Beschreibung
vor 4 Jahren
Zuletzt hat Luhmann gezeigt, dass Rechtsgeltung ein Symbol ist, das
die Einheit des Rechtssystems erzeugt. Sie ist keine Norm, sondern
die Form, in der das System seine Operationen sich selbst zuordnet.
Nun fügt Luhmann den Faktor Zeit hinzu. Warum „Rechtsgeltung“ nur
zeitlich zu verstehen ist, erschließt sich durch das Formkalkül
(„distinction and indication“) von George Spencer Brown. Zugrunde
liegt der Gedanke, dass man, um etwas bezeichnen zu können, es von
allem anderen („unmarked space“) unterscheiden muss. Indem man
etwas bezeichnet, zieht man eine Grenze zwischen dem Bezeichnetem
und dem Rest. Diese Grenze ist als Form zu verstehen, bildlich als
Strich. Bei der Unterscheidung von Geltung/Nichtgeltung kreuzt das
System die Grenze dieser Form. Und dafür benötigt es Zeit! Denn es
ist immer nur eine Bezeichnung möglich. „Geltung“ ist die
Innenseite der Form, „Nichtgeltung“ die Außenseite, sie verweist in
die Umwelt. „Nichtgeltung“ erscheint zudem als Reflexionswert, den
das System nur braucht, um die Kommunikation auf das zu lenken, was
gilt. Der positive Wert ist der bevorzugte, denn er verheißt
Anschlussfähigkeit, während negative Werte (unwahr, keine Liebe,
nicht zahlen) nicht erfolgversprechend sind. Solange man an eine
göttliche Ordnung glaubte, brauchte es kein Symbol für Geltung. Die
Begründung wurde extern gesucht. Gott, Natur, Autorität, Vernunft
oder „Volksgeist“ dienten als „Quelle“. Was rechtens war, galt als
Frage der Erkenntnisfähigkeit. Bei dieser Ausgangslage konnte sich
das Rechtssystem gar nicht selbst als Produzent der Geltung
erkennen. Erst als es sich zum autonomen Funktionssystem
ausdifferenzierte, wurde ein Symbol gebraucht. Mit diesem beweist
das System, dass es die Geltung selbst laufend ändern kann. Das
Geltungssymbol verweist ins Innere, stiftet Identität und
stabilisiert die Dynamik. Geltung erscheint nun als zeitabhängig:
Sie ist solange von Dauer, bis sie widerrufen wird. Es handelt sich
um einen permanenten Umgeltungsprozess, den das System selbst
erzeugt. Frühere Geltungstheorien suchten das Gegenteil: etwas
Stabiles, das „Bestand“ haben sollte. Dass der Negativwert
„Nichtgeltung“ keine eigenen Anschlussmöglichkeiten erzeugt,
unterscheidet ihn von dem ebenfalls negativen Wert „Unrecht“.
Letzerer verlangt durchaus Anschluss, z.B. Diskussion über das
Strafmaß. Das Geltungssymbol verknüpft die Kommunikation über Recht
und Unrecht, denn in beiden Fällen ist geltendes Recht anzuwenden.
Z.B. haben Strafgefangene bestimmte Rechte. Der Begriff Geltung
fungiert somit als „Verschieber“. Ähnlich, wie die Personalpronomen
ich, du, er, sie, es bei jedem Gebrauch eine andere Person
bezeichnen können, kann sich Geltung mal auf Recht, mal auf Unrecht
beziehen. Die Unterscheidung zwischen Recht und Unrecht ergibt erst
dann Sinn, wenn man sich in beiden Fällen auf geltendes Recht
beziehen kann. Das Symbol verknüpft die wichtigsten Operationen des
Systems. So ist Rechtsgeltung nur als Zirkel zu begreifen, nicht
asymmetrisch, wie es die Verfassung der USA von 1787 tat. Diese
„konstituiert“ nur die Einheit des Volkes und seiner Regierung. Die
individuellen Grundrechte jedoch werden nur anerkannt und der
Umgang damit dem Rechtssystem überlassen. D.h. man unterschied
zwischen einer Art überpositivem Recht auf Verfassungsebene und
positivem Recht, das für den Rest zuständig wäre. Solche
Asymmetrisierungen ersetzt die Theorie sozialer Systeme durch den
Begriff der Autopoiesis. Das System reproduziert sich selbst durch
Kommunikation. Geltung ist nur temporal zu begreifen. „Hierarchie“
wird durch Zeit ersetzt. Zeit ist die Form, in der das System
operiert, in der es sich selbst beobachtet, seine Individualität
gewinnt und über Geltung oder Nichtgeltung disponiert.
die Einheit des Rechtssystems erzeugt. Sie ist keine Norm, sondern
die Form, in der das System seine Operationen sich selbst zuordnet.
Nun fügt Luhmann den Faktor Zeit hinzu. Warum „Rechtsgeltung“ nur
zeitlich zu verstehen ist, erschließt sich durch das Formkalkül
(„distinction and indication“) von George Spencer Brown. Zugrunde
liegt der Gedanke, dass man, um etwas bezeichnen zu können, es von
allem anderen („unmarked space“) unterscheiden muss. Indem man
etwas bezeichnet, zieht man eine Grenze zwischen dem Bezeichnetem
und dem Rest. Diese Grenze ist als Form zu verstehen, bildlich als
Strich. Bei der Unterscheidung von Geltung/Nichtgeltung kreuzt das
System die Grenze dieser Form. Und dafür benötigt es Zeit! Denn es
ist immer nur eine Bezeichnung möglich. „Geltung“ ist die
Innenseite der Form, „Nichtgeltung“ die Außenseite, sie verweist in
die Umwelt. „Nichtgeltung“ erscheint zudem als Reflexionswert, den
das System nur braucht, um die Kommunikation auf das zu lenken, was
gilt. Der positive Wert ist der bevorzugte, denn er verheißt
Anschlussfähigkeit, während negative Werte (unwahr, keine Liebe,
nicht zahlen) nicht erfolgversprechend sind. Solange man an eine
göttliche Ordnung glaubte, brauchte es kein Symbol für Geltung. Die
Begründung wurde extern gesucht. Gott, Natur, Autorität, Vernunft
oder „Volksgeist“ dienten als „Quelle“. Was rechtens war, galt als
Frage der Erkenntnisfähigkeit. Bei dieser Ausgangslage konnte sich
das Rechtssystem gar nicht selbst als Produzent der Geltung
erkennen. Erst als es sich zum autonomen Funktionssystem
ausdifferenzierte, wurde ein Symbol gebraucht. Mit diesem beweist
das System, dass es die Geltung selbst laufend ändern kann. Das
Geltungssymbol verweist ins Innere, stiftet Identität und
stabilisiert die Dynamik. Geltung erscheint nun als zeitabhängig:
Sie ist solange von Dauer, bis sie widerrufen wird. Es handelt sich
um einen permanenten Umgeltungsprozess, den das System selbst
erzeugt. Frühere Geltungstheorien suchten das Gegenteil: etwas
Stabiles, das „Bestand“ haben sollte. Dass der Negativwert
„Nichtgeltung“ keine eigenen Anschlussmöglichkeiten erzeugt,
unterscheidet ihn von dem ebenfalls negativen Wert „Unrecht“.
Letzerer verlangt durchaus Anschluss, z.B. Diskussion über das
Strafmaß. Das Geltungssymbol verknüpft die Kommunikation über Recht
und Unrecht, denn in beiden Fällen ist geltendes Recht anzuwenden.
Z.B. haben Strafgefangene bestimmte Rechte. Der Begriff Geltung
fungiert somit als „Verschieber“. Ähnlich, wie die Personalpronomen
ich, du, er, sie, es bei jedem Gebrauch eine andere Person
bezeichnen können, kann sich Geltung mal auf Recht, mal auf Unrecht
beziehen. Die Unterscheidung zwischen Recht und Unrecht ergibt erst
dann Sinn, wenn man sich in beiden Fällen auf geltendes Recht
beziehen kann. Das Symbol verknüpft die wichtigsten Operationen des
Systems. So ist Rechtsgeltung nur als Zirkel zu begreifen, nicht
asymmetrisch, wie es die Verfassung der USA von 1787 tat. Diese
„konstituiert“ nur die Einheit des Volkes und seiner Regierung. Die
individuellen Grundrechte jedoch werden nur anerkannt und der
Umgang damit dem Rechtssystem überlassen. D.h. man unterschied
zwischen einer Art überpositivem Recht auf Verfassungsebene und
positivem Recht, das für den Rest zuständig wäre. Solche
Asymmetrisierungen ersetzt die Theorie sozialer Systeme durch den
Begriff der Autopoiesis. Das System reproduziert sich selbst durch
Kommunikation. Geltung ist nur temporal zu begreifen. „Hierarchie“
wird durch Zeit ersetzt. Zeit ist die Form, in der das System
operiert, in der es sich selbst beobachtet, seine Individualität
gewinnt und über Geltung oder Nichtgeltung disponiert.
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