dass die Zukunft ungewiss ist. Die Funktion
besteht darin, diese Unsicherheit partiell zu absorbieren. Dank
rechtlicher Normen kann man Erwartungen formulieren. Wie geschieht
das? Durch Wiederholung von rechtlicher Semantik werden Normen
bestätigt und verdichtet. So entstehen normative Erwartungen und
sprachliche Normen. Dissenz über „korrekte“ Bezeichnungen trägt das
System intern aus. Sprachliche Schemata enstehen und verfestigen
sich, z.B., was akzeptabel/inakzeptabel ist. Bezeichnungen werden
fixiert, ihre Verwendung aber in verschiedensten Kontexten bleibt
variabel. Auf diese Weise erzeugt die Kommunikation Sinn. Sie
prozessiert. Dabei enthält jede Unterscheidung bereits die
Möglichkeit einer Normabweichung. Sie ist durch die
Zwei-Seiten-Form gegeben. Die negative beurteilte Seite liefert den
„Stoff” für Diskussionen. Semantik ist somit das Fundament jeder
Normativität. Und obwohl es möglich wäre, etwas willkürlich zu
bezeichnen, ist es wiederum eine Norm, das nicht zu tun.
„Unnormale“ Bezeichnungen werden hinterfragt, korrigiert. Auf
dieser Basis beurteilt das Rechtssystem Verhaltensweisen. Es
diskriminiert, wer Recht und wer Unrecht hat. Dabei weisen
Entscheidungen zwangsläufig in die Zukunft. Ein Urteil ist bindend,
gleiche Fälle müssen gleichbehandelt werden. Diese Zeitbindung
verlangt Prognosefähigkeit. Eine Entscheidung muss soziale
Entwicklungen prognostizieren und Verhaltensweisen präjudizieren.
Damit stabilisiert ein Urteil Erwartungen, aber es enttäuscht sie
auch – bei denjenigen, deren Verhaltensfreiheit eingeschränkt wird.
Diese Problematik wird durch Urteilsbegründungen, die motivierend
wirken sollen, leicht verdeckt. Kurz gesagt, verlaufen Begründungen
auf der Sach-, nicht auf der Zeitebene. Rechtsnormen sind damit
symbolisch generalisierte Erwartungen. Sie symbolisieren die
Zukunft. Ein Symbol verweist auf etwas Fiktionales („Himmelreich
auf Erden“). Als Begriff ist „das Symbol“ ein reflexives Zeichen:
Es bezeichnet sich selbst als Zeichen für etwas. Der Zeitbezug des
Rechts liegt somit in der Funktion von Normen, stabile
Zukunftserwartungen ausbilden zu können. Die Umwelt des
Rechtssystems, die Gesellschaft, reagiert entsprechend sensibel,
wenn das Recht normative Erwartungen intensiviert oder
extensiviert. Veränderung wird beobachtet und erzwingt eine
Entscheidung: Ist man dafür oder dagegen? Ist der Dissenz stark,
kann hier, in der Sozialdimension, wo die Gesellschaft mitredet,
eine Rechtsentscheidung zur Ursache sozialer Spannungen werden.
Analytisch lassen sich Zeit- und Sozialdimension trennen, empirisch
nicht. Sie interpenetrieren sich und verursachen jeweils Kosten auf
der anderen Seite. Die Form des Rechts besteht demnach darin, dass
zwei Unterscheidungen kombiniert werden. 1. Die Unterscheidung
Recht/Unrecht. 2. Die Unterscheidung, worauf eine rechtliche
Erwartung beruht: a) auf internen Normen (das Recht bezieht sich
auf sich selbst), oder b) auf externen Fakten. Denn das System ist
ja gegenüber der Umwelt kognitiv offen, es beobachtet sie. Externe
Fakten werden, sofern rechtsrelevant, nach internen Normen
verarbeitet. (Mehr zur kognitiven Offenheit in Ep. 20.) Und dann
gibt es noch die Sachdimension: Sie umfasst die konkreten Themen
und Inhalte der Rechtsnormen. Die Programme, die eine Zuordnung von
Recht/Unrecht ermöglichen. Diese sichtbare Ebene hat jedoch „nur“
eine Ausgleichsfunktion für die Spannung zwischen Zeit- und
Sozialdimension. Folglich kann man keine „sachliche“ Definition des
Rechts erstellen. Luhmann ersetzt diese Vorstellung darum durch die
Systemreferenz „Rechtssystem“.
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