26. Luhmann Systemtheorie: Recht der Gesellschaft, S. 124, K. 03

26. Luhmann Systemtheorie: Recht der Gesellschaft, S. 124, K. 03

Nachdem Luhmann im vorigen Kapitel nachgewiesen h…
1 Stunde 9 Minuten
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Ulrike Sumfleth und Joachim Feltkamp sind Luhmani…

Beschreibung

vor 4 Jahren
Nachdem Luhmann im vorigen Kapitel nachgewiesen hat, dass das Recht
ein operativ geschlossenes Funktionssystem ist, untersucht er nun,
welche Funktion das Recht für die Gesellschaft hat. Gesellschaft
ist hierbei als empirisch beobachtbares Einzelsystem zu verstehen.
D.h. als ein System, in dem Kommunikationen nachweisbar sind, in
denen es um die Unterscheidung zwischen Recht und Unrecht geht. Die
Frage lautet, für welches Problem der Gesellschaft das Recht die
Lösung ist. Die Bezugnahme auf Gesellschaft schließt zugleich
andere Fragestellungen aus: Es geht nicht um die Funktion für „den
Menschen“ oder für „das Bewusstsein“ (anthropologische und
psychologische Fragestellungen) noch um Zweck oder Nutzen des
Rechts (utilitaristischer Ansatz) noch um Bedürfnisbefriedigung von
Individuen oder Subjekten durch das Recht. Stattdessen verlagert
die Theorie sozialer Systeme die Beziehung zwischen Recht und
Gesellschaft auf die Kommunikationsebene und damit auf die
Zeitebene. Denn alle Kommunikation bindet Zeit. Die Hypothese
lautet, dass das Recht ein Zeitproblem löst. Die Lösung besteht
darin, in der Kommunikation Zukunftserwartungen zum Ausdruck
bringen zu können – unabhängig davon, wie gerecht oder ungerecht
sich das Recht auch entwickeln mag. Die bloße Existenz des Rechts
spannt für die Gesellschaft einen Zeithorizont auf. Die Tatsache,
dass es Recht gibt, macht es möglich, normative Erwartungen an eine
unsichere Zukunft zu äußern. Und ein solcher Bezug auf Recht und
Zeit ist in der Kommunikation beobachtbar. Im Gegensatz dazu ist
die Psyche, der man „Erwartungen“ im Alltagsverständnis zuordnen
würde, nicht beobachtbar. Die Verlagerung auf die Zeitebene
erübrigt zugleich eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob das
Recht nicht primär eine soziale Funktion habe (Stichworte: „soziale
Kontrolle“ oder „Integration“). Die Theorie sozialer Systeme
entgeht dieser Kontroverse, indem sie das Problem von der
Sozialdimension in die Zeitdimension verlagert. Sie besagt nur,
dass durch Recht Zukunftserwartungen zeitstabil gesichert werden
können, und das hat dann soziale Konsequenzen (indem das Recht z.B.
integrierend oder kontrollierend wirken kann). Anm.: Auf dieser
erhöhten Abstraktionsebene ist das Soziale keine Funktion des
Rechts, sondern ein Argument. Argumente ermöglichen es, vorhandenes
Recht zu ändern, damit ein sozialer Zustand sich verändert. Z.B.
können durch Gesetze Kommunismus oder Marktwirtschaft eingeführt
werden, mit all ihren sozialen Konsequenzen. „Integration“ wiederum
ist ein politisches Programm und ebenfalls keine Funktion des
Rechts. Durch wiederholten Gebrauch einer spezifischen Semantik
(die man als Selbstfestlegungen eines Systems verstehen kann)
stabilisieren sich die normativen Erwartungen einer Gesellschaft.
Bestimmte Begriffe müssen einerseits unverändert wiederverwendet
werden, weil ihr spezifischer Sinn nicht durch Alternativen
darstellbar ist. Zugleich ermöglichen sie einen
Verweisungsüberschuss: Es ist möglich, dieselben Begriffe in einem
anderen Kontext zu verwenden. Bezeichnungen werden also fixiert,
ihre Verwendung in Kontexten bleibt jedoch immer variabel. Auf
diese Weise erzeugt die Kommunikation „Sinn“. Sie prozessiert – was
Zeit bindet –, und durch Bestätigen und Verdichten der Semantik in
verschiedensten Kontexten entstehen nicht nur normative
Zukunftserwartungen, sondern auch sprachliche Normen. Die
Kommunikation thematisiert und korrigiert sich dann selbst. So
entstehen z.B. Schemata wie richtig/falsch oder
akzeptabel/inakzeptabel.

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